Franziska ist eine Business-Frau. Sie wollte nie Kinder. An ihrem 40. Geburtstag erfährt ihr Lebenspartner den Grund dafür: mit 15 Jahren war sie schwanger von ihrer ersten großen Liebe. In der bayerischen Provinz. Für eine Abtreibung war es zu spät. Die Eltern zwangen das Mädchen, das Kind sofort nach der Geburt zur Adoption freizugeben. Franziska verließ daraufhin ihr Elternhaus. Ihre Überlebensstrategie für die nächsten Jahre und Jahrzehnte hieß Verdrängung. Doch jetzt, wo Freunde von ihr ein Kind adoptieren und sich ihr Partner, der eine Familie möchte, von ihr trennt, ist es an der Zeit, dass sie sich ihrer Vergangenheit stellt. Bei der Suche nach ihrem Sohn Oliver begegnet sie zum ersten Mal seit damals wieder ihrem einst alkoholkranken, gewalttätigen Vater. Sie bleibt unversöhnlich. Wenig später gelingt es ihr, Oliver ausfindig zu machen. Das Wiedersehen nach 24 Jahren ist ein Schock für sie: der Junge, bei einer Adoptivfamilie in München liebevoll aufgewachsen, hat eine jahrelange Drogenkarriere hinter sich. Die Adoptivmutter ist resigniert. „Man muss los lassen, sonst geht man selber vor die Hunde.“ Doch Franziska glaubt, einiges wieder gut machen zu müssen.
„Mein eigen Fleisch und Blut“ erzählt mehr als eine seelische Vergangenheitsbewältigung, der eine jahrzehntelange Verdrängung vorausging. Autorin Britta Stöckle hat die Geschichte geschickt mit dem Thema Sucht in all seinen Facetten gesellschaftlich kurzgeschlossen. Der Sohn folgte mit 16 Jahren dem Ruf der Drogen und begab sich in einen selbst zerstörerischen Teufelskreis, während die Mutter ihren Schmerz mit Arbeit betäubt hat und sich auf ihre Karriere stürzte. Das Übel hat eine lange Tradition und ihren Ursprung beim Vater der Heldin. Seine Alkoholsucht zerstörte die Familie, trieb die Tochter aus dem Haus. Die Dramaturgie der Geschichte folgt der inneren Logik der Sucht-Erkrankung und bietet keine filmische (Er-)Lösung. Einen Erkenntnisgewinn dürfte allein die Hauptfigur aus ihren Erfahrungen ziehen. Nach der Sorge um den Sohn ist es am Ende wieder allein ihre Geschichte. Sie habe nur ihr eigenes Wohlergehen im Sinn, wirft ihr die Adoptivmutter vor. Und sie hat da gar nicht mal so Unrecht. Im Mittelteil vergisst man aber gelegentlich als Zuschauer, dass es Franziskas Geschichte ist: der Kampf um „ihr eigen Fleisch und Blut“ steht ganz im Mittelpunkt. Das abrupte Ende bietet dem Zuschauer daher wenig Gelegenheit, die Geschichte für sich (im Sinne der Heldin) ausschwingen zu lassen. Das wäre eine Qualität eines solchen Dramas.
Die „Ratlosigkeit“, was das Sucht-Thema angeht, ist realistisch und keineswegs das Problem am Ende des Films, sondern das (Weiter-)Leben einer Hauptfigur, die manch einen Zuschauer weniger interessieren wird als der um sein Leben kämpfende Jüngling, der bei aller Junkie-Mentalität vor allem als Opfer gezeichnet wird. Das ist nicht in erster Linie ein Problem der Darsteller. Veronica Ferres überzeugt als Mutter ebenso wie Kostja Ullmann oder der (nicht nur) physiognomisch bestens besetzte Thomas Sarbacher. Es liegt vielmehr an der sehr viel direkteren Emotionalität und größeren Dramatik der Junkie-Geschichte gegenüber dem weitgehend verbal vermittelten Adoptionstrauma der Mutter. (Text-Stand: 3.8.2011)