München Mord – Was vom Leben übrig bleibt

Heerwagen, Mittermeier, Held, Binder/Ani, Jan Fehse. "Tot sein ist wie deppert sein"

Foto Rainer Tittelbach

Die bayerischen Kellerkommissare ermitteln in einem Bestattungsfamilienbetrieb – das lässt so einiges erwarten für „Was vom Leben übrig bleibt“, die zehnte Episode der etwas anderen ZDF-Samstagskrimireihe „München Mord“ (TV60Film). Und so haben die Autoren Moritz Binder und Friedrich Ani ihren drei Protagonisten etwas mehr mitgegeben vom Bewusstsein für die Endlichkeit des weltlichen Daseins. Setzt der Jubiläumsfilm von „München Mord“ auch vieles von den Eigenarten der Kommissare fort und enthält er auch zwei, drei schön schräge Szenen, so dringt überraschenderweise das Schwarzhumorige, das der Berufsstand in Kombination mit diesem Reihen-Personal doch birgt, eher unspektakulär an die Oberfläche. Der Film macht zwar immer noch Laune, die Narration dieses Whodunit ist dicht, die Beziehungen sind einigermaßen komplex, und Fehses Inszenierung kann sich sehen lassen – aber vom gewissen Etwas dieser Reihe hat diese Episode etwas weniger als sonst üblich.

Josef Thallinger sieht gut aus, „fast glücklich“, merkt Kommissarin Flierl (Bernadette Heerwagen) an, dabei ist der Mann schon zwei Tage tot. Grund für das blendende Äußere: Der Tote wurde Kunde seines eigenen Unternehmens – und das versteht was von seinem Handwerk. Die Thallingers führen ein Bestattungsunternehmen. Genauer gesagt: das verschiedene Familienoberhaupt und seine Tochter Eva (Johanna Ingelfinger). Und sie, das Papakind, hat nun berechtigte Zweifel daran, dass ihr Vater eines natürlichen Todes gestorben ist. „Akutes Herzversagen“ steht auf dem Totenschein. Doch eine Infusion in der Todesnacht und ein Blutfleck lassen bei Schaller (Alexander Held) erste Zweifel an der bescheinigten Todesursache aufkommen. Und diese Familie wirkt merkwürdig, das muss bald selbst der anfangs wenig inspirierte Kollege Neuhauser (Marcus Mittermeier) feststellen. „Der Vater schafft an, die Tochter gehorcht, die Mutter geht fremd, und der Sohn macht sein eigenes Ding“, so charakterisiert Evas Bruder Adam (David Tobias Schneider) die eigene Sippe. Wie sich herausstellt, haben die Eltern tatsächlich eine offene Ehe geführt. Maria Thallinger (Inka Friedrich) redet dann auch unverblümt über ihre Beziehung zu dem Schönheitschirurgen Quirin Sommer (Bernhard Schir). Bleibt noch Ignatz Nitschke (Andreas Helgi Schmid), Balsamierer und eine Art Ziehsohn des Toten, der nach seiner Ausbildung plötzlich vom alten Thallinger „verstoßen“ wurde. Es ist schwer, sich einen Reim auf diese seltsame Familien zu machen. Ausgerechnet Kriminaloberrat Zangel (Christoph Süß), ein fähiger Handschriftenentzifferer, liefert den wichtigsten Hinweis zur Lösung des Falls.

München Mord – Was vom Leben übrig bleibtFoto: ZDF / Jürgen Olczyk
Im Museum für Abgüsse klassischer Bildwerke macht sich Schaller (Alexander Held) seinen Reim auf den Schönheitschirurgen Dr. Quirin Werner (Bernhard Schir) und dessen „erwachsene Freundschaft“ zur Frau des – wie man bald weiß – Ermordeten.

Die bayerischen Kellerkommissare ermitteln in einem Bestattungsfamilienbetrieb – das lässt so einiges erwarten für die zehnte Episode der etwas anderen ZDF-Samstagskrimireihe „München Mord“. Und so ist das „Trauerhilfe“-Milieu hier auch mehr als ein beliebiger Hintergrund für die mörderische Handlung. Kriminalkommissare haben mit Toten zu tun, mit dem Tod als solchem eher weniger. In „Was vom Leben übrig bleibt“ dagegen haben die Autoren Moritz Binder und Friedrich Ani ihren drei Protagonisten etwas mehr mitgegeben vom Bewusstsein für die Endlichkeit des weltlichen Daseins. Was bleibt übrig von einem, wie erinnert man sich an einen Toten? Flierl, nah am Wasser gebaut, macht sich nach einer feucht-tragischen Trauerrede ernsthaft Gedanken. Neuhauser schmettert’s locker ab: „Tot sein ist wie deppert sein; alle anderen merken’s und du selbst merkst nichts.“ Obermerkwürden Schaller indes wirft zu Beginn des Films einen anderen beängstigenden Gedanken in die Runde, den man spätestens nach der Aufklärung des Mordes noch mal bedenken sollte. „Sie haben sicher schon mal darüber nachgedacht, ob Sie in der Lage wären, einen Mord zu begehen“, richtet er sich direkt an den Zuschauer. Auch in dieser folgenschweren Sache gebe es offenbar keinen freien Willen. „Hirnforscher belegen, dass Ihre Entscheidung längst schon gefallen ist.“

München Mord – Was vom Leben übrig bleibtFoto: ZDF / Jürgen Olczyk
„Zieh dich schon mal aus, Harald.“ Die nachhaltigste Szene des Films: Schaller gibt den Leichenpfleger und kümmert sich dabei auch handfest um die Kollegin Flierl.

