Kommissarin Lucas – Tote Erde

Kriener, Myhr, Richter, Viebrock, Bernardi. Solider Themenkrimi mit Schwächen

Foto: ZDF / Barbara Bauriedl
Foto Tilmann P. Gangloff

Es geht zwar nicht um „Fridays for Future”, aber die Motive einer engagierten Schülergruppe sind ähnlicher Natur: Das Trio fordert eine radikale Wende in der Landwirtschaft und hat womöglich einen Bauern auf dem Gewissen, der beim Brand einer Scheune mit giftigem Pflanzenschutzmittel ums Leben gekommen ist. Das Thema ist ehrenwert, die Umsetzung weniger: In der zweiten Hälfte kommt dem 29. Film aus der Krimireihe „Kommissarin Lucas“ mit Ulrike Kriener, „Tote Erde“ (ZDF / Olga Film), die innere Spannung abhanden. Nur bedingt gelungen ist auch die Führung der jungen Darsteller, die zum Teil übers Ziel hinausschießen, zumal die Figuren in ihrem heiligen Eifer selbst ein junges Publikum nicht zur Identifikation einladen werden. Schade, dass das Buch die Parallelen zu ’68 nicht weiter verfolgt, als sich eine militante Minderheit in den Untergrund verabschiedete.

Als das Drehbuch zu diesem Krimi entstanden ist, konnte niemand ahnen, welch’ weltweiten Zuspruch die Schulstreikaktion „Fridays for Future“ haben würde. Die Geschichte des 29. Falls für Ellen Lucas (Ulrike Kriener) spricht für das gute Gespür von Autor Mike Viebrock: Die Regensburger Hauptkommissarin wird mit drei Gymnasiasten konfrontiert, die die Welt retten wollen und ein radikales Umdenken fordern. Die Aktionen der Gruppe gelten vor allem dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Offenbar hat das Herbizid jedoch bald ausgedient: Ein Regensburger Biotechlabor, das von einem großen Chemiekonzern unterstützt wird, hat eine Alternative namens Phytosat erfunden, die nicht gesundheitsschädlich ist.

Natürlich kommt dann alles ganz anders, sonst wäre „Tote Erde“ im Nu vorbei, und irgendwie muss ja auch noch ein Krimi aus der Handlung werden. Deshalb beginnt der Film nach einem Prolog, in dem das Thema angerissen wird, mit einem Scheunenbrand, bei dem ein Landwirt ums Leben kommt. Der Mann war aber wohl bloß ein sogenannter Kollateralschaden, der Anschlag galt anscheinend einem Pflanzenschutzmittelvorrat. Weil der Hof verschuldet ist und das Opfer eine beträchtliche Risiko-Lebensversicherung abgeschlossen hatte, verdächtigt Lucas’ Chef Boris Noethen (Michael Roll) trotzdem den Bruder des Toten; die beiden haben den Betrieb gemeinsam geführt. Tatsächlich gibt es diverse Indizien, die den Bauern (Markus Brandl) erheblich belasten. Regisseurin Sabine Bernardi („Club der roten Bänder“) führt jedoch auf eine andere Fährte und damit die Zuschauer an der Nase herum, indem sie das junge Trio unmittelbar vor dem Ereignis konspirativ beim Aufbruch zeigt. Außerdem gibt es ein Video über eine aggressive Auseinandersetzung zwischen den Jugendlichen und dem Opfer. Endgültig zum Rätsel wird der Fall, als einer der Schüler mit gebrochenem Genick gefunden wird: Der junge Mann hat ein Praktikum bei Neox gemacht, jenem Start-up-Unternehmen, das Phytosat entwickelt hat. Das Herbizid steht kurz vor der Zulassung, die Firma kann daher keine schlechten Nachrichten brauchen. Die Geschäftsführerin (Genija Rykova) ist zwar offenkundig äußerst ehrgeizig, aber eigentlich gehört Neox zu den Guten.

