Marie Brand und der Tote im Trikot

Millowitsch, Schönemann, Kudrjawizki, Berndt, Costea. Bloß noch ein Selbstzitat

Foto: ZDF / Guido Engels
Foto Tilmann P. Gangloff

In der 13jährigen Geschichte von „Marie Brand” (Warner Bors.) hat es auch früher schon Phasen gegeben, in denen die ZDF-Reihe am Ende schien; und dann überraschten die Verantwortlichen mit einer herausragenden Episode. Mittlerweile aber scheint endgültig die Luft raus zu sein, zumal offenbar auch das Hauptdarstellerduo Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann seinen Rollen nichts mehr abgewinnen kann; gerade Schönemann ist in „Marie Brand und der Tote im Trikot“ bloß noch ein Selbstzitat. Immerhin ist die Geschichte (Timo Berndt) interessant, wenn auch vor allem wegen des Hintergrunds: Ein Leichenfund unter der Tribüne der Kölner Radrennbahn führt ins Milieu des Bahnradsports und in eine Welt voller Eifersucht, Neid und Intrigen. Alexander Costea hat das gerade auch wegen des personellen Geflechts reizvolle Drehbuch jedoch ausgesprochen gemächlich umgesetzt.

Nach 13 Jahren und fast dreißig Filmen scheint die Luft raus zu sein. Schon der im Januar ausgestrahlte letzte Film aus der Reihe mit Mariele Millowitsch und Hinnerk Schönemann, „Marie Brand und die Leichen im Keller“, ließ so gut wie alles vermissen, was einen guten Krimi ausmacht. Episode Nummer 29 ist einen Hauch besser, aber nach wie vor weit entfernt von allem, was diese Reihe einst ausgezeichnet hat, und das war neben den zum Teil recht originellen Geschichten in erster Linie das Zusammenspiel des zentralen Duos. Gerade Schönemann ist in „Marie Brand und der Tote im Trikot“ jedoch bloß noch ein Selbstzitat. Die kleinen Heiterkeiten im Hintergrund, die so oft den eigentlichen Charme der Filme ausgemacht haben, wirken hier wie eine Pflichtübung. In der Interpretation ihrer Rollen waren Schönemann und Millowitsch ohnehin schon mal weiter. Diesmal verfallen sie wieder ins alte Muster von Lehrerin und Schüler: Mehrfach muss die Hauptkommissarin ihrem zwar sehr von sich selbst überzeugten, aber auch recht begriffsstutzigen Kollegen den Fall erklären. Wenn Schönemann witzig sein will, wackelt er mit dem Kopf; auch das ist ein bisschen schlicht.

Dafür sind die Geschichte und der Schauplatz einigermaßen interessant: Unter der Tribüne des Kölner Radstadions wird das Skelett eines vor zwei Jahren verschwundenen Profis gefunden. Stefan Lührs galt als Olympiahoffnung, war aber anscheinend dem Druck nicht gewachsen, hat seine Karriere von heute auf morgen beendet und ist zu einer Radtour durch Europa aufgebrochen. Letztes Lebenszeichen: ein Fotogruß aus Barcelona, vermutlich eine Fälschung, denn allem Anschein nach war er da bereits erschlagen und vergraben. Die Ermittlungen führen Brand und Simmel in eine Welt voller Eifersucht, Neid und Intrigen. Verdächtige tummeln sich zuhauf: missgünstige Kollegen, unglücklich verliebte Verehrerinnen, dazu ein Ziehvater, der den Ruhm des Sohnes konsequent zu Geld gemacht hat. Doping spielt auch eine Rolle, das Thema Homosexualität im Profisport wird ebenfalls gestreift. Krimifans werden zudem früh ahnen, dass der tote Stefan nicht ohne Grund einen eineiigen Zwillingsbruder hat.

Marie Brand und der Tote im TrikotFoto: ZDF / Guido Engels
Forensiker Konstantin Stark (einer der wenigen Pluspunkte: Lenn Kudrjawizki) zeigt Brand & Simmel den Toten im Trikot.

