Labaule & Erben

Ochsenknecht, Inka Friedrich, Irm Hermann, Morreis. Humanist in einer kaputten Welt

Foto: SWR / Violet Pictures / Waisburd
Foto Rainer Tittelbach

Ausgerechnet Schöngeist & Bonvivant Wolfram Labaule soll seinen Vater, eine süddeutsche Verlegerlegende, beerben. Vom Zeitungmachen versteht er ebenso wenig wie vom Geschäft. Dennoch will der jahrelang nur Belächelte sich und dem Toten beweisen, dass er es kann! Der Verfechter des Wahren, Schönen, Guten kommt gehörig ins Schleudern ob eines Zeitgeistes, den er nicht verstehen kann und den er schlussendlich auch nicht verstehen will. Haben wir es in „Labaule & Erben“ (SWR / Violet Pictures UG, Zeitsprung Pictures) mit einem Idealisten zu tun, der sich von einer unmoralischen Geschäftswelt demoralisiert sieht? Oder mit einer Parabel, die einem zeigt, was passieren kann, wenn Menschen am falschen Platz sind und dort ihr inkompetentes Unwesen treiben? Die 270 Minuten ermöglichen beide Lesarten. Die sechsteilige Serie besticht durch leise Ironie, gelegentliche Tonlagen-Breaks und gute, nicht übertrieben pointierte Dialoge. Herzstück aber sind die Charaktere und die Besetzung mit einer Reihe großartiger Komödianten. Die Inszenierung ist zweckdienlich bis stilvoll, und die Geschichte bekommt ein kluges, rundes Finale, das eine Fortsetzung nicht ausschließt.

Ausgerechnet Wolfram Labaule (Uwe Ochsenknecht) soll seinen Vater, eine süddeutsche Verlegerlegende, beerben. Bisher beschränkte sich das Leben des Freiburger Bonvivant aufs Lesen schöngeistiger Klassiker, auf die ehrenamtliche Tätigkeit in diversen Literaturpreisjurys und auf süßes Nichtstun. Vom Zeitungmachen versteht er ebenso wenig wie vom Geschäft. Dennoch will er alles versuchen, um den Verkauf des Verlags an den Erbfeind seines Vaters A.G. Prescher (August Zirner) zu verhindern. Seine ins Ländle geeilte, seit Jahren in Uruguay lebende Mutter Marianne (Irm Hermann), hat dagegen keinerlei moralische Bedenken. „Der Journalismus ist so tot wie dein Vater und dein Bruder“, ätzt sie – und stellt die Weichen auf Verkauf. „Verleger – bin ich denn da der Typ dafür?“, fragt sich Wolfram zwar, aber der Drang, sich – wenn auch nur postum – von seinem alten Herren zu emanzipieren, von dem der Versager-„Wolfi“ Zeit seines Lebens nur belächelt wurde, ist groß und auch seine bessere Hälfte, die in einer Stiftung engagierte Esther (Inka Friedrich), gibt ihm Rückendeckung: einfach mal machen. Seine erwachsenen Kinder sind ihm keine Hilfe: Sohn Tristan (Lukas Rüppel), den seine intrigante Großmutter im Verlag bewusst als Chaosmacher installiert hat, vergrößert mit seinen kostspieligen Ideen das Finanzloch des Medienunternehmens, und die emotional unstete Tochter Constanze (Lena Dörrie) hat genug mit sich selbst zu tun.

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Familie Labaule nimmt Abschied vom Patriarchen und seinem Sohn. Vorne: Esther Labaule (Inka Friedrich), Wolfram Labaule (Uwe Ochsenknecht) und seine Mutter Marianne Labaule (Irm Hermann), dahinter Faktotum Bernd (Nils Dörgeloh), Vanessa (Jil Funke), Sohn Tristan (Lukas Rüppel) und Tochter Constanze (Lena Dörrie)

Es überrascht nicht, dass es Harald Schmidt war, einer der klügsten Köpfe in der Hoch-Zeit des populären Fernsehens, der die Idee zu „Labaule & Erben“ hatte; geht es in der SWR-Serie doch um einen Mann mit humanistischer Bildung, der sich von einem Tag auf den anderen im schnöden Alltag des praktischen Lebens bewähren muss. Labaule, der Verfechter des Wahren, Schönen, Guten kommt gehörig ins Schleudern ob eines geschäftstüchtigen Zeitgeistes, den er nicht verstehen kann und den er schlussendlich auch nicht verstehen will. Ein Belletristik-Fan, der bei einer Zeitung allenfalls das Feuilleton lesen würde, noch dazu ein Mann, der Angst vor der freien Rede hat, als Blatt-Verantwortlicher – das kann nicht gut gehen… Gleich zum Auftakt, in „Der Nachfolger“, macht sich der neue Herausgeber wenig Freunde. Ein Fall, der dem Journalismus im Dezember 2018 quasi den „Spiegel“ vorhält: Eine Fotografenlegende hat eine Foto-Reportage über die Kriegsgräuel in Syrien gefaked. Ein Widerruf muss her, doch als ausgerechnet dieses Stück einen renommierten Journalistenpreis bekommen soll, eiert sich Labaule aus der Affäre, was ihm seine Redaktion schwer übelnimmt. In „Wandertag“ wird ihm ein Personalcoach (Michael Ostrowski) an die Seite gestellt. „Du bist der Leader“, impft dieser dem Verunsicherten ein. Ein Nature Boot Camp mit dem gesamten Führungspersonal des Verlags wird zum Desaster, derweil der Sohnemann als Innovationsmanager – ganz zur Freude seiner Großmutter – im Verlag Tabula Rasa macht. Und Labaules automobilkritisches Meinungsstück mit dem Fazit „statt dem nächsten Neuwagen lieber mal was Neues wagen“ bringt ihm nicht nur viel Beachtung in den sozialen Netzwerken, sondern auch bei der Automobilbranche – was Anzeigenverluste im zweistelligen Millionenbereich nach sich zieht.

