Ob ihr wollt oder nicht!

Christiane Paul, Senta Berger, Ben Verbong & ein Plädoyer für humanes Sterben

Foto: Degeto / Elsani Film
Foto Tilmann P. Gangloff

Bei seiner Kinoauswertung hatte dieses vorzüglich besetzte tragikomische Krebsdrama im Jahre 1999 nicht einmal 10.000 Besucher; das typische Schicksal vieler Kinofilme, die nicht konsequent Komödie sein wollen. Dabei steht der Holländer Ben Verbong für die gelungene Kombination von Qualität und Anspruch. „Ob ihr wollt oder nicht!“, ein Film über Familien-Konflikte, enttäuschte Träume, Trauer, Tod, überzeugt vor allem als Ensembleleistung.

Es ist ebenso seltsam wie bezeichnend, dass Krebsfilme immer wieder nach einem ähnlichen Muster funktionieren: Die eigentlich tragische Hauptfigur entwickelt eine Haltung, die zwar rebellisch, aber auch lebensbejahend ist. Und vor allem ansteckend: Als sei die Krankheit ein Katalysator, bringt sie in den Mitmenschen das Beste zum Vorschein; allen voran viel Lebensmut. Weil der Handlungskern natürlich tragisch ist, werden die Geschichten außerdem gern als Komödie erzählt. Aus diesem Grund ist Ben Verbong genau der richtige Regisseur für diesen Film: Der Holländer ist hierzulande in erster Linie durch seine herzerfrischend komischen Paul-Maar-Verfilmungen „Das Sams“ und „Herr Bello“ bekannt geworden.

„Zum einen erzählt der Film eine Familienkomödie, in der sich die liebe Sippschaft wieder zusammen raufen muss, wobei die Krankheit zum makabren Katalysator für einen Neubeginn wird. Zum anderen verbindet der Regisseur damit ein leidenschaftliches Plädoyer für aktive Sterbehilfe. Die Mixtur gelingt nicht immer, manche Szenen wirken ein wenig klischeehaft und vorhersehbar. Aber die großartige Besetzung (…) spielt locker darüber hinweg. Am Ende bleibt wohl jedem das Lachen buchstäblich im Halse stecken.“ (Die Welt)

Ob ihr wollt oder nicht!Foto: Degeto / Elsani Film
Wieder vereint: Laura (Katharina Marie Schubert) und Peter (Jan-Gregor Kremp). Ein paar Taschentücher könnte man als Zuschauer schon brauchen.

In den Niederlanden hat Verbong allerdings überwiegend Filme gedreht, die alles andere als komisch waren („Lily was here“, „Die unanständige Frau“). Und dann musste er kurz vor Drehbeginn auch noch verkraften, dass das Leben die Geschichte des Films vorwegnahm, als seine ältere Schwester an Krebs starb. Einige der entsprechenden Erfahrungen hat der Regisseur in die Inszenierung des Drehbuches von Karin Howard und Katja Kittendorf einfließen lassen: Ohne jede Ankündigung steht eines Tages Laura (Katharina Marie Schubert) vor der Tür ihres Elternhauses. Sie hat die Chemotherapie abgebrochen und ist heimgekommen, um zu sterben. Zuvor aber will sie die Familie wieder vereinen: Seit Jahren haben die vier Schwestern nur noch sporadischen Kontakt untereinander; alle zusammen waren sie schon ewig nicht mehr bei den Eltern (Senta Berger und der Belgier Jan Decleir). „Ob ihr wollt oder nicht!“ gehorcht also erst mal dem Muster typischer Familiengeschichten. Man fällt in frühere Rollenmuster zurück, streitet sich, versöhnt sich wieder, präsentiert alte Rechungen, gesteht Geheimnisse. Nach und nach offenbart sich, dass keine der Schwestern ist, was sie zu sein vorgibt: Hausmütterchen Coco (Anna Böger) ist kreuzunglücklich und hatte noch nie einen Orgasmus, die unterkühlte Susa (Christiane Paul) ist dringend therapiebedürftig und die hübsche Star-Designerin Toni (Julia-Maria Köhler), die ständig neu verliebte jüngste, hat keine Aufträge mehr und rennt vor jeder Beziehung davon.

Verbong war es wichtig, für alle Rollen Schauspieler mit Theatererfahrung zu verpflichten, und das zahlt sich aus. Abgesehen von einigen wunderbaren Naturaufnahmen (Kamera: Theo Bierkens) spielt sich der größte Teil der Handlung im Elternhaus ab; außerdem treten die Darsteller überwiegend als Ensemble auf. Zu diesem zählt auch der kleine Rauhaardackel der Familie, dessen Ableben typisch ist für den mitunter recht schwarzen Humor der Geschichte: Da die Ereignisse den Beteiligten auf den Magen schlagen und die Essensreste regelmäßig im Fressnapf landen, ist Cäsar vermutlich der einzige, der dem Krebsleiden nur Gutes abgewinnen kann. Aber selbst das täuscht: Auf einen satten Rülpser aus dem Hundekörbchen folgt eine Begräbnisszene mit strömenden Regen und Leichenbittermienen; zu Grabe getragen wird jedoch nicht die Tochter, sondern der Hund, der sich überfressen hat. Mit Lauras unvermeidlichem Sterben allerdings bekommt der Film doch noch sein tränenreiches Finale.

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Kinofilm

ARD Degeto

Mit Christiane Paul, Senta Berger, Katharina Marie Schubert, Jan-Gregor Kremp, Anna Böger, Julia-Maria Köhler, Jan Decleir, Mark Waschke

Kamera: Theo Bierkens

Szenenbild: Benedikt Herforth

Schnitt: Menno Boerema

Musik: Konstantin Wecker

Produktionsfirma: elsani film, 3L Filmproduktion, MMC Independent

Drehbuch: Karin Howard, Katja Kittendorf

Regie: Ben Verbong

Quote: 1,76 Mio. Zuschauer (8% MA)

EA: 15.08.2015 21:45 Uhr | ARD

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