An die zwei Millionen soll es in Deutschland geben, „Messies“, Menschen, denen es nicht gelingt, ihre eigene Wohnung in Ordnung zu halten, die sammeln, horten und im eigenen Müll zu ersticken drohen. „Film ist Lebenszeit“, sagt Martina Elbert. Sie hat sich die Geschichte von der allein erziehenden Mutter, die nach der Trennung von ihrem Mann mit Job, Kind und Lebensführung vollkommen überlastet ist, ausgedacht und verfilmt. „Ich will mich bei meiner Arbeit mit Themen beschäftigen, die mich auch geistig und emotional weiterbringen.“
Nicht vielleicht doch ein klein bisschen Eigentherapie? „Nein, absolut nicht“, sagt sie. „Emotional fühle ich mich dem Messie sehr verbunden“, so die 45-Jährige. „Erstmal ordentlich sammeln“ sei schließlich auch ihre Devise als Drehbuchautorin. Auch bei ihrer Arbeit am Schreibtisch müsse sie sich immer wieder „zur Struktur ermahnen“. Interessant ist der Zusammenhang zwischen Perfektionismus und Messie-Syndrom: Der Messie sei ein verkappter Perfektionist. „Weil er aber genau weiß, dass die Zeit zum Aufräumen nicht reicht, um seinen hohen Ansprüchen gerecht zu werden, lässt er die Dinge lieber unverrichtet als halbherzig zu ordnen und vertröstet sich mit den Worten: ‚Morgen räum ich auf’.“
So heißt denn auch der Film, in dem Elbert die tragikomische Geschichte erzählt von Ellen, der Verdrängungskünstlerin, die nach dem Seitensprung ihres Mannes zusammen mit der zwölfjährigen Tochter Nina und mit dem kompletten Hausstand in eine kleine Mietwohnung zieht. Am Anfang sind es nur die Umzugskisten, die nicht ausgepackt sind, bald sind es Zeitungen, Plastikflaschen, Essensreste, die die Wohnung in eine Müllhalde verwandeln. Parallel beginnt Ellen, in einem Luxushotel zu arbeiten. Nach außen lässt sie sich nichts anmerken, erscheint gepflegt zur Arbeit. Sie führt ein Doppelleben, lügt und ist alles andere als ein Vorbild für die Tochter. Und irgendwann steht das Jugendamt vor der Tür.
Foto: BR / Bella Halben
Das „Messie-Syndrom“ ist eine psychische Störung. Was mit dem Hang zum Chaos und einer irrationalen Sammelneigung beginnt, endet nicht selten in absoluter Vermüllung. „Das Leben ist eine Flut von Bildern, Informationen, Dingen, die auf uns einströmen“, so Martina Elbert, „deshalb müssen wir Grenzen ziehen, um persönlich Wichtiges von Unwichtigem trennen zu können.“ Ellen ist dazu nicht mehr in der Lage. Der sonst so perfekten Hausfrau und Mutter fehlt die Kraft, sich neu „einzurichten“. Sie hat die Trennung noch nicht verkraftet. Auch deshalb packt sie nicht aus. Mit den vielen Erinnerungsstücken würde sie nicht klar kommen.
Die Folge: Verdrängen und Vermüllen. Elbert bringt das alles wunderbar im Film auf den Punkt, ohne dass sie offensiv psychologisiert. Der Film entzieht sich ein wenig der gängigen TV-Dramaturgie. Nebenfiguren kommen und gehen – wie im Leben. Dicht wird „Morgen räum ich auf“ durch sein Thema und eine Mutter-Tochter-Beziehung, die keinen kalt lassen wird. Esther Zimmering ist die Idealbesetzung: ein zartes, zerbrechliches Wesen, mit ihr fühlt man mit, durch sie lässt man das Thema an sich herankommen. Aber auch die Zwillinge Gina & Sandy Holzapfel, die die Nina spielen, sind eine Entdeckung. (Text-Stand: 20.8.2008)