Labaule & ErbenFoto: SWR / Violet Pictures / Waisburd
Erste Folge, erste Szene: ein unheimlich komischer Abgang. Gernot Labaule (Attila Georg Braun) und sein Vater Christian (Dietrich Hollinderbäumer) haben Spaß. Keiner von beiden gönnt dem anderen den Triumph, als erster abzusteigen.

Haben wir es bei Wolfram Labaule mit einem Idealisten zu tun, der sich vom Pragmatismus der Geschäftswelt anno 2018 zunehmend demoralisiert sieht? Oder ist diese sechsteilige Serie eine Art Parabel, die einem zeigt, was passieren kann, wenn Menschen am falschen Platz sind und dort ihr inkompetentes Unwesen treiben? Die 270 Minuten ermöglichen beide Lesarten. Was aber das Wesen des Helden angeht, so erkennt man als Zuschauer schnell: Dieser Mann ist kein Aufschneider, sondern eher einer, der sich anfangs zögerlich aus der Komfortzone herausbegibt und der sich und seinen Liebsten etwas beweisen will. Uwe Ochsenknecht spielt Laubaule als einen Anti-Entscheider zwischen Pflicht & Neigung, nicht als lächerlichen, sondern allenfalls tragikomischen Charakter. Und da im Schwarzwald weniger kaputt gehen kann als mit einem Dilettanten auf der Weltbühne, verzichten die Autoren Richard Kropf, Bob Konrad, Hanno Hackforth (alle drei für „4 Blocks“ mit Lob und Preisen überschüttet) und Anneke Janssen auf kräftig satirische Züge und setzen auf mehr oder weniger leise Ironie. So entwickeln diese Familiengeschichten mit Firmenanbindung kein bitterböses Dekadenz-Scenario wie etwa David Schalkos Miniserie „Altes Geld“; allerdings ist „Labaule und Erben“ auch weder eine kreuzbrave Dynastie-Saga noch so bodenständig und heimatverbunden wie die SWR-Komödienserie „Die Kirche bleibt im Dorf“. Die Blatt-Geschichten sind gut ausgewählt und die Ereignisse auf der horizontalen Erzählebene dramaturgisch überzeugend eingefädelt; noch zwingender als die Handlung sind allerdings die Charaktere, die von tollen Schauspielern veredelt werden: Uwe Ochsenknecht, Inka Friedrich, Irm Hermann, Marlene Morreis und Michael Ostrowski – das sind Komödianten erster Güte, sie können Szenen den gewissen Kniff geben. Aber auch Episodenhauptdarsteller wie Bernd Stegemann oder Jockel Tschiersch bringen eine kraftstrotzende und hemdsärmelige Komik ins Spiel, die von einem leisen Loser-Humor, wie ihn wunderbar Nils Dörgeloh, Lena Dörrie und gelegentlich auch Hauptdarsteller Ochsenknecht verkörpern, kontrastiert werden. Der Wechsel der Tonlagen ist bei dieser Serie kein Nachteil. Denn das bringt unter anderem auch Vielfalt in die Dialoge.

Labaule & ErbenFoto: SWR / Violet Pictures / Waisburd
„Du bist schon arg.“ Charismatische Miststücke. Marianne Labaule (Irm Hermann) genießt die Zuwendung von Tillmann Blomeier (Michael Ostrowski), der ihre Intrigantenkunst bewundert.

