Es ist schon ein verzwickter Fall. Ein Multimillionär (Walter Hess) fährt beim Ausparken die eigene Frau tot. Der Mann soll kürzlich einen Herzinfarkt gehabt haben, nicht mehr sprechen können und damit für eine Befragung nicht zur Verfügung stehen. Mit Kriminalrat Zangel (Christoph Süß) telefonieren, das aber kann der 82-Jährige noch ganz gut. So oder so, der Fall sei ohnehin von ihren Vorgängern abgeschlossen worden, das Kellertrio müsse jetzt nur noch die Protokolle abtippen und die Akte schließen. Schaller (Alexander Held) & Co geht das gegen die Berufsehre, und sie lassen sich dabei von ihrem immer penetranter agierenden Chef nicht beirren. Neuhauser (Marcus Mittermeier) begeht mal eben Hausfriedensbruch bei dem tatverdächtigen, alten Giftzwerg, und Angelika Flierl (Bernadette Heerwagen) muss beim Nachstellen der Tat – unter Todesangst – die „Opfer“-Rolle übernehmen. Schallers Introspektion sagt ihm: ein Wutausbruch mit Todesfolge. Also noch mal zur Villa des zornigen Greises. Der spricht nun tatsächlich nicht mehr – angeblich in Folge eines Treppensturzes. An einen Unfall aber glaubt allein Zangel. Und so geraten nun die beiden Haushälterinnen (Jana Julia Roth & Fanny Altenburger) ins Visier der Ermittler. Wenig später liegt eine der beiden tot in der Badewanne. Ein wirklich verzwickter Fall.
Drei Tote in kürzester Zeit, ein nerviger Vorgesetzter und kein erkennbares Motiv – das Außenseiter-Trio der stets unterhaltsamen „München Mord“-Reihe tut sich in „Der gute Mensch vom Herzogpark“ von Alexander Liegl (Buch) und Matthias Kiefersauer (Regie) beim Ermitteln entsprechend schwer. Schaller erkennt einen Domino-Effekt: Jeder Hauptverdächtige wird alsbald selbst zum Opfer. Fragt sich, wie lange noch die zweite Haushälterin (Fanny Altenburger), der Notar des Millionärs (Bernhard Conrad) und die Frau vom Flüchtlingsverein (Kathrin von Steinburg) am Leben bleiben und welches Domino-Steinchen zu guter Letzt nicht umgefallen ist. Auch mit den Merkwürdigkeiten nimmt es kein Ende. Die einen loben den Toten in höchsten Tönen, die anderen bezeichnen ihn als „einen ekelhaften, rechten Drecksack“, der mit Alt-Nazis kungelt. Und ausgerechnet der soll sein Vermögen einem wohltätigen Verein, der sich für Flüchtlinge engagiert, vermacht haben. Dass zwei der Verdächtigen bei Kommissarin Flierl im Chor mitsingen, kann kein Zufall sein. Aber können ein so guter Tenor und korrekter Anwalt oder eine freundliche, unbedarft wirkende Frohnatur etwas anderes als gute Menschen sein?
So chaotisch und widersinnig einiges an diesem Krimifall auch wirkt, am Ende löst sich das Knäuel aus Irritationen, Mutmaßungen und Verdächtigungen ziemlich einfach auf. Dadurch entsteht nicht der Eindruck, mal wieder einem überkonstruierten Krimiplot auf den Leim gegangen zu sein. Dem Zuschauer muss entsprechend wenig erklärt werden – und so kann sich dieser alsbald auf ein für „München Mord“-Verhältnisse recht spannendes Finale einstimmen, bei der mal wieder das Fräulein Flierl aus der Reihe tanzt und sich in Gefahr bringt. Eine weitere Bauchschmerz-Situation gab es einige Filmminuten zuvor: Flierl bei einer heimischen Inspektion, die aufzufliegen droht, dann allerdings köstlich komisch aufgelöst wird. Ausgerechnet die ständig über ihren Beziehungsstatus jammernde Single-Frau wird Ohrenzeugin eines lautstarken koitalen Zwischenspiels. Zuvor sinnierte sie noch in Richtung ihres sich zuletzt ebenfalls im Krisenmodus befindenden Kollegen: „Die Menschen sind schon komisch. Die einen haben gleich mehrere und kriegen zu dritt ein Kind. Und die anderen haben niemand.“
Wie meistens in dieser etwas anderen ZDF-Samstagskrimi-Reihe, die einen Großteil ihres Reizes im Wiedererkennen und in der originellen Variation der Hauptcharaktere besitzt, gibt die Krimihandlung dem Ganzen Struktur und ein „Thema“ vor, das auf die Figuren projiziert wird. „Es ist fei echt nicht leicht, was aus seinem Leben zu machen – und erst recht unvergessen zu bleiben“, spielt Angelika Flierl bereits zu Beginn auf den Tod und den Nachlass des „guten Menschen vom Herzogpark“ an. Das passt zur Midlife-Crisis der in Liebesdingen unglücklich agierenden Flierl, die sich seit längerem durch die Geschichten zieht. Zuletzt verliebte sie sich in einen Mörder. Diesmal bekommt sie sogar einen Kuss, und es ist ein schöner Kuss. Dass sie und ihre Kollegen im neuen Fall ein bisschen mehr solo unterwegs sind als gewohnt, macht sich gut: zum einen kann sich die Kommissarin dadurch in Gefahr bringen, zum anderen ergeben sich launige Momente über die internen Gags des Trios hinaus. So kommt Neuhauser seinem Image als – deutlich verunsicherter – Frauenheld wieder einigermaßen erfolgreich nach, während Flierl beim Chorgesang aufblühen darf. Allein Schaller ist weniger abdreht als gewohnt: Das darf mal so sein, beim nächsten Mal dann wieder. Eines trifft in den letzten „München Mord“-Episoden immer zu: Auch ohne spektakulären Krimifall – als Zuschauer ist man am Ende immer zufrieden und manchmal gibt‘s sogar einen kleinen Glücksmoment. (Text-Stand: 8.9.2023)