Die Kirchen sind nicht finanziell an der ARD-Filmreihe „Die Alpenklinik“ beteiligt, aber nur wenige Produktionen im deutschen Fernsehen verbreiten den Gedanken vom Engagement ohne Eigennutz so nachdrücklich wie die im Auftrag der ARD-Tochter Degeto entstandenen Dramoletts. Auch in dieser Episode darf der von Erol Sander gespielte Bergdoktor wieder mit leuchtendem Beispiel vorangehen: Edel sei der Mensch, hilfreich und Guth.
Seit 2006 tummelt sich Herzchirurg Daniel Guth in den Salzburger Alpen. „Notfall für Dr. Guth“ ist der sechste und letzte Film der Reihe. Dass die ARD zum Finale auf den Markennamen „Alpenklinik“ verzichtet, erklärt eine Degeto-Sprecherin mit dem Hinweis auf den drei Jahre und damit recht lange zurückliegenden Ausstrahlungstermin der vorletzten Episode. Ansonsten hat sich nichts geändert: Wie weiland Professor Brinkmann in der „Schwarzwaldklinik“ heilt der Doktor alle Wunden, die körperlichen wie die seelischen. Mitunter muss er sich zudem böser Mitmenschen erwehren. Ausgerechnet die Bürgermeister sind in den ARD-Freitagsfilmen ja gern die Schurken. Hier ist Bürgermeister Rosner (Albert Fortell) auch noch in Personalunion Vorstandsvorsitzender des Krankenhauses. Als solcher schmiedet er gemeinsam mit Oberärztin Linda Singer (Beate Maes) eine gemeine Intrige: Die Kollegin, nebenbei die Halbschwester der Klinikleiterin und somit Daniels Schwägerin, möchte Chefin anstelle des Chefs werden. Sie beschuldigt ihn, einen Kunstfehler begangen zu haben, woraufhin Rosner umgehend die Ärztekammer informiert. Dabei hat der Kerl selbst Dreck am Stecken, denn seine Fahrlässigkeit hat den vermeintlichen Fehler überhaupt erst verursacht: Rosner betreibt einen Baumarkt und hat seinen Arbeitern eine viel zu riskante Aufgabe übertragen. Prompt ist ein Regal eingestürzt und hat einen jungen Mann unter sich begraben, der drauf und dran war, Karriere als Musiker zu machen; aber jetzt ist seine linke Hand zerquetscht. Guth ist derart auf die Hand konzentriert, dass er einen Milzriss übersieht.
Obwohl der Arzt über eine fast schon übermenschliche Güte verfügt (selbstredend vergibt der Doktor am Ende seinen Feinden!), ist Erol Sander einer der wenigen Gründe, warum die „Alpenklinik“-Filme aller Einwände zum Trotz das Anschauen lohnen. Sander verkörpert den Chirurgen ohne Heiligenschein und versieht ihn statt dessen mit einer bodenständigen Sympathie. Vor allem aber findet er mit seinem Spiel genau die richtige Dosis an Mimik, ganz im Gegensatz zu diversen Nebenfiguren, die mitunter um die Wette chargieren. Gerade der Erzählstrang mit zwei alten Herrschaften, die eine späte Romanze erleben dürfen, ist kaum auszuhalten, weil sich Dietrich Mattausch und Veronika Fitz wie in einem schlechten Kinderfilm aufführen und viel zu dick auftragen. Gleiches gilt für die Musik von Otto M. Schwarz, die ein echter Umschaltfaktor ist, weil sie den gesamten Film verklebt, permanent mit Ausrufezeichen arbeitet und jeden Szenenwechsel bejubelt. Außerdem inszeniert Peter Sämann, der als Regisseur ein Degeto-Abonnement zu haben scheint, auch dieses Werk mitunter wie eine Telenovela. Aber der Zielgruppe hat das Drehbuch von Susanne Freund (Bearbeitung: Markus Meyer) eine Menge Dramatik zu bieten, zumal sich die Geschichte ähnlich wie bei den „Traumhotel“-Filmen über diverse Handlungsstränge erstreckt. Und auf den Doktor kann man sich verlassen: So wird am Ende alles Guth. (Text-Stand: 20.1.2013)