Mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass der Titel das Ende der Geschichte vorwegnimmt: Er ist nicht nur selten dämlich, sondern auch eine Unverschämtheit gegenüber den Machern. „Oma zockt sie alle ab“ klingt nach anspruchsloser Klamotte, aber davon kann schon allein wegen der sehenswerten schauspielerischen Leistungen keine Rede sein, ganz zu schweigen von den subtil boshaften Dialogen, schließlich stammt das Drehbuch von Uli Brée, der gemeinsam mit dem Regisseur Wolfgang Murnberger für eine Vielzahl wunderbarer österreichischer Komödien verantwortlich ist (allen voran „Die Spätzünder“, auch so eine Titelsünde); der Arbeitstitel lautete schlicht „Pokerface“. Der Inszenierung von Erhard Riedlsperger mangelt es zwar an einer gewissen Raffinesse, und auch die Bildgestaltung (Josef Mittendorfer) ist nicht weiter auffällig, aber gerade die Hauptdarsteller führt der Regisseur ausgezeichnet. Beide werden ihre Rollen allerdings auch sehr genossen haben.
Cornelia Froboess spielt Rosa Hofer, eine ältere Grazerin, die zufällig herausfindet, dass ihr Schwiegersohn Udo (Simon Hatzl), ein Promi-Zahnarzt, am späten Abend keineswegs, wie er seiner Frau erzählt hat, in der Praxis noch „die Steuer“ erledigt; statt dessen verschwindet der Familienvater im Hinterzimmer einer Spelunke, wo der zwielichtige Besitzer Köhn (Georg Friedrich) allabendlich zur illegalen Pokerrunde lädt. Haus & Hof hat der Spielsüchtige längst auf den Kopf gehauen, er steht nicht nur bei seiner Bank, sondern auch bei einem Kredithai tief in der Kreide. Nun muss das Domizil seiner Schwiegereltern als Sicherheit herhalten. Unter einem Vorwand bringt er Rosas Mann Kurt (Werner Prinzler) dazu, ihm das Haus zu überschreiben. In einer großen Pokernacht, in der es um über 300.000 Euro geht, will er nach dem Motto „Alles oder nichts“ seine horrenden Schulden wieder ausgleichen. Rosa sieht nur eine Möglichkeit, den Verlust des Hauses zu verhindern: Sie lässt sich von Charly (Karl Fischer), Köhns Barmann, der Udos Absturz aus eigener Erfahrung kennt, die Pokerregeln beibringen. Seine Schülerin hat zwar keine Ahnung von Glücksspielen dieser Art, bringt aber eine nicht unwichtige Eigenschaft mit: Sie spürt intuitiv, wenn jemand nicht die Wahrheit sagt.
Foto: Degeto / Toni Muhr
Natürlich ist es ein bisschen unglaubwürdig, dass sich Rosa, die sich als ungemein gewitzt entpuppt, jahrzehntelang mit einem Dasein als Heimchen am Herd begnügt hat; andererseits stammt sie aus einer Generation, in der sich die Frauen einem derartigen Rollenbild zu fügen hatten. Außerdem ist die Entwicklung der Figur ein Geschenk für jede Schauspielerin: Je mehr Zeit Rosa mit Charly verbringt, umso mehr blüht sie auf. Auch Karl Fischer, der ewige Sergente Vianello aus den Donna-Leon-Verfilmungen, hat sichtlich Spaß an seiner Rolle als brummiger Barkeeper, der zunehmend Gefallen an der etwas älteren Frau findet; allein die Dialogduelle dieser beiden lebenserfahrenen Menschen, die sich keinen Schmäh schuldig bleiben, sind ein Genuss. Kein Wunder, dass der Rest der Truppe zum Teil deutlich abfällt. Sabine Waibel wirkt als Rosas Tochter, die wahlweise über ihre Laktose-Intoleranz oder den untreuen Gatten jammert, über weite Strecken wie ein waidwundes Reh. Werner Prinzler hat als grantiger Patriarch, der seiner Frau außerhalb der Küche überhaupt nichts zutraut, viel zu wenig Spielraum, und Simon Hatzl hätte der Rolle des Spielers ruhig mehr Charisma verleihen können. Andererseits verdeutlicht die Durchschnittlichkeit, mit der er die Figur verkörpert, dass Spielsucht jeden treffen kann; tatsächlich verbirgt sich hinter der launigen Verpackung ja ein ernstes Thema. Der Film wandelt sich daher zusehends zur Tragikomödie, und zum Finale wird es fast dramatisch, zumal für Charly eine Menge auf dem Spiel steht: Der Barmann stand bei Köhn seit seiner eigenen Spielerkarriere tief in der Kreide. Sein Boss macht ihn ihm ein Angebot, dass Charlys Schicksal mit dem Verlauf der Pokernacht verknüpft. Nun heißt es nicht nur für Udo, sondern auch für Rosa & Charly: alles oder nichts. (Text-Stand: 3.4.2016)