Kommissarin Lucas – Tote ErdeFoto: ZDF / Barbara Bauriedl
Krimi-Routine: Spurensicherung am Fundort des toten Paul. Jördis Richter, Lasse Myhr und Ulrike Kriener

Die Geschichte ist interessant und mal was Anderes. Natürlich gibt es einigen Erklärungs-Bedarf, weil das Thema Unkrautbekämpfung komplizierter ist, als die Parolen auf den Protestplakaten nahelegen, aber Viebrock hat die entsprechenden Ausführungen gut in die Dialoge integriert. Ähnlich geschickt geht der Film mit dem Umweltschutzgedanken um: Ellen Lucas hat ihre Jugend in den Sechzigern verbracht (jedenfalls ist Kriener Jahrgang 1954) und kann sich bestens in die jungen Leute hineinversetzen, zumal sie amüsiert zur Kenntnis nimmt, dass die Wortführerin gern Che Guevara zitiert.

Allerdings gibt es auch unüberhörbare Schwächen bei der Umsetzung: Junge Schauspieler ohne Ausbildung sind zwar stets eifrig bemüht, aber vielen fehlt die nötige Reife, um Emotionen richtig zu dosieren; deshalb reduzieren gerade männliche Jugendliche ihre Figuren oft auf Zorn. Kommt dann, wie in diesem Fall, noch eine Mission hinzu, ist das Ergebnis ein heiliger Eifer, der eher abschreckend als ansteckend wirkt. Natürlich entspricht das ebenso wie der deklamatorische Tonfall der Parolen sowie die schlichte Aufteilung der Welt in Gut und Böse bis zu einem gewissen Punkt der Realität, aber das macht es in „Tote Erde“ schwer, Sympathien für die beiden Überlebenden des Trios zu empfinden. Vermutlich dürften sich selbst junge Zuschauer nicht zur Identifikation eingeladen fühlen: Luna Jordan wird als Wortführerin Marie von der Regisseurin, die zuletzt das tragikomische Familiendrama „Ein Ferienhaus auf Teneriffa“ und mit „Böser Boden“ (2017) einen NDR-„Tatort“ über ein zumindest verwandtes Thema (Fracking) gedreht hat, betont burschikos und derart cool inszeniert, dass sie bei der Nachricht vom Tod des Landwirts nicht mal mit der Wimper zuckt; das ist nicht besonders glaubwürdig. Gefühle zeigt sie erst, als Lucas sie mit einer früheren Freundin (Emilie Neumeister) konfrontiert, die mitten in einer Sabotage-Aktion ausgestiegen ist und seit einem anschließenden Unfall im Rollstuhl sitzt.

Etwas konstruiert wirkt auch das Motiv von Maries Mitstreiter David (Bruno Alexander), zumal das Drehbuch hier eine Chance verpasst. Die weitaus überwiegende Mehrheit der Umweltaktivisten äußert ihren Protest friedlich, aber irgendwann, warnt Noethen, „fliegt der erste Stein“. Zu Ende gedacht führt der Gedanke zurück ins Jahr 1968, als eine militante Minderheit innerhalb der Studentenbewegung zunächst zum „Kampf gegen Sachen“ aufrief und später als „Rote Armee Fraktion“ die Republik erschütterte. Der Schluss, als David die Forschungseinrichtung in die Luft jagen will, ist davon nicht weit entfernt, aber Viebrock vertieft den Gedanken nicht weiter. Das Finale ist zwar trotzdem einigermaßen fesselnd, doch bis dahin geht dem Film in der zweiten Hälfte die innere Spannung verloren. Die Bildgestaltung (Oliver Maximilian Kraus) ist allerdings sehr sorgfältig.

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Reihe

ZDF

Mit Ulrike Kriener, Lasse Myhr, Jördis Richter, Luna Jordan, Bruno Alexander, Michael Roll, Markus Brandl, Tilo Prückner, Norman Hacker, Genija Rykova, Anand Batbileg Chuluunbaatar

Kamera: Oliver Maximilian Kraus

Szenenbild: Gabi Pohl

Kostüm: Eva Kantor

Schnitt: Andschana Eschenbach

Musik: Thomas Osterhoff.

Soundtrack: Glass Animals („Toes“)

Redaktion: Wolfgang Feindt

Produktionsfirma: Olga Film

Produktion: Ulli Weber

Drehbuch: Mike Viebrock

Regie: Sabine Bernardi

Quote: 4,40 Mio. Zuschauer (19,6% MA)

EA: 31.08.2019 20:15 Uhr | ZDF

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