Die Autoren haben aber auch andere gute Ideen. Dadurch, dass sie die Hauptfigur immer wieder Kontakt mit dem Vater aufnehmen lassen (Labaule ruft ihn regelmäßig an und spricht auf dessen Mailbox), betonen sie einerseits dessen Über-Ich über den Tod hinaus und ermöglichen für den Zuschauer eine Art Innensicht des Helden, der ja trotz Ehefrau und Ex-Geliebter nur selten jemanden hat, der ihm zuhört. Auch zahlreiche Themen der Zeit fließen am Rande und eher beiläufig in die Handlung ein: Team Building in der Natur, Nachhaltigkeit, Gender-Fragen („Drohst du mir jetzt etwa sexuelle Gewalt an?“), die Krise des Journalismus inklusive Finanzierungsprobleme, die Politik von Stiftungen, die Macht der Lebensmittellobby etc. – es sind dabei die Figuren, die bestimmte Haltungen an den Tag legen, allerdings nicht als „Botschafter,“ sondern genregemäß mit dem nötigen Augenzwinkern. Die Serie macht von Folge zu Folge mehr Laune. Das mag dem typischen horizontalen Flow geschuldet sein, der in „Labaule & Erben“ weitgehend identisch ist mit der zunehmenden Nähe zum Hauptpersonal, das liegt aber auch an der Zuspitzung der Geschichte. In Folge 4, „Preisverdächtig“, taumelt die Hauptfigur in Richtung Tiefpunkt. Das ist höchst identifikationsträchtig. In der fünften Folge dann, „Der Heiner kommt“, scheint der Held auf dem langen Weg der Selbsterkenntnis einen ganz großen Schritt zu machen – und ein Ex-Geliebter von Esther Labaule könnte ihm dabei helfen: Deutschlands berühmtester, allerdings auch egozentrischster Theaterregisseur verspricht Labaules Zeitung ein Exklusiv-Interview, das erste seit 30 Jahren. Dafür muss bzw. darf der verkappte Blattmacher bei ihm den Hamlet spielen. „Die Verzweiflung, das Identitätslose, das alles bringst du mit“, schwärmt der Theatermacher. Und beschaut man sich seine Mutter und seinen Sohn, dann wird plötzlich dieser Labaule auch im echten Leben zum Hamlet. Und ein Familiengeheimnis sorgt für weitere Tristesse beim Helden.

Labaule & ErbenFoto: SWR / Violet Pictures / Waisburd
„Die Verzweiflung, das Identitätslose, das alles bringst du mit.“ Labaule soll den Hamlet geben. Die auch ästhetisch beste Folge der SWR-Serie: „Der Heiner kommt“

Die Serie besitzt einen furiosen Soundtrack:
Willie Nelson („Blue Skies“), Harry Nilsson („Gotta Get Up“), Scott Walker („The Old Man’s Back Again“), J.J. Cale („The Problem“), Erlend Øye („Say Goodbye“), Alamo Race Track („Black Cat John Brown“), The Meters („Hand Clapping Song“), Warren Zevon („My Shirts Fu..ked Up“), Nathaniel Ratecliff & The Night Sweats („S.O.B.“), Sufjan Stevens („The Only Right“), Chris Isaak („Wicked Game“), Bryan Ferry („Casanova“), Rolling Stones („You Can’t Always Get What You Want“ / No Expectations“), Freddie King („Going Down“), Chiacago („25 Or 6 To 4“), John Cale („Big White Cloud“), The Kinks („A Well Respected Man“)

Die gute, zweckdienliche und recht stilvolle Inszenierung von Boris Kunz („Hindafing“) sprengt in dieser Episode den ästhetischen Rahmen, das aber entspricht durchaus dem Plot: Die Tiefe der Geschichte, die Welt des Theaters und der universalen Sinnfragen, spiegelt sich in den Bildern. In der ebenfalls sehr dichten Schlussfolge scheint sich der Held wieder zu sehnen nach seiner Luftmatratze im Pool, eine mehrfach zitierte Metapher für Labaules Mentalität, und er rechnet ab mit dieser kaputten Welt. „Die ganze Welt ist Ärger“, lautet sein Fazit. Und er sucht wieder ein bisschen mehr Menschlichkeit. „Ich will einfach, dass Menschen wieder ‚bitte‘ und ‚danke‘ sagen und die Blumen gießen, wenn der Nachbar im Urlaub ist – und eine gute Zeitung und meine Luftmatratze.“ Sein Schlussplädoyer beantwortet nicht nur Sinnfragen, die sich der Held selbst stellt, es verbindet zugleich die Episoden-Handlungen und es rundet die Narration der Serie ab, die bis kurz vor Schluss ein Schicksal als klassische Miniserie zu nehmen scheint. Doch eine köstliche, unerwartete Komödien-Wendung eröffnet zumindest die Möglichkeit einer Fortsetzung. Das Potenzial für sechs weitere 45-Minüter hat „Labaule & Erben“ allemal. (Text-Stand: 23.12.2018)

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Serie & Mehrteiler

SWR

Mit Uwe Ochsenknecht, Inka Friedrich, Marlene Morreis, Irm Hermann, Michael Ostrowski, Lukas Rüppel, Jil Funke, August Zirner, Felix von Manteuffel, Nils Dörgeloh, Lena Dörrie, Amelie Kiefer, Bernd Stegemann, Robert Dölle, Emily Cox, Simon Licht

Kamera: Tim Kuhn

Szenenbild: Veronika Merlin

Kostüm: Bettina C. Proske

Schnitt: Max Fey

Redaktion: Thomas Martin, Kerstin Freels

Produktionsfirma: Violet Pictures, Zeitsprung Pictures

Produktion: Alexis von Wittgenstein, Michael Souvignier, Till Derenbach

Drehbuch: Richard Kropf, Bob Konrad, Hanno Hackforth, Anneke Janssen, Elena Senft – nach einer Idee von Harald Schmidt

Regie: Boris Kunz

EA: 10.01.2019 22:00 Uhr | SWR

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