Mit 30 zurück zu Muttern: Das allein ist ja schon eine Art Kapitulation vorm Leben. In der ersten Staffel der ZDFneo-Serie „Like a Loser“ hatte Musiker Julian zudem erfahren, dass er vor 15 Jahren einen Sohn gezeugt hat. In der zweiten will er beweisen, dass er Verantwortung übernehmen und dem Jungen ein guter Vater sein kann. Über diesen Umweg will er das Herz seiner Jugendliebe zurückerobern. Das Unterfangen ist allerdings von vornherein zum Scheitern verurteilt: Lehrerin Marie mag ihn zwar nach wie vor, aber im Körper ihres früheren Freundes steckt immer noch der Teenager von einst. Ernst, der gemeinsame Sohn, ist im Grunde erwachsener als sein Vater.
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Außerdem hat Julian (Ben Münchow) die fatale Neigung, sich ständig in Missgeschicke zu manövrieren und kein Fettnäpfchen auszulassen. Dauernd gerät sein Kopf in irgendeine Schlinge, deshalb produziert er permanent Lügen, die ihn aber stets nur vorübergehend retten. Zu allem Überfluss ist Maries Chef (Tom Beck) der exakte Gegenentwurf zu dem ausschließlich um sich selbst kreisenden Kindskopf Julian: Guideon bietet Marie (Tinka Fürst) jede nur denkbare Sicherheit, er ist zuverlässig und immer für sie da; aber in seiner Berechenbarkeit und als jemand, der seinen Grill mit der Zahnbürste reinigt, auch ein bisschen langweilig.
Seltsamerweise ist die 2023 ausgestrahlte erste Staffel von „Like a Loser“ bei sämtlichen TV-Preisen leer ausgegangen. Die Serie basiert zwar auf einem französischen Vorbild („Irresponsable“), aber laut ZDF ist nur die Grundidee übernommen worden: „Folgeninhalte, Plots und Figuren sind komplett neu erfunden.“ Davon unabhängig waren zumindest die Leistungen des Ensembles preiswürdig. Gerade Diyar Ilhan (Jahrgang 2002) hätte spätestens für die Fortsetzung jeden Nachwuchspreis verdient, zumal die Drehbücher Ernst diesmal noch stärker ins Zentrum rücken: Der Junge, mittlerweile 16, verliebt sich unsterblich in eine neue Mitschülerin, hat aber im Grunde keine Chance, denn die coole Anna ist ein Knaller. Für Kayla Shyx (Hauptdarstellerin der Joyn-Webserie „Krass Klassenfahrt“ und des gleichnamigen Kinofilms, 2019/2021) gilt das nicht minder.
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Das Timing der komischen Szenen (Regie diesmal: Sven Nagel und Aki Wegner, Schnitt: Clare Dowling, Anton Korndörfer) ist ebenfalls nah an der Perfektion. Wirklich erstaunlich ist jedoch die Gratwanderung, die Ben Münchow gelingt. „Der Cringe“ hätte als Titel auch gepasst, denn Julian ist die personifizierte Peinlichkeit; erst recht aus der Sicht von Ernst. Natürlich ist es lächerlich, wenn sich ein Kerl mit Anfang dreißig benimmt wie ein Teenager. Trotzdem gelingt es Münchow, Julian einen Rest an Würde zu bewahren. Als Lebenskünstler repräsentiert er zudem das Kind, das sich angeblich in jedem Mann verbirgt. In seinem Fall wäre allerdings „Kleinkind“ die treffendere Bezeichnung: Julian ist grundsätzlich nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Als Marie 16 Jahre nach dem ersten „Unfall“ erneut schwanger wird, lässt er Ernst zu dessen Verbitterung links liegen, weil plötzlich nur noch das (zunächst ungeborene) Baby zählt. Der Erzeuger könnte allerdings auch Guideon sein, was den Wettkampf der beiden Männer zusätzlich anheizt.
Die Drehbücher von Sandra Schröder (war schon bei Staffel eins dabei) sowie Frederik Hunschede und Annekathrin Lang konfrontieren Julian in jeder der acht Folgen mit immer wieder neuen haarsträubenden, aber nie unrealistischen Situationen, die seine wechselnden Befindlichkeiten jedes Mal auf die Spitze treiben: Mal bleibt er ausgerechnet gemeinsam mit Guideon im Fahrstuhl stecken, mal fliegen die beiden Streithähne aus einem Kurs für werdende Väter, mal sucht er verzweifelt nach seinem von der Mutter (Johanna Gastdorf) verschenkten ersten Kuscheltier, weil er darin vor Jahren ein Tütchen Gras versteckt hat, mal darf er die Klasse von Ernst beim Ausflug begleiten, nachdem er zuvor unfreiwillig dafür gesorgt hat, dass die halbe Schulbelegschaft mit Salmonellen darniederliegt.
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Dieses Ereignis ist typisch für die oftmals lakonische Erzählweise der Serie: Julian zieht bei Maries Ausstand versehentlich den Kühlschrankstecker, um sein Telefon aufzuladen; nach einem Schnitt zeigt die Kamera die Titelseite der Lokalzeitung mit der Schlagzeile über die Vergiftung. Die Kurzweiligkeit der Episoden hat nicht nur mit ihrer überschaubaren Länge (25 Minuten) zu tun: Bei anderer Gelegenheit verprasst die Regie im Rahmen einer „Modenschau“ von Vater und Sohn ein Dutzend Ideen in einer rasanten einminütigen Schnittfolge. Für viel Heiterkeit sorgen auch diverse Gastrollen, darunter Tanja Schleiff als resolute Ausflugsbusfahrerin. Am witzigsten sind dennoch die Momente, in denen das Drehbuchtrio erst die Vorfreude auf eine erwartbare Pointe schürt und dann noch eine weitere oben drauf setzt: Julians Pläne enden grundsätzlich im Chaos; manchmal allerdings erst später. Die Dialoge sind ohnehin famos, die Musikeinspielungen passen prima, kleine Gestaltungsideen (Kamera: Alex J. Moll, Thomas Schinz) sorgen für zusätzliche Freude am Handwerk. Unterm Strich: ausgesprochen gelungenes Gute-Laune-Fernsehen. ZDFneo zeigt die Serie dienstags in Doppelfolgen.