Kurzschluss hoch drei

Anke Engelke, Matthias Brandt, Pläging, Litenbjörn. Neue unterhaltsame Silvester-Tradition

Foto: WDR / Niels-Jonas Simons / btf
Foto Thomas Gehringer

„Aller guten Dinge sind drei“: Den Glückskeks-Spruch beherzigt auch Autor Claudius Pläging, der die tragikomischen Silvestertreffen von Bettina (Anke Engelke) und Martin (Matthias Brandt) mit „Kurzschluss hoch drei“ (WDR / btf) weiter ausbaut. Der Ortswechsel von Moosbach nach Berlin könnte allerdings kaum ernüchternder ausfallen, denn diesmal schließen sich die beiden auf dem schäbig-grauen Dach von Martins Mehrfamilienhaus aus. Es geht weniger turbulent zu als in den ersten beiden Episoden, dafür wird es – dem tristen Schauplatz zum Trotz – eine Spur romantischer. Engelke und Brandt spielen wieder mit feinem Gespür für die komischen und ernsten Seiten ihrer Figuren: zwei nicht mehr ganz so junge Menschen, die sich fragen, ob sie noch einmal den großen Sprung wagen sollen.

Der Fahrstuhl bleibt stecken: Das ist eine naheliegende Idee für ein drittes Komödien-Kammerspiel mit Bettina Maurer (Anke Engelke), der ehemaligen Moosbacher Bürgermeisterin, und Martin Hofmann (Matthias Brandt), ihrem einstigen Schulkameraden, der nun in Berlin lebt. Doch allzu lange sind die beiden nicht gefangen in dem rumpelnden Lift, der sie bis zur „Dachterrasse“ des Hauses befördern soll, in dem Martin wohnt. Es reicht immerhin für ein komisches Gespräch mit dem Typen, der sich auf ihren Notruf über die Gegensprechanlage meldet und der am Silvesterabend die Ruhe weg hat. Als sich der Aufzug überraschend schnell doch bequemt, die Fahrt fortzusetzen, schickt ihnen die Helferstimme die bekannteste Zeile aus Hermann Hesses „Stufen“-Gedicht hinterher: „In jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“ Das zu Tode zitierte „Stufen“-Pathos gäbe auch einen prima Glückskeks-Spruch ab, aber wie sich am Ende erweisen wird, haben Bettina und Martin einen „sehr, sehr guten Glückskeks-Jahrgang“ erwischt. Und der spielt für den schönsten aller bisherigen Cliffhanger in der „Kurzschluss“-Trilogie keine geringe Rolle.

Kurzschluss hoch dreiFoto: WDR / Niels-Jonas Simons / btf
Berlin ist keine Reise wert. Durch ein Missgeschick bringen sich Bettina (Anke Engelke) und Martin (Matthias Brandt) in die blöde Situation, dass sie den Silvesterabend erneut an einem ungemütlichen Ort verbringen müssen. Eine Anti-Romantic-Comedy

Weniger schön ist der Schauplatz von „Kurzschluss hoch drei“. Die „Terrasse“ erweist sich als tristes Flachdach, alles ist grau und schmutzig, auf der Erde liegt ein toter Vogel. Und weil die Tür zugefallen ist und Martin keinen passenden Schlüssel dabei hat, sind beide an Silvester zum dritten Mal auf engem Raum eingesperrt. Von Berlin ist nichts weiter zu sehen als das Nachbarhaus gegenüber, das allerdings nur rund zwei Meter entfernt ist und in dem hinter einem erleuchteten Fenster eine Frau (Georgina Philp) tanzt – immerhin buchstäblich ein Lichtblick an diesem einsamen Ort. In der Ferne hört man Knaller und Feuerwerk, ab und zu sieht man das Aufleuchten der Raketen am Himmel, aber die Silvester-Party ist im dritten Film weiter entfernt denn je. Dass laut Abspann gleich sieben Personen für das prägnante Tristesse-in-der-Großstadt-Szenenbild verantwortlich waren, ist jedenfalls ungewöhnlich. Ohnehin macht Berlin insgesamt keine gute Figur. Hilferufe interessieren hier keine Sau, behauptet Martin, der sich allerdings auch im Gespräch mit der Frau im Haus gegenüber nicht sehr geschickt anstellt. Während es vor allem in „Der zweite Kurzschluss“ durchgehende Nebenrollen gab, bleiben Engelke und Brandt nun praktisch auf sich allein gestellt.

Mit dem „Kurzschluss“-Titel war vordergründig Martins Versuch im ersten Film gemeint, mit einer Haarnadel Bettinas EC-Karte aus dem Geldautomaten zu holen. Der dabei ausgelöste Stromausfall blockierte die Tür des Bankvorraums und die Geschichte nahm ihren Lauf. Auch die immer noch etwas unklare Beziehung der beiden kommt nicht ohne Kurzschlüsse aus, aber im abgelaufenen Jahr sind sie sich doch näher gekommen, waren im September gemeinsam an der Ostsee, hatten Sex. Aber danach war wieder Stromausfall. Jetzt will Bettina endlich sehen, wie Martin lebt – und stellt fest, dass der vermeintlich erfolgreiche E-Commerce-Unternehmer ein wenig dick aufgetragen hat, möglicherweise nicht nur die „Dachterrasse“ betreffend. Ohne klamaukige Szenen und (fast) ohne Ablenkung durch Nebenfiguren wird die „Kurzschluss“-Trilogie deutlicher als bisher zu einer romantischen Komödie im Kammerspiel-Format. Da ist nicht zuletzt dank des famosen Zusammenspiels von Anke Engelke und Matthias Brandt eine unterhaltsame Silvester-Tradition entstanden, die eine Alternative zu den üblichen Ritualen („Ein Herz und eine Seele“, „Dinner for One“ etc.) darstellt.

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Fernsehfilm

WDR

Mit Anke Engelke, Matthias Brandt, Georgina Philp, Katharina Kron, Max Bierhals, Axel Boxhammer, Vladimir Pavic

Kamera: Kristian Leschner

Szenenbild: Leoni Werle, Stephanie Schulz, Sandra Brühwiler, Josh Rindfleisch, Marc Winterhagen, Lars Borrmann, Pit Schnell

Kostüm: Hannah Leiner, Bianca Winkel, Amira Nuß

Schnitt: Benjamin Ikes

Musik: Vivan Bhatti, Ketan Bhatti, Carsten Meyer

Redaktion: Leona Frommelt

Produktionsfirma: btf

Produktion: Philipp Käßbohrer, Matthias Murmann

Drehbuch: Claudius Pläging

Regie: Jänta Litenbjörn

EA: 29.12.2024 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

weitere EA: 30.12.2024 23:25 Uhr | ARD

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