Miss Merkel – Ein Uckermark-Krimi: Mord im Schloss

Katharina Thalbach, Kalkhof, Merten, Cantz, Schnee. Angela und ihre Mörder

Foto: RTL / Maor Waisburd
Foto Tilmann P. Gangloff

Viele Menschen fragen sich, wie sich die einst mächtigste Frau der Welt wohl ihre ungewohnte Freizeit vertreibt. David Safier hat für seine beiden „Miss Merkel“-Bücher eine verblüffende Antwort gefunden: Sie ist jetzt Hobbydetektivin. Den ersten Roman, „Mord in der Uckermark“, hat RTL nun verfilmen lassen (Letterbox): Ein Freiherr aus der Nachbarschaft hat scheinbar freiwillig einen Schierlingsbecher geleert. Die ehemalige Kanzlerin ist jedoch überzeugt, dass der Mann vergiftet worden ist. Katharina Thalbach hat Angela Merkel schon in der Sat-1-Komödie „Der Minister“ verkörpert, damals war sie der heimliche Star der Guttenberg-Satire, aber diesmal trägt sie bisweilen etwas zu dick auf. Das Ganze ist stellenweise zwar leidlich amüsant, vom Drehbuch her überzeugen vor allem die beiläufig eingestreuten Anspielungen auf Merkels Amtszeit, Christoph Schnees Krimi-Komödie erreicht aber nie die Qualität seiner letzten Arbeit, „Weil wir Champions sind“.

Nach dreißig turbulenten Jahren in der Hauptstadt kehrt ein Ehepaar in die Uckermark zurück, um dort die Ruhe des Rentendaseins zu genießen. Der Frau ist das neue Dasein allerdings viel zu beschaulich. Als sich in der Nachbarschaft ein mysteriöser Todesfall ereignet, findet sie endlich eine neue Herausforderung: Das klingt wie das Handlungsmuster einer klassischen ARD-Vorabendserie im Stil von „Adelheid und ihre Mörder“ und wäre vermutlich auch nicht weiter der Rede wert, wenn es sich bei der Dame nicht um die frühere Bundeskanzlerin handeln würde. Das Drehbuch zu „Miss Merkel“ basiert auf dem gleichnamigen Bestseller von David Safier. Stefan Cantz, sonst zumeist Doppelpartner von Jan Hinter – die beiden haben unter anderem den „Tatort“ aus Münster erfunden – hat aus der Vorlage eine Krimikomödie gemacht, die voll und ganz auf Katharina Thalbach zugeschnitten ist. Die beliebte Schauspielerin hat Angela Merkel schon einmal verkörpert: In der überaus amüsanten Guttenberg-Satire „Der Minister“ (2013, Sat 1) hieß die Rolle zwar „Murkel“, aber davon abgesehen hat Thalbach als heimlicher Star des Films fast dem Hauptdarsteller Kai Schumann die Show gestohlen. Sie hatte die besten Dialoge, stattete die Kanzlerin mit liebenswerten Marotten aus und sorgte für vergnügliche Einblicke ins Privatleben der mächtigsten Frau der Welt; Uwe Janson hat diese Szenen damals mit sympathischer Lässigkeit inszeniert.

Miss Merkel – Ein Uckermark-Krimi: Mord im SchlossFoto: RTL / Maor Waisburd
Das ist ja fast wie früher bei den Staatsbesuchen und Empfängen: laaaangweilig. Die Anspielungen auf Merkels Amtszeit sind die kleinen Highlights der Krimikomödie. Katharina Thalbach & Thorsten Merten in „Miss Merkel – Mord im Schloss“ (RTL, 2023)

