Kripo Bozen – Wer ohne Spuren geht

Chiara Schoras, Hutter, Raab, Oertel. In Südtirol ermittelt man anders – eher privat!

Foto: Degeto / Marco Nagel
Foto Rainer Tittelbach

Dass italienische Lebensart und deutsche Mentalität sich auch in der ARD-Krimi-Reihe „Kripo Bozen“ aneinander reiben, darf erwartet werden; doch wirkt dieser Culture-Clash in „Wer ohne Spuren geht“ nie überzogen. Südtirol ist als Schauplatz mit deutschsprachigen Schauspielern authentischer als beispielsweise Brunettis Venedig oder Özakins Istanbul. Realistisch geerdet wird der Film von Marcus Ulbricht zudem von den privaten Geschichten, die nicht nur dadurch in den Vordergrund rücken, dass der Ehemann der Heldin in den Fall verstrickt sein könnte. Gut gecastet, mysteriös, rauhe Natur, ein gewagter Cliffhanger

„Bolzano arrivo“. Mit gemischten Gefühlen tritt die zuletzt bei der Frankfurter Kripo arbeitende Sonja Schwarz (Chiara Schoras) bei ihrem neuen Arbeitgeber in Bozen ihren Dienst an. Für die Kommissarin ist es keine Strafversetzung, sondern die letzte Chance für sich und ihren Mann Thomas (Xaver Hutter), als Paar wieder zueinander zu finden. Der kommt aus Südtirol, wo ihm ein Teil eines Weinguts gehört, das ihm nun den Neuanfang ermöglichen soll, mit dem er seine private und auch seine berufliche Krise zu bewältigen hofft. Das Ganze hat für Sonja aber einen entscheidenden Haken: Die Ex-Schwiegermutter (Lisa Kreuzer) ihres Mannes, hat den Tod ihrer Tochter noch immer nicht überwunden und lässt Sonja überdeutlich ihre Ablehnung spüren. Also zieht Frau Kommissarin erst einmal ins Hotel, lernt dort einen attraktiven süditalienischen Kollegen (Tobias Oertel) kennen und hat im Übrigen auch noch zwei „Tötungsdelikte“ aufzuklären. Den Mord an einem Apotheker aus Padua und einem 15-jährigen Mädchen, das seit zehn Jahren verschwunden war. Durch Zufall stießen Sonja und ihr Kollege Kirschbaumer sen. (Hanspeter Müller-Dossaart), ein Gemütsmensch, bei ihrem ersten gemeinsamen Einsatz in den Bergen auf das Skelett des Teenagers.

„’Kripo Bozen’ ist kein lieblicher Heimatfilm. Das mag ein wenig an ‚Fargo’ erinnern, ist aber keineswegs skurril und nicht Arthaus, sondern eher Mystery in einer archaischen Landschaft, die selbst Hauptdarsteller ist.“ (Marcus Ulbricht)

Kripo Bozen – Wer ohne Spuren gehtFoto: Degeto / Marco Nagel
Mysteriöse Momente im Auftakt zur „Bozen-Krimi“-Reihe am ARD-Donnerstag. Chiara Schoras, Gabriel Raab & Marion Mitterhammer in „Wer ohne Spuren geht“

Mit „Kripo Bozen“ startet eine weitere ARD-Krimi-Reihe am Donnerstag. Beim Blick auf die Ermittler-Landkarte im näheren Ausland stießen die Degeto und die JoJo Film- und Fernsehproduktion nun auf jenen weißen Fleck Norditaliens, der als Handlungsort den Vorteil besitzt, dass viele Einheimische in dieser Region Deutsch sprechen. Zwar spielen auch hier Österreicher und Deutsche Italiener, aber es entsteht hier in Südtirol ein ganz anderes, sehr viel authentischeres Klima als beispielsweise in Brunettis Venedig oder Özakins Istanbul, wo man die Gastbesetzung stets ein bisschen auf Italienisch oder Türkisch trimmen muss. Die Sprachbarriere wird in der Auftakt-Episode „Wer ohne Spuren geht“ zumindest immer wieder thematisiert. Dass man in der Familie sowie auf dem Weingut Deutsch spricht, ist ja ohnehin natürlich, und dass man bei der Polizei die Sprache Goethes pflegt, ist in diesem Fall – eine Frankfurter Kollegin in Bozen – aber auch nicht ganz unrealistisch. Dass jene Sonja Schwarz von der Deutschen Chiara Schoras (war bereits ermittelnd tätig in „Countdown – Die Jagd beginnt“ & „Kommissar LaBréa“) gespielt wird, deren Mutter Italienerin ist, wirkt wie eine hübsche Casting-Randnote, die das heutige selbstverständlich gewordene multikulturelle Klima, das die Reihe indirekt widerspiegelt, auch besetzungstechnisch noch bestärkt.

