Ostfriesensünde

Christiane Paul, Schumacher, Rick Ostermann. In der Krimi-Routine angekommen

Foto: ZDF / Sandra Hoever
Foto Harald Keller

„Ostfriesensünde“ ZDF / Schiwago Film), die dritte ZDF-Adaption eines Krimi-Bestsellers von Klaus-Peter Wolf, kann die Qualität der voraufgegangenen Filme nicht halten. Das durchgängige Thema, die verzweifelte Trauer der von Christiane Paul verkörperten Kommissarin um ihren Vater, wird weitergeführt, während das Kripo-Team und auch das zum Fall hinzutretende BKA einem Serienmörder nachjagen, der seine Opfer bei lebendigem Leibe einmauert und sich an ihrem mählichen Sterben ergötzt. Autor Florian Schumacher greift zu Taschenspielertricks, um Logikmängel zu übertünchen. Rick Ostermanns Inszenierung bietet vereinzelte Highlights, fällt aber leider auch durch einige Nachlässigkeiten auf.

Friesenkrimis laufen wie von selbst. Auf dem Buchmarkt, im Fernsehen. Da spart sich das ZDF die Mühen und Kosten, eine Pressemappe zu erstellen. Dieses Nebenbei ist beinahe bezeichnend für die Qualität des Fernsehfilms „Ostfriesensünde“. Es ist der dritte ZDF-Krimi nach einer Vorlage des Bestsellerautors Klaus-Peter Wolf. Und auch der wirkt, als habe man weniger Mühe walten lassen als zuvor. Die ersten beiden Filme um die Kommissarin Ann Kathrin Klaasen waren überdurchschnittliche Beispiele des Krimigenres. Zwar gehört Klaus-Peter Wolfs mittlerweile vielfach kopierte Hauptfigur Ann Kathrin Klaasen zur nicht gerade raren Spezies der nervlich zerrütteten Ermittler, aber weil Christiane Paul diese Figur nicht einfach nur ‚spielt‘, sondern bis in den kleinsten Nerv regelrecht verkörpert, überzeugt die Geschichte selbst dort, wo sie ins Übersinnliche lappt, wenn nämlich Klaasen Zwiegespräche mit ihrem verstorbenen Vater (Ernst Stötzner) führt. Zu ihm hatte sie eine innige Beziehung. Auch er war Kriminalbeamter, und er starb im Dienst. Im Zuge eines Raubüberfalls wurde er erschossen. Die Täter blieben unbekannt und wurden bislang nicht gefasst. Ann Kathrin Klaasen hegt die bis an die Grenze zum Wahn reichende Hoffnung, ihrer noch habhaft werden zu können. Getrieben wird sie weniger vom Geist der Strafverfolgung als von dem – unprofessionellen – Wunsch nach Rache. Diese Neurose macht Ann Kathrin Klaasen zeitweilig betriebsblind. Als sie über Funk von einem Banküberfall mit Geiselnahme erfährt, prescht sie los, platzt in die Maßnahmen ihrer Kollegen, feuert aus dem Stand auf den Täter, bringt die Geisel, die Kollegen, die umstehenden Gaffer in tödliche Gefahr.

Das ist eine dieser ausartenden Szenen, die ähnlich gelagerte TV-Krimis so unglaubwürdig, nicht selten zur schieren Farce machen. Das gilt auch für „Ostfriesensünde“. Klaasen erhält einen Rüffel vom Chef und eine Zurechtweisung durch ihren neuen Lebensgefährten. Aber: kein internes Verfahren wegen des Schusswaffengebrauchs, keine Suspendierung, keine psychologische Betreuung. Stattdessen stante pede ein neuer Fall. Auf Norderney entdecken Handwerker nach einen Wasserschaden in einem Strandlokal einen architektonisch unsinnigen Kellereinbau. Sie brechen die Wand auf – und finden eine mumifizierte Leiche. Kripochef Ubbo Heide (Kai Maertens) schickt Ann Kathrin Klaasen auf die Insel, als habe er eine Beschäftigungstherapie im Sinn. Der Zuschauer wird derweil Zeuge, wie ein Verbrechen mit gleichen Tatmerkmalen verübt wird. Eine junge Frau wird betäubt, verschleppt, eingemauert. Bei lebendigem Leib. Der Täter möchte, dass seine Opfer die Nähe des Todes spüren, dass sie, so sein Wahn, ihre Sünden an sich vorüberziehen lassen und bereuen. Die Kriminalisten finden heraus, dass ähnliche Taten auch in anderen Teilen Deutschlands verübt wurden. Das Bundeskriminalamt übernimmt, auf Wunsch des zuständigen Leiters der „Soko Maurer“ aber bleibt Ann Kathrin Klaasen mit den Ermittlungen betraut. Sie hat bereits zwei Serientäter überführt, das ist auch in Wiesbaden nicht verborgen geblieben.

OstfriesensündeFoto: ZDF / Sandra Hoever
Kantig-markantes Team: Ubbo Heide (Kai Maertens), Rupert (Barnaby Metschurat), Ann Kathrin Klaasen (Christiane Paul), Frank Weller (Christian Erdmann). In einem Punkt sind sich alle Kritiker einig: Christiane Paul ist klasse in dieser Reihe.

Gegen-Meinungen:
„Der dritte Ostfriesenkrimi startet zahm, aber entwickelt sich – nicht zuletzt dank starker Bilder (teils zappenduster) und guter Darsteller – zu einem wahrhaft beklemmenden psychologischen Thriller. Ein nachhallender Fall, eindrücklich bebildert.“ (TV-Spielfilm)
„Christiane Paul ist auf gutem Weg, die psychisch angeschlagene Kommissarin Klaasen so nachhaltig zu prägen wie einst Hannelore Hoger ihre Bella Block. Nervenkitzel de Luxe. Klasse, die Klaasen!“ (Hörzu)

Drehbuchautor Florian Schumacher, der schon das Skript zur Auftaktfolge „Ostfriesenkiller“ verfasst, muss einige Mal merklich tricksen, um Kommissarin Klaasen in der Rolle der federführenden Ermittlerin zu belassen. Leider auch greift er nunmehr verstärkt zu jener Art von Mätzchen, die zumindest Freunden realitätsnaher Krimis den Filmgenuss verleiden können. Da ist Klaasens schon beschriebene wilde Schießerei. Dann lässt sie sich auch noch einmauern, um das Empfinden der Opfer nachvollziehen zu können. Gerade diese Figur mit ihrer ausgeprägten Empathie hätte einen derartigen Unfug gar nicht nötig. Die aufgesetzten Gruselszenen können die Schwächen des Krimiplots nicht überspielen. So bleibt letztlich offen, wie der Täter seine viel Zeit und Mühe erfordernden Morde in ganz Deutschland durchführen konnte, und das jeweils gänzlich unbemerkt. Lässig, beinahe schon nachlässig wird die noch recht frische Beziehung Klaasens zu ihrem Kollegen Frank Weller (Christian Erdmann) abgehandelt, dessen Part zu einer besseren Sprechkomparsenrolle verkommt.

Die Regie, hier wieder wie im Vorgängerfilm in den Händen von Rick Ostermann, hat einige Finessen zu bieten. Ein 360-Grad-Kreisel innerhalb des engen Mauergefängnisses oder auch einen Ausflug in die künstliche Realität: Ein neuartiges Computerprogramm ermöglicht eine simulierte Begehung früherer Tatorte, mit entsprechend pseudo-subjektiver Kameraführung. Ein Kniff, damit Ann Kathrin Klaasen das titelgebende Ostfriesland nicht verlassen muss, aber immerhin einer mit Schick und Stil. Ansonsten fällt die Inszenierung eher durch Unachtsamkeiten auf. Klaasen legt einem Verdächtigen Opferfotos vor, der wird festgenommen, die Bilder bleiben liegen. In einer Passage wird eine der gemauerten Kammern von zwei Jungens entdeckt. Die laufen davon, später erwähnt das Opfer die beiden Knaben gegenüber dem Peiniger. Der ist somit gewarnt, müsste besorgt sein, vielleicht panisch, zeigt aber nicht einmal den Anflug einer entsprechenden Reaktion … Christiane Paul als Ann Kathrin Klaasen hält ihr hohes Niveau, die Gaststars, darunter Constantin von Jascheroff, wirken dagegen, als wären sie von der Regie alleingelassen worden. Etliche Kamera-Einstellungen sind wenig glücklich gewählt. DoP Frank Küpper zeigt die Protagonisten einige Male aus einer unvorteilhaften Untersicht, ohne Not, meint: ohne inhaltlichen Bezug und ohne Symbolwert. Auch hier wieder eine Ablösung der Stilmittel vom Inhalt. Bei den ersten Filmen der Reihe war es umgekehrt: der Inhalt bestimmte den Stil. Es wäre ein Gewinn, wenn die Reihe zu dieser sensibleren Gestaltung zurückfinden würde.

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Reihe

ZDF

Mit Christiane Paul, Christian Erdmann, Barnaby Metschurat, Kai Maertens, Ernst Stötzner, Constanin von Jascheroff, Jan Georg Schütte, Jörg Pose, Frida-Lovisa Hamann

Kamera: Frank Küpper

Szenenbild: Anne Schlaich

Kostüm: Christian Binz

Schnitt: Christoph Wermke

Musik: Stefan Will

Redaktion: Daniel Blum

Produktionsfirma: Schiwago Film

Produktion: Martin Lehwald, Marcos Kantis, Michal Pokorny

Drehbuch: Florian Schumacher – nach dem gleichnamigen Roman von Klaus Peter Wolff

Regie: Rick Ostermann

Quote: 7,24 Mio. Zuschauer (23,7% MA)

EA: 02.02.2019 20:15 Uhr | ZDF

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