Marie Brand und die Spur der Angst

Millowitsch, Schönemann, von Bülow, Petri. Greve, Kennel. Simmel gibt den Ton an

Foto: ZDF / Guido Engels
Foto Tilmann P. Gangloff

Bislang waren die ZDF-Krimis mit Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann desöfteren für Überraschungen gut. Deshalb ist „Marie Brand und die Spur der Angst“ eine kleine Enttäuschung. Das hat auch mit unerfüllten Erwartungen zu tun. Die unnötig kompliziert erzählte Geschichte erfreut durch einige originelle Details, ist ansonsten aber nur guter Durchschnitt. Auch Regisseurin Judith Kennel und Kamerafrau Nathalie Wiedemann fällt für den Köln-Krimi sehr viel weniger ein als für die ZDF-Reihe „Unter anderen Umständen“.

Das Drehbuch ist von Jochen Greven („Tatort – Großer schwarzer Vogel“) und somit von einem Autor, der zum ersten Mal für die Reihe schreibt. Aber das einzige, was ihm eingefallen ist, um das Duo aus dem Schema „Kopf und Körper“ zu locken, war die Idee, Jürgen Simmel zum bewegten Mann zu machen: Ausgerechnet der Frauenheld entdeckt den Feministen in sich und weist Marie Brand darauf hin, dass es nicht in Ordnung sei, von „Tätern“ zu sprechen, wenn die Tat auch von einer Frau begangen worden sein könnte; „generisches Maskulinum“, entgegnet die kluge Kollegin. Weil Hinnerk Schönemann seine Szenen um physische Anmerkungen ergänzt, die wie Emoticons wirken, und sei es bloß eine gehobene Augenbraue, macht „Marie Brand und die Spur der Angst“ trotzdem Spaß. Schönemann hat diesmal mehr zu tun als Mariele Millowitsch, und das nicht nur, weil er gleich zweimal hinter Verdächtigen her rennen muss. Dass er vorher noch die Zeit findet, der Kollegin Sakko und Sonnenbrille in die Hand zu drücken, gehört ebenfalls zu den Kleinigkeiten, die für die Geschichte nicht weiter wichtig sind, aber auf dieser Ebene des Films viel Freude bereiten.

Die andere ist der eigentliche Fall, den Greve im Grunde unnötig kompliziert erzählt, weil die Handlung sonst viel zu leicht zu durchschauen wäre. Sie beginnt mit dem üblichen Mord, doch der scheinbare Täter ist unschuldig, denn der Tote ist sein einziger Freund gewesen. Marek Kahlert (Sascha Alexander Gersak) hat einst einen Unternehmer (Rainer Bock) entführt und nun seine 14jährige Haftstrafe abgesessen. Sein Opfer sitzt aufgrund der Spätfolgen seiner Entführung heute im Rollstuhl, aber auch für Kahlert ist die Sache noch nicht vorbei: Ein Großteil des damaligen Lösegelds in Höhe von insgesamt 5 Millionen Mark ist nie gefunden worden. Natürlich will der Verbrecher auch diesen Teil der Beute, aber dazu kommt das Drehbuch erst später. Zunächst führt Greve etwas umständlich die handelnden Personen ein, darunter neben Kahlerts Anwalt, Harald Joosten (Johann von Bülow), auch Anne Drobeck (Franziska Petri), die dem Charme des Kriminellen erneut erliegt; dabei ist sie die mittlerweile geschiedene Gattin des Entführungsopfers. Wichtiger für die Geschichte ist jedoch Helga Zollitsch, eine ehemalige Bardame, deren Aussage maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Kahlert verurteilt wurde. Kurz nach dem Prozess hat die Frau ihre prekären Verhältnisse hinter sich gelassen und ein Nagelstudio eröffnet. Interessanter als die Rolle ist allerdings die Darstellerin: Wer Lina Wendel im Dezember im Auftaktfilm zur neuen ARD-Krimireihe „Die Füchsin“ gesehen hat, wird sie kaum wiedererkennen.

Marie Brand und die Spur der AngstFoto: ZDF / Guido Engels
Ein Mann für gewisse Rollen: Rainer Bock. Auch die anderen Gast-Rollen sind mit u.a. Johann von Bülow, Franziska Petri, Lina Wendel und Gersak sehr gut besetzt.

Während Brand ihre kleinen grauen Zellen arbeiten lässt, wird Simmel zum Personenschützer von Joosten, nachdem Kahlert auf den Anwalt geschossen hat. Als auch der einstige Entführer ermordet wird, hat Joosten das beste Alibi, das sich ein Verdächtiger nur wünschen kann: Er war mit Simmel beim Pferderennen. Auch das wirkt alles ein bisschen konstruiert, gibt Schönemann aber die Gelegenheit, sich kindlich über einen kleinen Gewinn zu freuen. Ähnlich hübsch ist ein Moment gegen Ende, als Simmel per Knopfdruck auf den Autoschlüssel den Dienstwagen öffnen will und stattdessen der Kofferraumdeckel aufgeht. Etwas weit hergeholt, filmisch aber natürlich sehr effektiv ist dagegen eine Aktion von Marie Brand, die dem vermeintlich gehunfähigen Drobeck mit Hilfe einer Giftschlange Beine macht. Es sind ohnehin die sympathisch beiläufig eingestreuten Details, die den Charme des Films ausmachen; dazu zählt auch der sächsische Genetiv bei der Schreibweise von „Helga’s Nagelstudio“. Unbedingt ausbaufähig sind die wenigen Szenen mit Isabell Polak als Simmels Freundin Madeleine, die zu seiner gelinden Enttäuschung bloß Sex von ihm will; er würde gern auch mal mit ihr ins Kino gehen. Eine weitere Frau in durchgehender Rolle an seiner Seite würde sich garantiert als belebendes Element für die Reihe erweisen.

Abgesehen von der guten Darstellerführung entspricht die Umsetzung des Drehbuchs jedoch der üblichen Fernsehfilmroutine; selbst das Finale, als der Täter (generisches Maskulinum) der Kommissarin so lange den Fall erklärt, bis endlich der rettende Simmel auftaucht, ist nicht weiter dramatisch. Regie führte Judith Kennel, die mit ihrer bevorzugten Kamerafrau Nathalie Wiedemann auch die Krimireihe „Unter anderen Umständen“ dreht. Dort finden die beide oft eine fast skandinavisch anmutende Bildsprache. Das hätte diesmal natürlich nicht gepasst, weshalb auch nur die Schmuckbilder vom dampfenden Rhein in Erinnerung bleiben.

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Reihe

ZDF

Mit Mariele Millowitsch, Hinnerk Schönemann, Thomas Heinze, Johann von Bülow, Franziska Petri, Rainer Bock, Sascha Alexander Gersak, Lina Wendel, Torsten Peter Schnick, Isabell Polak

Kamera: Nathalie Wiedemann

Szenenbild: Thomas Schmid

Kostüm: Kerstin Westermann

Schnitt: Thomas Stange

Musik: Florian Tessloff

Soundtrack: Skin, Pale 3 („You Can’t Find Peace“), David Gray (“Gathering Dust”), Tykwer / Klimek, Heil (“Supermarket”, OST “Lola rennt”), Mazzy Star (“Fade Into You”)

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Drehbuch: Jochen Greve

Regie: Judith Kennel

EA: 09.04.2016 20:15 Uhr | ZDF

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