Diese Frau versteht ihr Handwerk, ihr ist jedes Mittel recht, „das Krokodil“, nennt man sie auch. „Beim Trennen bin ich Weltmeisterin“, sagt die Grazer Scheidungsanwältin Brigitte Fiedler (Aglaia Szyszkowitz). Menschen auseinanderbringen – ja, das kann sie. Beruflich. Aber funktioniert das auch privat? Tochter Anna (Marie-Luise Stockinger), die mal ihre Kanzlei übernehmen soll und hier die ersten beruflichen Schritte macht, hat aus London einen Lover mitgebracht. Mama freut sich, zunächst. Doch der ist nicht jung, sondern eher reif. Und er ist für Brigitte kein Unbekannter: Vor vielen Jahren war sie selbst mit dem Musiker Richie Moosleitner (Fritz Karl) zusammen. Sie hatten eine tolle Zeit, dann hat er sie sitzen gelassen, ist auf und davon. Jetzt ist der einstige Austro-Popstar in die Heimat zurückgekehrt, mit Cowboyhut, Lederjacke und Westernstiefel. Anna stellt ihn der Mama vor („Mama, das ist ist der Richie, Richie, das ist die Mama“) – und schon fällt Biggi das Glas aus der Hand. Fortan verfolgt sie nur ein Ziel: Sie will die beiden auseinander bringen – um jeden Preis. Helfen soll ihr dabei Richies erwachsener Sohn Michael (Aaron Friesz), ein smarter Startup-Unternehmer mit Öko-Touch. Der leidet unter den Eskapaden und ständig wechselnden Beziehungen seines Vaters. Brigitte hat einen Auftrag für ihn: Er soll Anna verführen. Wie? Dazu hat sie einen Plan. Doch Michael schafft es weder an der Kletterwand noch im schicken Restaurant Annas Herz zu erobern. Und so muss schließlich Brigitte selbst ran – an ihren Ex-Lover.
Foto: ORF / Stefan Haring
In der Stadt wird gelacht, auf dem Land gemordet – so geht es zu im österreichischen Fernsehen. Zwei Reihen mit Regionalcharakter laufen dort seit Jahren erfolgreich: Die „Stadtkomödien“ und die „Landkrimis“. Zum zweiten Mal ist nun Graz Schauplatz einer ORF-„Stadtkomödie“. Auf „Die Notlüge“ (mit Josef Hader), die Witz und Biss hatte, folgt „Man kann nicht alles haben“ von Michael Kreihsl. „Komödie kennt kein Erbarmen. Entweder ist es lustig – oder nicht“, sagt der Regisseur ein bisschen arg lapidar. Er kennt sich bestens aus mit dem Genre, hat mit „Die Wunderübung“ und „Risiken und Nebenwirkungen“ zuletzt zwei Komödien fürs Kino gedreht. Nun also (wieder) Fernsehen. Und so ganz dürfte der Regisseur mit dem Drehbuch nicht zufrieden gewesen sein, taucht er doch im Abspann auch unter der Rubrik „Drehbuchbearbeitung“ auf. Das ist in der Regel kein gutes Zeichen…
„Man kann nicht alles haben“ ist nach „Curling for Eisenstadt“ (2019) die zweite Stadt-Komödie aus der Feder des Autoren-Duos Peter Hengl und Marc Schlegel. Auch bei der ORF-Serie „Wischen ist Macht“ haben die beiden bereits zusammengearbeitet. Als Regisseur hat Schlegel den schrägen, bedingt witzigen SWR-Film „Schmidts Katze“ gedreht. Sehr brav, vorhersehbar und eher ein wenig märchenhaft kommt ihre Beziehungskomödie rüber. Ein bisschen Reminiszenz an die 1980er- und 90er-Jahre, ein Emanzipationsprozess einer jungen Frau von der dominanten Mutter, ein abgehalfterter Musikstar, der vom Comeback träumt und ein junger Startup-Unternehmer, der als Beziehungscrasher selbst die Liebe entdeckt: In der Geschichte steckt eine Menge drin. Sie ist im Kern amüsant, aber der Biss, den sonst gerade österreichische Filme auszeichnet, fehlt. So plätschert alles dahin. Wenigstens gelingt es Kreihsl, die Script-Schwächen durch eine routinierte Inszenierung ein wenig auszugleichen. Rhythmus, Tempo, Pointen, Pausen – die Mischung stimmt. Mal schimmert auch ein Schuss Ironie durch. Man merkt, dass Kreihsl vom Theater kommt. Die Sorgfalt bei der Arbeit mit den Schauspielern ist bemerkenswert, da stimmt jede Geste, ist jeder Satz gut getimt. Kleines Bonmot am Rande: In Hitchcock-Manier taucht der Regisseur in einer kleinen Szene auch selbst kurz vor der Kamera auf: als Herr Kieselsteiner auf dem Bildschirm einer Videoschalte.
Was für den Film spricht, ist die gelungene und bestens harmonierende Besetzung: Fritz Karl macht als in die Jahre gekommene Musikerlegende und verliebter Midlife-Crisis-Typ eine gute Figur, überdreht die Rolle nicht, weiß die Pointen bestens auszuspielen. Und die Wiener Burg-Schauspielerin Marie-Luise Stockinger, seit dem Zweiteiler „Maria Theresia“ (2017) neuer Shooting Star in Österreich, balanciert gekonnt zwischen Abnabeln von der Mutter und schwärmerischer Verliebtheit hin und her. Sie und Aglaia Szyzskowitz (spielte auch schon in den Kreihsl-Film „Die Wunderübung“) mit ihrer sympathischen Brüchigkeit arbeiten sich als Tochter und Mutter neunzig Minuten aneinander ab. Hier die junge, eigensinnige, rebellische Anna, dort die dominante, beschützende und berechnende Mama. Die Zoff-Duelle zwischen den beiden machen Spaß. Fazit: Eine recht amüsante Komödie mit bekannten Gesichtern. Und auch die musikalischen Begleiter im Film sind keine Unbekannten: Richies Bandkollegen sind keine Geringeren als die Jungs der österreichischen Welthit-Band Opus („Live is life“).