Die Zeiten, in denen eine Rad fahrende oder Fußball spielende Nonne strenge Katholiken irritierte oder in denen ein evangelischer Pfarrer, der seine Predigt beinahe „verschläft“, weil es im Bett bei seiner Frau aufregender ist als auf der Kanzel, für einen Fernsehskandal sorgten, sind längst vorbei. Die Volkskirchen sind weltoffener und liberaler geworden und halten sich längst nicht mehr am Buchstäblichen einer Szene auf. „Wenn Grundton und Menschlichkeit in einer Geschichte stimmen, ist unter Umständen mehr erreicht, als wenn ein Bistumsblatt verteilt wird“, sagt Drehbuchautor Stephan Reichenberger. Das sei den Kirchenvertretern wohl bewusst. Deshalb gäbe es häufig Lob und nur noch selten Kritik.
Der „Pfarrer Braun“-Hausautor hat sich wieder etwas Neues aus dem Umfeld der Konfessionen ausgedacht. In „Mein Gott, Anna!“ ist es eine evangelische Diakonisse, die im Zeichen aufgeklärter Menschlichkeit mit höchst unkonventionellen Methoden unterwegs ist. Abgeschoben in den Außendienst, ist es ihre Aufgabe, den Klingelbeutel des Diakonischen Werks zu füllen. Bei ihrem ersten Einsatz soll sie eine der Diakonie vererbte Gaststätte verkaufen. Doch jener „Weißblaue Engel“ entpuppt sich als ein Bordell, die „Angestellten“ als liebenswertes Personal und der einzige Käufer als hungriger Baulöwe…
Mariele Millowitsch spielt Anna, jene moralische Pragmatikerin, der nichts Menschliches fremd ist. „Es geht ihr immer ums Helfen“, so Millowitsch, „dafür setzt sie Himmel und Hölle in Bewegung.“ Sprich: die Diakonisse hat zwei Verehrer, einen Prälaten und einen Zuhälter. Und wenn’s drauf ankommt, zwängt sie sich sogar in einen Nuttenfummel. „Mein Gott, Anna!“ streift die Satire, steckt voller pointierter Dialoge und unterhält vorzüglich. Die ARD wollte eine Reihe draus machen. Beide Kirchen haben die Puffgeschichte mit einem Lächeln abgesegnet. Doch dann war der Degeto die Einschaltquote zu dürftig. (Text-Stand: 5.9.2008)