DDR 1983, zwei Jungen und ein Mädchen tollen ausgelassen durch die Felder. Mit dieser Unbeschwertheit sollte es bald ein Ende haben. Im Januar 1989 wollen Lily und Konrad im Hochgefühl der ersten großen Liebe in den Westen flüchten. Doch der junge Mann versetzt sie. Das Mädchen versucht es allein, wird geschnappt. Für sie ist bis heute sicher, dass Konrad sie damals nicht nur im Stich gelassen, sondern sie auch verraten hat. Sein Vater war ein gefürchteter Stasi-Offizier. In Wahrheit aber war es Monte, der kleine Bruder, der Angst hatte, allein zurückzubleiben mit seinem gewalttätigen Vater. Die Wege der drei kreuzen sich erst 20 Jahre später wieder. Monte ist ein kleiner Finanzbeamter, Konrad ein Staatsanwalt, der sich dem Kampf gegen die Korruption verschrieben hat, und Lily arbeitet als Prostituierte in einem Berliner Bordell und ist gerade zur Puffmutter aufgestiegen.
„Lilys Geheimnis“ erzählt davon, wie die drei wieder zueinander finden. Die Geschichte um zwei korrupte Polizisten von der Sitte, gegen die Lily wegen Erpressung und Körperverletzung Anzeige erstattet, ist ein Mittel zum Zwecke der Liebesgeschichte, die über diesem Drama um Schuld und Schmerz, um Verantwortung und Verzeihen schwebt. Mag die politische Geschichte allzu gewollt erscheinen, mag die Erzählkonstruktion gewagt sein und noch so viele Löcher aufweisen – der Film von Andreas Senn ist so stimmig im Detail erzählt, so stimmungsvoll fotografiert und so überzeugend gespielt, dass er einen in seinen Bann zieht und berührt. Man muss diesen Film als Melodram begreifen, um diese Qualitäten zu sehen. Für ein Liebesdrama sind es ganz passable Sätze, die die Autorin Annette Simon ihren Protagonisten in den Mund gelegt hat. Mit dem Faible für Pausen, mit authentisch gespielter Nachdenklichkeit und einem Unterton, der bitter klingt, aber zugleich auch große Zärtlichkeit ausdrückt, entwickeln Anna Loos, Jan Josef Liefers und Janek Rieke ein magisches Beziehungsdreieck. Auch in den Szenen mit August Zirner und Kathrin von Steinburg steckt viel Wahrhaftiges in dem, was nicht ausgesprochen wird.
Mut zur Lücke auch bei der Handlungsführung. Die Aktion wird gerafft, der emotionale Moment ausgespielt. Andreas Senn, der schon in dem Afghanistan-Heimkehrerdrama „Willkommen zuhause“ und dem sozialen Psychothriller „Mein Mörder kommt zurück“ viel Gespür für die Psychologie von Situationen offenbarte, ist auch in dieser Geschichte, die voller Sentimentalität steckt, immer auf Augenhöhe mit seinen Protagonisten. Wunderbar löst er auch die Szene, in der das Paar nach 20 Jahren wieder miteinander schläft. In dieser Situation und während des Gesprächs danach ist der Kitsch zum Greifen nahe. Doch was am Ende bleibt, ist der Eindruck von Nähe: Da lieben sich zwei, doch ihre Geschichte scheint ihnen im Weg zu stehen. Die Kamera fängt minutenlang die Köpfe ein, mal im Profil, mal nur die Augen. Die Vergangenheit steckt noch drin, in diesen Köpfen. Parallel dazu wird Monte zusammengeschlagen. Der Himmel weint, der kleine Bruder spuckt Blut und steht mit diesem Blut gerade für seinen jugendlichen Verrat. Mit dieser Buße könnte er eigentlich den Weg frei machen für die Liebe.