„Heu, i hab a Leichensach.“ Also wird nichts aus der Probe mit der Dorfkapelle. Der Betriebsleiter der örtlichen Molkerei wurde in seinem Haus erdrosselt. Kluftinger senior wohnt vis-a-vis, war auch mal bei der Polizei und ist schon in seinem kriminalistischen Element, als der Sohn in zünftiger Trachtenuniform am Tatort eintrifft. Ermittlungen im eigenen weißblauen Biotop mit den saftig grünen Wiesen – damit macht sich der Allgäuer Kommissar keine Freunde. Aber auch seine Nächsten wenden sich von ihm ab. Ehefrau Erika fliegt ohne den werten Gatten in den lange geplanten Urlaub nach Malle und der Vater fällt ihm in den Rücken, indem er Kluftingers ehrgeizigen Kollegen „Richie“ Maier mit Infos versorgt und ihn auf „die Russen“ anfixt. Und dann joggt auch noch Erzfeind Dr. Langhammer ohne Vorankündigung beim Strohwitwer und Kässpatzen-Fan vorbei – und will mit ihm kochen. Droht Kluftinger auch zunehmend etwas voll in den Hüften zu werden – seinen Instinkt sollte man nicht unterschätzen. Es liegt ein handfester Skandal in der Luft. Er hat’s im Urin. Die Frage ist allein: Geht es dabei um die gute Allgäuer Milch oder um ein weißes Pulver?
Rainer Kaufmann über „Milchgeld“:
„Der rote Faden des Falls ist die Isolation, in die Kluftinger gerät. Er, der es liebt, wenn alles um ihn herum vertraut und sicher ist, wird herausgefordert und zurückgeworfen auf sich selbst.“
Kluftinger ist wieder da – nach dem großen Erfolg im bayerischen Dritten nun in der ARD. So grandios komisch gut „Erntedank“ vor zwei Jahren auch war und so sehr sich wohl jeder Zuschauer eine Fortsetzung gewünscht haben dürfte – ein Allgäuer Kommissar im dialektfeindlichen Ersten, produziert von der Degeto: Skepsis war da schon angebracht. Doch der Film „Milchgeld“ macht den Kultkrimis um Kommissar Kluftinger vom Duo Klüpfel und Kobr keine Schande. Der göttliche Komödiant Herbert Knaup muss weder im angewitzelten Stil eines Fritz Wepper noch eines museal anmutenden Krimi-Whodunits Marke „Pfarrer Braun“ den Ermittler geben. Zwar ist der Film von Rainer Kaufmann in der Grundfärbung, bedingt durch die aktuellere Story, ein wenig heller als sein mythisch grundierter Vorgänger – der Launigkeit dieser Kriminalkomödie tut das aber keinen Abbruch. Charaktere, Struktur, Sprache – das sind die Bausteine dieses Kluftingerkrimis. Und zusammengehalten werden die skurrilen Mentalitätsgeschichten aus jener Region, mit denen man grüne Hügel, glückliche Kühe, prächtige Schlösser und eigenwillige Eingeborene mit einem bayerisch-schwäbischen Mundart-Mischmasch verbindet, von einem leicht hinterfotzigen Kriminalfall.
Die lauthalsen Lacher wie in „Erntedank“ bleiben weitgehend aus – dafür lässt es sich für den Zuschauer genüsslich durch die 90 Minuten schmunzeln. Sie Situationskomik ist leise und beiläufig – und die Musik dazu gibt sich entsprechend folkloristisch verspielt. Wenn Kluftinger da mal wieder für eine Brotzeit in der guten Stube na (= nieder) sitzt, fragt man sich, wo denn da noch die Frau Platz finden könnte. Und wenn der kräftige Kommissar versucht, mit einem Schwämmchen Lauchstangen zu putzen, oder wenn die Milchflasche als Running Gag in der Trommel des Trachtenmusikus Kluftinger während jeder Autofahrt den Ton angibt und gleichzeitig ein Bild ist für Kluftingers Bequemlichkeit, dann sind das Witze als filmischer Nebensatz. Da kann es den Dorfermittler zwischendurch bei einer Verfolgung auf dem Friedhof schon mal mit Gepolter in ein leeres Grab schmeißen oder in eine Rauferei auf der Dienststelle verwickeln – man muss schon genauer hinschauen und hinhören, um alle Feinheiten von „Milchgeld“ mitzubekommen. Es ist die Dichte der Erzählung, der Situationen, der Figuren, aus denen sich die Komik speist, die sich dann in vordergründigen Gags lauthals Luft machen können. Wie könnte sonst eine klemmende Klingel („des Klump“) oder eine demente (oder schwerhörige?) Alte hysterische Lacher verursachen. Und über allem schwebt der Dialekt. Und das ist mit das Beste an Klufinger. Die Nordlichter sollen sich mal nicht so anstellen. Die Dialogfolgen sind kurz und pointiert. Frage: „Na, hobt’s ia scho g’frühstückt?“ Antwort: „Na, kan Schluck!“ Dös sollt ma doch verstanda. Auch in Hamburg. „Der Allgäuer Dialekt MUSS hier sein“, betont Volker Herres, „er verleiht den Figuren Kraft und Glaubwürdigkeit“. Hoffentlich nicht zum letzten Mal – im Ersten! (Text-Stand: 28.3.2012)