Hamburger Nächte sind lang. Und mittendrin die Leute vom Kriminaldauerdienst, immer auf dem Sprung und unter Druck, denn die Fälle einer Nacht möchte man am Morgen zur Aufklärung gebracht haben. Zum dritten Mal ist das am hochkarätigsten besetzte TV-Polizeirevier Deutschlands im Einsatz. Da ist Armin Rohde als rabiater Instinktbulle. Und da ist Katharina Böhm als die Frau fürs psychologische Profil. Ken Duken mimt einen Jungspund-Polizisten, der sich sein Berufsbild aus amerikanischen Cop-Filmen abgeguckt hat, und Minh-Khai Phan-Thi sorgt für Multikulti-Flair im nächtlichen Hexenkessel der Hansestadt.
Foto: ZDF / Stephan Persch
Im Stile der Kultserie „24“ ereignet sich alles in einer Nacht. In „Tod im Supermarkt“ ist es zunächst ein Girlie, das den Begriff Selbstbedienungsladen allzu wörtlich nimmt. Eine völlig verstörte, anonyme Anruferin beobachtete die Festnahme der Diebin durch das hauseigene Sicherheitspersonal und ahnt körperliche Übergriffe – zu denen es tatsächlich auch beinahe kommt. Als die Polizei eintrifft, will keiner etwas von sexueller Belästigung gesehen haben. Die anonyme Anruferin gibt sich nicht zu erkennen. Die junge Diebin bleibt dennoch bei ihrer Aussage und erhebt Anzeige gegen den Security-Mann. Ein paar Stunden später findet man ihn in einem Hinterhof, eingerollt in einen Teppich, tot.
„Nachtschicht“, das sind Ensemble-Filme, denen Klasse-Typen und herausragende Schauspieler, die Uhrzeit und die Nacht ihren unverkennbaren Rhythmus geben. Regisseur Lars Becker, der auch das Drehbuch geschrieben hat, ist der Vater dieser herausragenden ZDF-Reihe. „Der Krimi ist ein Genre ohne Grenzen“, sagt er und er erbrachte den Beweis in Filmen wie „Rette deine Haut!“, „Sperling und die letzte Chance“ oder „Einsatz in Hamburg“. Einen Schritt weiter geht der ostfriesische Wahlhamburger mit „Nachtschicht“. Der Look, die Atmosphäre, der Rhythmus – all das ist bester internationaler TV-Standard. „Im Vordergrund steht weniger die Geschichte als vielmehr das Milieu, in dem die Arbeit der Polizisten stattfindet“, betont Becker. Mit dieser Reihe hat er ästhetisch zur US-Fiction à la „CSI“, „24“ oder „Desperate Housewifes“ aufgeschlossen, die Geschichten, der Gestus der Charaktere und Schauspieler aber ist und bleibt deutsch. Und das ist gut so.
Foto: ZDF / Stephan Persch
Waren die ersten beiden Episoden „Amok“ und „Vatertag“ in ihrer mitunter bizarren Mischung aus Realismus und Genre-Coolness für Prime-Time-Verhältnisse ziemlich harter Toback, erzählt „Tod im Supermarkt“ visuell sehr viel zurückhaltender von einem perfiden System sexueller Selbstjustiz. Die Selbstverständlichkeit, mit der hier körperlich Recht gesprochen wird, ist das eigentlich Schockierende des Films. Die Brutalität des Alltags spiegelt sich hier weniger in den Bildern, sie steckt stärker in den kranken Seelen der in den Fall involvierten Per- sonen. Seltsamerweise bleibt ausgerechnet die Frau für Herz, Verstand und Psyche, Paula Bloom, etwas blass. War das vielleicht der Grund, weshalb Katharina Böhm aus der „Nachtschicht“, deren ersten beiden Folgen zwischen fünf und sechs Millionen Zuschauer einschalteten, ausgestiegen ist. Der KDD Hamburg wird aber auch künftig das prominenteste Kommissariat im deutschen Fernsehen bleiben: Nachfolgerin wird Barbara Auer!