München Mord – Der Letzte seiner Art

Heerwagen, Mittermeier, Held, Kocyla, Fehse. Das Konzept geht noch immer auf, aber...

Foto: ZDF / Jürgen Olczyk
Foto Rainer Tittelbach

Auch die zwölfte Episode von „München Mord“ (TV60Film) zeigt, dass ein gepflegter, linear erzählter und dialoglastiger Whodunit mit eher gemütlich ermittelnden Kommissaren Spaß machen kann. Diese ZDF-Samstagsreihe erfindet den Krimi zwar nicht neu, das Drumherum aber, der spleenige Schaller, die verspielten Kampeleien seiner Kollegen und die weißblaue Lebensart, das alles kann sich wie immer auch in „Der Letzte seiner Art“ sehen lassen. Vor allem der „Metoo“-Diskurs wird augenzwinkernd, klug & beiläufig in den Plot eingewoben, und wie der Mangel an Selbstwert die Kommissare betrifft und gleichtzeitig dem Krimi ein partielles Mordmotiv mitgibt – auch das ist sehr gelungen. Dennoch gehört der Film zu den schwächeren Produktioen der stets sehenswerten Reihe. Das Schräge hält sich in Grenzen und auch die weißblaue Landesmetropole wurde in anderen Episoden schon origineller und mit mehr Kenntnisreichtum dargestellt. Denn mehr noch als Krimihandlung, Look oder Dramaturgie sind die Charaktere und die Milieus das Herzstück von „München Mord“.

„Wir ham an Fall“, strahlt Angelika Flierl (Bernadette Heerwagen). Endlich. Sie, Harald Neuhauser (Marcus Mittermeier) und Ludwig Schaller (Alexander Held) müssen zwar nicht mehr im Keller hausen, Morde aber gibt ihnen Oberrat Zangel (Christoph Süß) nur ungern. Lieber schiebt er ihnen einen Haufen uralter Akten ins Büro. Die sind für den neuen Fall sogar gut zu gebrauchen: Denn der Mann, der in der Nähe des Hauptbahnhofs von hinten erstochen wurde, gehörte zum Clan von Gustav Schmidinger (Martin Umbach), der in den späten 70er und 80er Jahren als „der Pate von München“ Stadtgeschichte geschrieben hat: Rotlichtmilieu, Straßenstrich, Drogenhandel, Spielhallen – ein Gentleman-Ganove, dem nie etwas nachzuweisen war. Nach 30 Jahren Kalifornien ist der Gustl zurück – und will wieder ganz vorne mitmischen. Ein Wäschereibesitzer (Alexander Beyer), die Leiterin eines dubiosen Pflegedienstes (Edita Malovcic), ein Wettbüroinhaber (Sohel Altan Go), ja selbst der Sohn des Heimkehrers (Jochen Matschke) sind alles andere als erfreut. Der Anschlag galt also offenbar dem Paten. Denn der Tote trug den typischen Seventies-Schmidinger-Look. Hat der Boss also ganz bewusst einen „Doppelgänger“ angeheuert? Und welche Rolle spielt Schmidingers werte Ex-Gattin (Jeanette Hain), die offenbar ein Auge auf Schaller geworfen hat?

München Mord – Der Letzte seiner ArtFoto: ZDF / Jürgen Olczyk
„Die Ex-Gattin des „Paten“ (Jeanette Hain) macht Schaller (Alexander Held) schöne Augen. Der aber gibt sich unbeeindruckt: „Wo waren Sie eigentlich in der Mord-Nacht?“ Katharina Schmidinger: „Sie trauen mir das zu? Ich fühle mich wirklich geschmeichelt.“ Angelika Flierl (Bernadette Heerwagen) wartet auf ihren großen Moment.

Auch die zwölfte Episode von „München Mord “ zeigt, dass ein gepflegter, linear erzählter Whodunit mit eher gemütlich ermittelnden Kommissaren Spaß machen kann. Diese ZDF-Samstagsreihe erfindet den Krimi zwar nicht neu, das Drumherum aber, der spleenige Schaller, die verspielten Kampeleien seiner Kollegen sowie die weißblaue Lebensart, für viele ohnehin das Kernstück dieser Krimis, das alles kann sich wie immer auch in „Der Letzte seiner Art“ sehen lassen. Vieles läuft so nebenher, die launigen Verweise auf die grammatische Geschlechtergerechtigkeit („der Täter“ – „oder die Täterin“) oder die „Metoo“-Debatte. „Warum hab‘ ich ständig das Gefühl, Sie machen mich an?“, fragt ausgerechnet der ewige Hallodri Neuhauser die attraktive Albanerin, die einen ganz besonders einträglichen Pflegedienst unterhält. Denn auch der ist, wie Flierl am Ende feststellt, „der Letzte seiner Art“. Selbstbewusste Frauen, die ihm Paroli bieten und ihn auflaufen lassen, bringen sein Selbstbild ins Wanken und machen ihn ganz offensichtlich aggressiv. Dünnhäutig ist aber auch die Kollegin. Sie rettet zwar ihren Chef mit Hilfe eines phallischen (was sonst!) Kunstwerks aus einer bedrohlichen Situation, fühlt sich dennoch mal wieder nicht richtig ernst genommen in ihrem Job („Ich hab mir beim Nachdenken was überlegt“). Da ist ihr dieser Schmidinger fast schon sympathisch: Der geht bei ihr gleich auf Tuchfühlung, was ihr – „Metoo“ hin oder her – irgendwie schon imponiert. „Der Pate von München“ tut ihrem Selbstwertgefühl jedenfalls gut. Apropos: Wie Autor Peter Kocyla („Die Chefin“) diese psychische Disposition bei den Kommissaren und beim Mordfall gleichermaßen ins Spiel bringt, das ist clever und origineller als die in Krimi-Reihen üblichen, oft überdeutlichen Projektionen zwischen A- und B-Plot.