Timo Berndt ist derzeit gut im Geschäft. Er schreibt seit einigen Jahren sämtliche Drehbücher für die ausgezeichnete Actionthriller-Reihe „Sarah Kohr“ (ZDF); sehenswert war kürzlich auch der erste „Dänemark-Krimi“ (ARD). Die Qualität seiner „Toten vom Bodensee“ (ZDF) ist allerdings sehr schwankend. Die letzten Arbeiten für „Marie Brand“ waren ähnlich wechselhaft: „Marie Brand und das Spiel mit dem Glück“ (2019) war ein clever als Krimi verpackter Aufklärungsfilm über Automatenspielsucht, „Marie Brand und die falschen Freunde“ (2020) hatte dagegen keinerlei Raffinesse zu bieten, von Spannung ganz zu schweigen, was aber natürlich eine Frage der Umsetzung ist. Bei „Marie Brand und der Tote im Trikot“ oblag die Regie Alexander Costea, der vor einigen Jahren mit seinem Hochschulabschlussfilm „Die Maßnahme“ auf sich aufmerksam gemacht hat, ein vor allem wegen Hauptdarsteller Aljoscha Stadelmann sehenswertes Drama über einen Sonderling unter Mordverdacht. Sein unauffällig inszeniertes ZDF-Langfilmdebüt wird dagegen kaum in Erinnerung bleiben; daran ändern auch die unnötigen Zeitlupenszenen nichts.

Witzig sind immerhin die Momente, in denen sich Simmel über die aus seiner Sicht nicht ernstzunehmende Sportart lustig macht; bis er aufgefordert wird, drei Runden mit den Frauen zu drehen. Leider spart der Film den Wettkampf aus, aber anschließend ist der überhebliche Polizist ziemlich kleinlaut. Fred Costea ist in der Rolle des sportinvaliden Kotrainers ein ebenso interessanter Typ wie Markus Krojer in der Doppelrolle des Zwillingspaars. Ebenfalls sehenswert sind die Darbietungen von Peter Trabner als zwielichtiger Vater und Anke Retzlaff als Frau zwischen zwei Brüdern. Sie alle haben ihren Anteil daran, dass der Film keine Zeitverschwendung ist, zumal Berndt recht plausibel gleich eine Vielzahl von Motiven anbietet. Die reizvollste Rolle spielt allerdings einer der Guten: Lenn Kudrjawizki, vor allem als Kommissar aus den „Kroatien-Krimis“ der ARD bekannt, wirkt als neues Ensemblemitglied mit und ist sehr zum Unmut von Simmel offenkundig in Marie Brand verliebt. Kudrjawizki spielt das sehr hübsch, zumal sich der Rechtsmediziner und Miles-Davis-Fan schließlich einen Spaß draus macht, den Kommissar mit seinen kleinen Flirts zu provozieren. Es wäre schön, wenn er dem Team erhalten bliebe.

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Reihe

ZDF

Mit Mariele Millowitsch, Hinnerk Schönemann, Lenn Kudrjawizki, Peter Trabner, Anke Retzlaff, Markus Krojer, Johannes Kienast, Bea Brocks, Isabella Bartdorf, Fred Costea

Kamera: Volker Tittel

Szenenbild: Thomas Schmid

Kostüm: Kerstin Westermann

Schnitt: Anke Berthold

Musik: Sven Rossenbach, Florian Van Volxem

Soundtrack: Miles Davis („Flamenco Sketches“), Jamie XX („Stranger In A Room”)

Redaktion: Wolfgang Feindt

Produktionsfirma: Warner Bros. ITVP Deutschland

Produktion: Iris Wolfinger, Micha Terjung

Drehbuch: Timo Berndt

Regie: Alexander Costea

Quote: 8,15 Mio. Zuschauer (27,6% MA); Wh. (2023): 5,39 Mio. (22,3% MA)

EA: 10.11.2021 20:15 Uhr | ZDF

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