Dass italienische Lebensart und deutsche Mentalität sich auch in „Kripo Bozen“ aneinander reiben, darf zu recht erwartet werden; doch wirkt dieser Culture-Clash in „Wer ohne Spuren geht“ nie überzogen. Ohnehin erden die privaten Geschichten den Film von Marcus Ulbricht nach dem Drehbuch von Qualitäts(viel)schreiber Jürgen Werner (5mal „Tatort“ Dortmund). Die Beziehungen um die sympathisch als konzentrierte Hightech-Ermittlerin im rauen Bergweltklima von Schoras gespielte Heldin dominieren zum Einstand sogar noch den Krimi. Der wird besonders dann interessant, als sich offenbar eine Verbindung zwischen dem Mordopfer des alten Falls und dem Mann der Kommissarin herstellen lässt. Dass dieser Mord in Folge numero uno nicht aufgelöst wird und das Rätsel um den Ehemann bestehen bleibt und effektvoll im Schlussbild eingesetzt wird, das wäre treffend für eine Reihe, die mit zwei Episoden startet, für einen Krimi, auf dessen Fortsetzung der Zuschauer mindestens ein Jahr warten muss, ist ein solcher Cliffhanger indes gewagt und könnte Frustgefühle erzeugen.

Kripo Bozen – Wer ohne Spuren gehtFoto: Degeto / Marco Nagel
Der Schein trügt. Die Ex-Schwiegermutter ihres Mannes macht Sonja das Leben schwer und ihre Ehe steht auf dem Prüfstand. Charleen Deetz, Lisa Kreuzer, Chiara Schoras & Xaver Hutter

Inszeniert ist „Kripo Bozen“ gleichermaßen mit dem Blick für Menschen wie Landschaften. In den Totalen dominiert die raue Natur; auf touristisch attraktive Alpenpanoramen verzichten Ulbricht und Kameramann Ludwig Franz. Da die kriminalistischen Mühlen in Südtirol langsam mahlen, ist die Entscheidung für mehr Privatleben sicher auch eine dramaturgische gewesen; bis Spusi- oder Laborergebnisse vorliegen, bleibt einfach genügend Zeit, um Beziehungskrisen zu kitten oder noch anzufeuern. Entsprechend wird in „Wer ohne Spuren geht“ der Erzähl-Rhythmus auch der Landschaft angepasst. Zu viel Tempo würde da nur aufgesetzt & albern wirken – und so liebäugelt Autor Jürgen Werner eher mit nachhaltigem Drama und bald auch mit einem mysteriösen Grundton, der gut zu jener Gegend im Schatten der Dolomiten passt.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ARD Degeto

Mit Chiara Schoras, Xaver Hutter, Gabriel Raab, Marion Mitterhammer, Lisa Kreuzer, Tobias Oertel, Hanspeter Müller-Dossaart, Charleen Deetz

Kamera: Ludwig Franz

Szenenbild: Jost Brand-Hübner

Schnitt: Thomas Zachmeier

Musik: Mario Lauer

Produktionsfirma: JoJo Film- und Fernsehproduktion

Drehbuch: Jürgen Werner

Regie: Marcus Ulbricht

Quote: 5,16 Mio. Zuschauer (15,8% MA)

EA: 29.01.2015 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach