Große Gefühle sind Kinosache. Auf dem Bildschirm wirken sie oft deplaziert. Mark Schlichter hat es dennoch versucht. Vier Schicksale verwoben in eine archaische Geschichte um Liebe, Tod und Freundschaft. Unterstützt wird der Regisseur von einem großartigen Schauspieler-Quartett. Und man fragt sich in diesem Boxer-Drama, wer das beste Pokerface aufsetzen kann: die Machorollen-erfahrenen Heinz Hoenig und Richy Müller oder nicht sogar die beiden Shootingstars, Wotan Wilke Möhring und die so zerbrechlich wirkende Alexandra Maria Lara.
Die Rumänin ist das Gesicht des Films, eines echten Männerfilms. Die Erinnerung ihrer Marie an ihren geliebten Champion Benno, wenige Stunden nachdem er brutal erschossen wurde, und an dessen Mentor, das Ekelpaket Grosny, bestimmt den Gang der Dinge. In dem scheinbar ausdruckslosen Gesicht der Lara spiegelt sich die Tragödie dreier Menschen: eine Geschichte der Leidenschaft, die Leiden schafft und aus der es kein Entrinnen gibt. “Jedes Element scheint auf den ersten Blick aus dem Arsenal der Schwarzen Serie, der großen Boxerdramen und der großen Liebesfilme bekannt zu sein”, so ZDF-Redakteur Daniel Blum.
Vom Cliquenfilm “Ex” über “Schimanski” bis zum Kumpel-Blues “Rote Glut” – Liebe, Freundschaft, Verrat, das sind Themen, die sich durch das bemerkenswerte Werk von Mark Schlichter ziehen. “Mich interessiert die Frage, wie es dazu kommen kann, dass sich Menschen gegenseitig verraten, obwohl sie einander zugetan sind.” Dass es ausgerechnet eine Frau ist, die sich bei ihrer Glückssuche gegen Misstrauen, Gier & Unterdrückung der harten Männer-Sport-Geld-Show-Welt zu wehren versucht, war für Schlichter ein besonderer Reiz.
“Liebe und Verrat” ist der Versuch, Pathos und große Genregefühle im alltagsrealistisch erzählten Fernsehfilm zu etablieren. Augen-Blicke, Hollywood-Regen, Kino-Ikonografie – das kann sich sehen lassen und bleibt doch seltsam blutleer. Die Reduktion der Geschichte, sonst oft die Stärke eines Genre-Stücks, in “Liebe und Verrat“ offenbart sie gerade die Banalität des Geschehens. Was bleibt ist vor allem das Gesicht von Alexandra Maria Lara und die Gewissheit, dass von ihr noch viel zu erwarten sein wird. (Text-Stand: 25.2.2002)