Der Film wird als klassischer Whodunit erzählt, hebt sich aber ab von der Ermittler-Routine anderer ZDF-Gebrauchskrimis. Dafür sorgen vor allem die kleinen amüsanten Zwischenspiele der Kommissare: mal eine unpassende, geradezu peinliche Bemerkung Flierls (Gratulation und Beileidsbekundung in einem Satz), mal ein Beispiel für Schallers seltsame Methoden (Nachstellen des Mordes), mal eine Übergriffigkeit Neuhausers (Rauferei in einer Schlachterei). Selbst die obligatorische Abfrage der Alibis erfolgt bei den drei „Sonderermittlern“ stets einfallsreich – und man darf ständig mit einer Überraschung rechnen. Eine davon ist eine Szene, in der Schaller sich in die Rolle eines Leichenbestatters hineinimaginiert und die Kollegen zu Objekten seiner Inspiration macht: Neuhauser gibt die Leiche, Flierl die Tochter des Toten. Doch weshalb bedrängt er die Kollegin geradezu? Es ist schön, wie verspielt und assoziativ hier Informationen an den Zuschauer weitergegeben werden. Und auch bei dem erzählten Milieu hat man den Eindruck, es biete narrativ mehr als einen Pool von Motiven, unter denen sich schließlich ein Mordmotiv herauskristallisiert. Selbst eine vermeintliche Nebensächlichkeit wie die Nebenbeziehung der Frau des Toten („Das ist mein Leben – und wir haben nur eins“) mit dem schöngeistigen Mediziner besitzt durchaus einen Bezug zum Tatmotiv. Die Narration dieses Mörderrätsels ist also durchaus dicht und die Beziehungen sind einigermaßen komplex. Eine Frage ist jedoch, wie viel bei der normalen Rezeption des Films davon hängenbleibt. Unklar ist auch, welcher Sinn hinter der besonderen Namensgebung der Thallingers steckt: Maria und Josef, Adam und Eva.

Bei dem Milieu und dem Sujet kommt einem unweigerlich der Gedanke an die großartige Serie „Six Feet Under“ (USA, 2001-2005), von der sich einfach jeder inspirieren lassen muss, der etwas mit Bestattern fürs Fernsehen schreibt. Auch haben diese „Totenversorger“ seit ein paar Jahren ihre feste Nebenrolle in zwei öffentlich-rechtlichen norddeutschen Krimi-Reihen, mit schwarzhumorigem Understatement in „Nord bei Nordwest“ und eher albern in „Friesland“. Setzt der Jubiläumsfilm von „München Mord“ auch vieles von den Eigenarten der Kommissare fort und enthält er auch zwei, drei schön schräge Szenen, so dringt überraschenderweise das Schwarzhumorige, das der Berufsstand in Kombination mit diesem Reihen-Personal doch birgt, eher unspektakulär an die Oberfläche. Mit Schaller & Co könnte man sich bei einem solchen Stoff durchaus mehr vorstellen. Und so macht „Was vom Leben übrig bleibt“ zwar immer noch Laune und auch Jan Fehses Inszenierung mit seiner Vielzahl an markanten, kontrastreichen Szenen im Halbdunkel kann sich sehen lassen – aber vom gewissen Etwas dieser Reihe hat der Film etwas weniger als üblich. (Text-Stand: 7.2.2020)

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Reihe

ZDF

Mit Bernadette Heerwagen, Marcus Mittermeier, Alexander Held, Christoph Süß, Johanna Ingelfinger, Inka Friedrich, Bernhard Schir, Andreas Helgi Schmid, David Tobias Schneider, Christian Aumer

Kamera: Michael Wiesweg

Szenenbild: Michael Köning

Kostüm: Theresia Wogh

Schnitt: Manuel Reidinger

Musik: Stephan Massimo

Redaktion: Petra Tilger, Stefanie von Heydwolff

Produktionsfirma: TV60 Filmproduktion

Produktion: Sven Burgemeister, Andreas Schneppe, Marcus Roth

Drehbuch: Moritz Binder, Friedrich Ani

Regie: Jan Fehse

Quote: 6,75 Mio. Zuschauer (20,9% MA); Wh. (2024): 4,10 Mio. (18,1% MA)

EA: 14.03.2020 20:15 Uhr | ZDF

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