Geht das Konzept von „München Mord“ auch nach sieben Jahren noch immer auf, so gehört „Der Letzte seiner Art“ gleichsam zu den schwächeren Episoden der Reihe. Dass dieser Film von Jan Fehse („Storno – Todsicher versichert“ / „Spreewaldkrimi – Tödliche Heimkehr“) filmisch nicht außergewöhnlich viel hergibt, unterscheidet ihn kaum von den vorherigen Produktionen dieser ZDF-Samstagskrimi-Reihe. Die Charaktere, das Skurrile, das Milieu dominierten zumeist über ausgefallene Dramaturgie und reizvollen Look. Diesmal sieht das winterlich-nasskalte Gewand, in das die bayerische Metropole gehüllt ist, besonders grau und farblos aus. Auch mit Schallers visionären Fähigkeiten geht das Drehbuch sparsam um. Dafür darf er mit Jeanette Hains Katharina Schmidinger amüsant die Klinge kreuzen – im wahrsten und im übertragenen Sinne des Wortes. Allerdings gerät seine sonst so pointiert-gewitzte Einführung diesmal wenig scharfzüngig, sondern eher etwas geschwätzig und redundant.

München Mord – Der Letzte seiner ArtFoto: ZDF / Jürgen Olczyk
Narzisstische Kränkungen im Spielhöllen-Milieu. Probleme mit dem Selbstwertgefühl wie die Kollegen kennt Schaller nicht. Heerwagen, Mittermeier und Alexander Held

Und das, was in diesem verbalen Intro zum Besten gegeben wird, zielt diesmal nicht auf die Weltstadt mit Herz, sondern reflektiert einen beliebten Mythos: den Glauben an die guten alten Zeiten. Dieses Phänomen menschlicher Wahrnehmung einem Film über einen Mann von gestern voranzustellen, passt einerseits gut, das Gemeinplatzmäßige dieses „früher war alles besser“ entspricht allerdings auch der Art und Weise, wie vage und wenig authentisch das alte München hier vermittelt wird – im Vergleich mit Filmen wie „Leben und Sterben in Schwabing“ oder zuletzt „Ausnahmezustand“ (noch besser macht es der Münchner „Tatort – Der oide Depp“ von Alexander Adolph, dem Erfinder von „München Mord“). Mit dem Auto observierend durch München fahren ist schon mal nicht schlecht, auch das Kostümfest zum Finale macht sich gut, aber dem Ganzen fehlt ein stimmiges Realismus-Konzept und das tiefe Verstehen dieser Stadt, wie es in den Drehbüchern von Friedrich Ani & Ina Jung zur Reihe spürbar ist. Das mag eine Kritik mit hohem Anspruch sein – aber eine Reihe wie diese sollte sich am Besten orientieren und nicht am soliden Mittelmaß. (Text-Stand: 13.1.2020)

Der „gute alte Zeit“-Mythos und was er mit den ZDF-Krimireihen zu tun hat
„Früher war alles besser – die Menschen, die Stadt, sogar das Verbrechen. Wir sehnen uns nach der guten alten Zeit. Denken wir. Aber wonach wir uns wirklich sehnen, das ist unsere Jugend. Die nie so gut gewesen ist, wie sie in unserer Erinnerung scheint…“ Schaller plaudert noch ein bisschen weiter. Dann resümiert er: „Wir werden Opfer unseres Wunschdenkens.“ Auch wir Fernsehkritiker? Für „München Mord“ stimmt das nicht. „Der Letzte seiner Art“ ist tatsächlich eine der schwächeren Episoden der Reihe. Und für die anderen regelmäßigen ZDF-Krimis stimmt das erst recht nicht. „Bella Block“ (1993-2018) und „Unter Verdacht“ (2002-19) haben noch keine ebenbürtigen Nachfolger gefunden. Mit den beiden Top-Reihen „Kommissarin Heller“ (2014-20) und „Schwarzach 23“ (2015-20) ist – aus unterschiedlichen Gründen – schon wieder Schluss. „Schwarz & Schwarz“ (seit 2019) könnte neben „München Mord“ am ehesten in deren Fußstapfen treten. Ansonsten gilt für die ZDF-Krimis: Früher, vor 10 Jahren, war das Meiste besser.

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Reihe

ZDF

Mit Bernadette Heerwagen, Marcus Mittermeier, Alexander Held, Martin Umbach, Edita Malovcic, Christoph Süß, Alexander Beyer, Jeanette Hain, Jochen Matschke, Sohel Altan Gol

Kamera: Michael Wiesweg

Szenenbild: Michael Björn Köning

Kostüm: Theresia Wogh

Schnitt: Manuel Reidinger

Musik: Stephan Massimo

Redaktion: Karina Ulitzsch

Produktionsfirma: TV60 Filmproduktion

Produktion: Sven Burgemeister

Drehbuch: Peter Kocyla

Regie: Jan Fehse

Quote: 7,20 Mio. Zuschauer (21,6% MA)

EA: 13.02.2021 20:15 Uhr | ZDF

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