Von all’ dem ist „Miss Merkel“ weit entfernt. Was dort wie aus dem Ärmel geschüttelt anmutete, ist hier vor allem klamaukig. Das gilt auch für Thalbach: Wenn die Ex-Kanzlerin schreiend durch den Wald rennt, ist das fast ein bisschen peinlich, selbst wenn die Panik verständlich ist, weil ihr diverse Pfeile um die Ohren fliegen. Einige der weiteren weiblichen Darbietungen – ausdrückliche Ausnahmen sind Bianca Nawrath und Taneshia Abt – bewegen sich ebenfalls in einem Graubereich aus verunglückter Parodie und wenig überzeugendem Spiel, weshalb der Film streckenweise an eine zweitklassige Boulevardkomödie erinnert. Dazu passt auch die Geschichte: Philipp von Baugenwitz (Thomas Heinze) begegnet der Kanzlerin a.D. und ihrem Gatten (Thorsten Merten) beim Ausritt und lädt sie auf den Familiensitz zu einer Freilichtaufführung ein, in deren Rahmen er das betrübliche Schicksal eines Urahnen nachstellt. Anschließend sind er und Merkel zur Verkostung des hauseigenen Weins verabredet, aber dazu kommt es nicht mehr: Der Freiherr liegt tot in seinem Weinkeller. Da die Tür von innen verschlossen war, sieht der zuständige Kommissar (Sascha Nathan) keinen Anlass für weitere Ermittlungen. Merkel glaubt jedoch nicht an die Freitodthese und freut sich, endlich eine neue Beschäftigung gefunden zu haben. Verdächtige gibt es einige, denn Baugenwitz war ein notorischer Schürzenjäger; seine beiden Frauen, die aktuelle wie auch die ehemalige (Judith Neumann, Judith Engel), waren ihm in inniger Abneigung zugetan.

Da die Handlung von ergreifender Harmlosigkeit ist, fühlte sich Regisseur Christoph Schnee, der zuletzt die außerordentlich vergnügliche Komödie „Weil wir Champions sind“ (2022, Vox) gedreht hat, offenbar bemüßigt, bei der Umsetzung umso dicker aufzutragen, was viele Gags nicht witziger, sondern oft bloß plumper macht. Das gilt auch für die Ausgestaltung der Rollen und die Führung der Mitwirkenden. Der Kommissar ist selbstredend unfähig, damit Merkels kriminalistische Fähigkeiten umso besser zur Geltung kommen, aber Sascha Nathan muss den Polizisten, der keinerlei Respekt vor der ehemaligen Kanzlerin hat, auch noch als verkrachte Existenz verkörpern. Ähnlich überzogen sind fast alle Figuren; eine wohltuende Ausnahme ist Joachim Sauer, dessen trockene Kommentare Thorsten Merten mit stoischer Gelassenheit vorträgt. Eine gute Balance findet auch Tim Kalkhof als Personenschützer, der ständig daran scheitert, seine Chefin von ihrem zum Teil durchaus riskanten Treiben abzuhalten.

Safiers Idee, aus der Ex-Kanzlerin ein Miss-Marple-Pendant zu machen, ist eigentlich brillant, und Cantz würzt Thalbachs Dialoge mit einigen beiläufig eingestreuten Anekdoten aus ihren Begegnungen mit den Staatschefs dieser Welt, aber zwischendurch lässt er es unnötig menscheln: Beim Waldspaziergang muss Merkel hinterm Baum verschwinden („Die Natur ruft“); und dass Schnee die berühmte Raute auch noch in Nahaufnahme zeigt, wirkt wie Fernsehen für Begriffsstutzige. Ob RTL auch den zweiten „Miss Merkel“-Roman verfilmen wird, ist noch offen. Bei Safier heißt Merkels Mops übrigens Putin, doch das war den Verantwortlichen wohl zu heikel; nun heißt er Helmut. (Text-Stand: 28.2.2023)

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Reihe

RTL

Mit Katharina Thalbach, Tim Kalkhof, Thomas Heinze, Judith Engel, Thorsten Merten, Svenja Liesau, Judith Neumann, Sascha Nathan, Bianca Nawrath, Taneshia Abt

Kamera: Sonja Rom

Szenenbild: Axel Nocker

Kostüm: Nicole Stoll

Schnitt: Bernd Schriever

Musik: Frederik Wiedmann

Redaktion: Solveig Willkommen

Produktionsfirma: Letterbox Filmproduktion

Produktion: Holger Ellermann

Drehbuch: Stefan Cantz – Romanvorlage: David Safier

Regie: Christoph Schnee

Quote: 3,12 Mio. Zuschauer (12,2% MA); Wh. (2024): 2,21 Mio. (8,6% MA)

EA: 14.03.2023 10:00 Uhr | RTL+

weitere EA: 21.03.2023 20:15 Uhr | RTL

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