“Jeder macht immer mal wieder seine Scherze darüber, wenn er etwas vergisst. Was es aber tatsächlich bedeutet, wenn ein Mensch unter Alzheimer leidet, das kann niemand nachvollziehen.” Der Schauspieler Klaus J. Behrendt hatte die Idee, mal einen Film über die bis heute unheilbare Krankheit des Vergessens zu machen, von der allein in Deutschland rund eine Million Menschen betroffen ist. Eine gute Absicht, die Regisseur Andreas Kleinert noch weiter fasst: “Es wäre schön, wenn der Zuschauer mehr Toleranz gegenüber allem entwickeln würde, was nicht schön, gesund und reich ist.“
“Mein Vater” erzählt die Leidensgeschichte von Busfahrer Richard. Weil er immer zerstreuter und merkwürdiger wird und Haltestellen einfach überfährt, wird er frühpensioniert. Er selbst ahnt, dass etwas mit ihm nicht stimmt, nachdem er immer öfters verzweifelt durch die Stadt irrt. Der Sohn wird erst aufmerksam, nachdem ihn ein Auto angefahren hat. Bei der ärztlichen Untersuchung kommt es zur Diagnose: irreversible Demenz, deren Ursache Alzheimer ist. Anfangs ist es die Schwiegertochter, die Richard zu sich ins neue Eigenheim holen möchte. Doch bald wächst ihr die Situation über den Kopf. Sie zieht aus. Jetzt muss Richards Sohn die Pflege übernehmen, denn er bringt es einfach nicht übers Herz, seinen alten Vater in ein Pflegeheim abzuschieben. “Er spürt doch, ob er Liebe bekommt oder nur versorgt wird!”
Foto: WDR / Uwe Stratmann
Grimme-Preisträger Andreas Kleinert erzählt illusionslos, aber nicht ohne Anteilnahme von den Stationen der Krankheit. Und er vermittelt weit mehr als den Schrecken über diese Krankheit mit ihrem Rückfall ins Kindliche. “Mir ging es zunächst darum zu zeigen, wie die Krankheit über eine ganz normale Familie hereinbricht und dieser die Stabilität nimmt“, so Kleinert. Alzheimer steht somit nicht nur für sich, sondern sie wird zu einem Katalysator für die Familienbeziehungen. Mit einem Alzheimer-Patienten im Haus fällt es schwer, die gutgelaunte Rama-Familie zu spielen. Verdrängung ist nicht mehr möglich.
Götz George und Klaus J. Behrendt, aber auch Ulrike Krumbiegel spielen grandios. Mit der Erfahrung von 50 Berufsjahren und über 200 Rollen lässt George seinen traurigen Opa wie selbstverständlich die abstrusesten Dinge tun. Wenn er sich eines Nachts im Ehebett zwischen Sohn und Schwiegertochter legt, dann trägt das tragikomische Züge. Aber auch viele seiner “kranken” Sätze überraschen den Zuschauer mit ihrer Absurdität. “Es regnet in meinem Bett”, sagt er. Oder eines Nachts zeigt er auf eine runde Haustürlampe und sagt lakonisch: “Der Mond ist runtergefallen.” Solche Momente wirken befreiend. George, der drei Freunde durch die Krankheit verloren hat, sieht bei einer solchen Rolle eine besondere Verantwortung für den Schauspieler: “Ich musste bei der Darstellung vorsichtig sein, weil man die Merkmale eines jeden Einzelnen einfach nicht umsetzen kann.” (Text-Stand: 8.1.2003)