Julian (Ben Münchow) hat ein Problem. Der 31-Jährige träumt vom Leben als ewiger Teenager und erwacht in einem Alptraum. Nicht nur, dass Mutter Dagmar (Johanna Gastdorf) ihn beim morgendlichen Onanieren überrascht. Ihre Reaktion zeigt auch, dass sie mehr Coolness besitzt als er. Alleinerziehende Mutter eben. Dagmar macht deutlich, dass sich einer, der wieder an ihrem Küchentisch Cornflakes mümmelt, auch etwas anhören muss. Und Dagmar hat eine Idee. Julian soll sich auf die Stelle als musikalische Hilfskraft an seiner alten Schule bewerben. Julian sagt nein und geht hin. Klingt erstmal nicht sehr originell, ist aber hübsch umgesetzt. Überhaupt: Von Anfang an macht es sehr viel Spaß, diesen Julian bei der zögerlichen Erkenntnis seiner misslichen Lage zu begleiten. Denn selbst ihm wird langsam klar: Für alle hier ist Zeit vergangen, nur er steht still. Alle haben ihren Platz gefunden, während er mental frisch von der Abi-Feier nach Hause kommt. „Like a Loser“ spielt dieses Ungleichgewicht nun nicht in unzähligen Gags durch. Das Buch (Sandra Schröder, Jonas Heicks) komprimiert das komische Potential auf zwei, drei Begegnungen und serviert dann auch schon den großen Moment (und Cliffhanger) der Auftaktfolge: Julians Jugendliebe Marie (Tinka Fürst), die sich zu einem Drink hat breitschlagen lassen, ist einfach mal ganz offen. Sie hat einen 15-jährigen Sohn namens Ernst und Julian ist der Vater.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Es wäre ein Leichtes gewesen, Loser Julian nun als Voll-Honk durch die folgenden Wirrnisse, peinlichen Verwechslungen und Abenteuer laufen zu lassen. Das Script und Ben Münchow aber machen mehr daraus. Mit seiner naiven „Der-will-doch-nur-spielen“-Tapsigkeit zieht Münchow das Publikum auf charmante Art auf seine Seite. Gleichzeitig verhilft dem 33-jährigen Hobby-Musiker, der für die Rolle des Hubertus in dem Kinofilm „Rockabilly-Requiem“ 2016 mit dem Max-Ophüls-Preis als bester Nachwuchs-Darsteller ausgezeichnet wurde, die Affinität zur Musik. Münchow nimmt man den einsamen Straßen-Gitarristen genauso ab wie den verbissenen Rockfan, der angesichts einer grandios untalentierten Band-AG verzweifelt. Die erste Probestunde mit der Schulband überrascht außerdem mit Tom Beck („Alarm für Cobra 11“, 2008-2013) in einer für ihn ungewöhnlichen Rolle. Neben Direktor Stöfgen (Beck) glänzen weitere Vertreter des Kollegiums beim Elternsprechtag in Episode drei. „Like a Loser“ setzt hier auf eher unbekannte Darsteller (Thekla Viloo Fliesberg, Daniel Drewes, Jochen Kolenda) und verleiht dem nach der „Fack yu Göthe“-Trilogie reichlich abgegrasten Schauplatz „Schule“ so ein eigenes, frisches Gesicht.
Foto: ZDF / Frank Dicks
Die Schule in Altdorf offenbart sich in „Like a Loser“ äußerlich so wenig verändert wie Julians Jugendzimmer mit Plastik-Dino auf dem Regal. Während die Ausstattung innen auf stimmige Details achtet (ja, der Physiklehrer steht hinter einem Backsteinpult) beherrscht draußen bunte Farbigkeit und helles Licht die Szenerie. Das etwas zu Grelle passt zu dem oft eher taumelnden als geradeaus gehenden Protagonisten. In ausgesuchten Momenten wechselt Regisseur Facundo Scalerandi (mitwirkender Regisseur bei „How to sell Drugs online fast“, 2019/2021, „King of Stonks“, 2022 vierte Folge) zu kurzen Rückblenden in Schwarzweiß. Sie erzählen keine eigene Geschichte, sondern illustrieren das in der Gegenwart aufploppende Moment einer Figur – nicht ohne es gleich wieder ironisch zu brechen. Durch die Bank findet „Like a Loser“ dabei Bilder, die mehr sagen als Worte. Ironie spielt ebenso beim Sound eine Rolle, der auch mal bewusst in die Irre führt. So beim Einsatz pathetischer Streicher in dem Moment, in dem Julian glaubt, seinen Sohn endlich gefunden zu haben und wir schon ahnen, dass er wieder mal daneben liegt.
Wie zu erwarten, entspricht der wahre „Ernst“ nicht ganz den Vorstellungen seines Vaters. Beide machen kein Drama daraus. Jungdarsteller Diyar Ilhan gelingt es hervorragend, als Ernst gleichzeitig verpeilt und wunderbar klar zu agieren. Dazu schenkt ihm das Dialogbuch ein paar sehr schöne Sätze. Und weil sich die Dinge des Lebens im Comedy-Genre schnell drehen, bleibt dem unverhofften Vater-Sohn-Gespann gar keine Zeit, um qua Altersunterschied Hierarchien zwischen sich zu errichten. Im Gegenteil: An der Seite seines Sohnes und als dessen Partner-in-Crime lässt sich Julian genüsslich in alte Rollen fallen. Zur Halbzeit der Serie torpedieren die beiden so ein Rendezvous zwischen Marie und Direktor Stöfgen. Und der Zuschauer weiß genau, dass auch dieses Glück nur von kurzer Dauer sein wird. Gleichzeitig ist gewiss: Hier wollen alle nur spielen. Witzig bleibt das bis zum Schluss.