Kommissarin Lucas – Goldrausch

Ulrike Kriener, Klaußner, Brückner, Kiefer, Busche, Janson. Am Golde hängt doch alles

Foto: ZDF / Barbara Bauriedl
Foto Tilmann P. Gangloff

Der zweite Nürnberg-Fall aus der ZDF-Reihe „Kommissarin Lucas“ mit Ulrike Kriener zieht mit seinen Ausflügen in die Welt der Reichsbürger zunächst immer größere Kreise, entpuppt sich aber schließlich als Tragödie. Sehenswert ist „Goldrausch“ (Olga Film) nicht zuletzt wegen Burghart Klaußner in der Rolle als Familienoberhaupt, zumal es ihm gelingt, dem strengen Vater trotz allem ein gewisses Mitgefühl zu sichern. Bemerkenswert ist neben den weiteren durchweg überzeugenden Gast-Schauspielern auch die Bildgestaltung: Der Film wirkt, als habe ein Filter in der Kamera sämtliche fröhlichen Farben aussortiert. Die hoch konzentriert agierende Titelfigur, die sich am wohlsten bei der Arbeit fühlt, sowie die Grundstimmung der Reihe haben in der neuen Umgebung noch an Strenge gewonnen.

Ein Mann kommt in Bademantel und blutigem Schlafanzug zur Polizei und sagt, er habe seine Tochter erschossen. Tatsächlich liegt die junge Frau tot im Heizungskeller ihres Elternhauses. In der Wirklichkeit wäre der Fall damit vermutlich erledigt, im TV-Krimi selbstredend nicht, selbst wenn es außer den Erinnerungslücken des Vaters zunächst keine Hinweise gibt, die Zweifel an dem Geständnis wecken könnten. Es ist eher ein Gefühl, das Ellen Lucas (Ulrike Kriener) vermuten lässt: Hier stimmt was nicht; auch wenn sie natürlich nicht ahnen kann, welche Kreise ihre Ermittlungen noch ziehen werden. Wolfgang Löhns (Burghart Klaußner), der mutmaßliche Mörder, ist in den letzten Jahren immer tiefer in einen Verschwörungssumpf abgerutscht und überzeugt, dass das Weltwirtschaftssystem kurz vor dem Zusammenbruch steht. Er hat in der Finanzkrise 2008 viel Geld verloren und anschließend alle Aktien in Gold umgetauscht. Da er den Banken misstraut, sind die Barren nicht etwa in einem Schließfach deponiert, sondern irgendwo versteckt. Je tiefer Lucas im Leben des Mannes gräbt, desto beunruhigender werden die Dinge, die sie zu Tage fördert: Erst stößt sie auf eine Gruppe von Reichsbürgern, dann auf ein Waffenlager inklusive Panzerabwehrrakete. Was als scheinbare Familientragödie begann, wird schließlich ein Fall für den Staatsschutz.

Kommissarin Lucas – GoldrauschFoto: ZDF / Barbara Bauriedl
Steckt hinter der Verzweiflung von Wolfgang Löhns eine Tragödie? Der Mann stellt sich. Er sagt, dass er seine Tochter mit einem Einbrecher verwechselt habe. Ein Fall, den Lucas noch nicht zu den Akten legt. Klaußner und Kriener sind die halbe Miete für dieses intensive Krimi-Drama. Mit dem Wechsel nach Nürnberg (und dem Tod von Tilo Prückner) fehlen „Kommissarin Lucas“ zwar die augenzwinkernden Breaks, dafür sind die Fälle konzentriert, sehr klar und aufs Wesentliche reduziert. Dies entspricht ganz dem Charakter der Titelfigur.

In dieser unvorhersehbaren Entwicklung liegt der Reiz der Geschichte. „Goldrausch“ ist die 32. „Kommissarin Lucas“-Episode und die zweite nach dem Umzug der Titelheldin von Regensburg nach Nürnberg. Das neue Team fremdelt allerdings noch etwas mit der Chefin. Lucas war nie eine herzliche Führungsperson. Die Menschen um sie herum durften ihr zuarbeiten, aber mehr auch nicht. Damit kommt vor allem der Kollege Fitz (Sebastian Schwarz) nicht klar, weshalb die Stimmung im Revier von einer gewissen Spannung geprägt ist. Das war in den dreißig Filmen zuvor meist nicht anders, aber damals gab es dank der ruppig-herzlichen Szenen zwischen Lucas und ihrem Vermieter Max einen ebenso amüsanten wie sympathischen Ausgleich. Dieses Element fehlt seit dem Tod von Max-Darsteller Tilo Prückner (2020); Anke Engelke als leicht verschrobene Schwester spielt schon seit einigen Jahren keine Rolle mehr. Das kann man bedauern. Andererseits treffen die beiden Nürnberg-Fälle noch konsequenter den Ton der Titelfigur. Die hoch konzentriert agierende Helen Lucas, die sich schon immer am wohlsten und sichersten bei der Arbeit fühlte, sowie die Grundstimmung der Reihe haben in der neuen Umgebung noch an Strenge gewonnen.

Christoph Busche („Mitten in Deutschland: NSU. Die Ermittler: Nur für den Dienstgebrauch“) konzentriert sich bei seinem ersten Drehbuch für die Reihe ohnehin auf die Familie Löhns, weshalb Lucas und damit auch der Film nach dem Ausflug zu den Verfassungsfeinden wieder zum Anfang zurückkehren. Der alte Löhns, ein Witwer, hat zwei Söhne. Der jüngere, Markus (Johannes Klaußner), hat sich vom Leistungsdruck verabschiedet und betreibt mit seiner Frau (Amelie Kiefer) ein Yogastudio. Der ältere, Johannes (Maximilian Brückner), hat sich als Finanzberater selbstständig gemacht, aber beträchtliche Schulden, er könnte das Vermögen seines Vaters gut gebrauchen, doch der Schatz ist verschwunden; ebenso wie die Tatwaffe. Der Anschein, der Film orientierte sich an Gretchens Erkenntnis „Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles“ (aus Goethes „Faust“), trügt jedoch: Trotz dieses durchaus handfesten Motivs wandelt sich „Goldrausch“ mehr und mehr zu einer Familientragödie, in der nicht zuletzt der viele Jahre zurückliegende Tod der Mutter eine entscheidende Rolle spielt.

Kommissarin Lucas – GoldrauschFoto: ZDF / Barbara Bauriedl
Die Löhns-Brüder sind sich nicht grün. Immer gibt es Streit. Das Gold des Vaters könnten sie beide gut gebrauchen. Johannes (Maximilian Brückner) hat sich finanziell übernommen, Markus (Johannes Klaußner) will wieder nach Goa und das Leben genießen; gibt allerdings vor, kein Interesse an den Werten des alten Herren zu haben.

Regie führte Uwe Janson, dessen Arbeiten stets auch optisch bemerkenswert sind. Die Bilder wirken, als habe ein Filter in der Kamera (Birgit Bebe Dierken) sämtliche fröhlichen Farben aussortiert, sodass am Ende bloß noch lehmfarbene Brauntöne übrig geblieben sind. Die Rückblenden in die Mordnacht sind rätselhaft und verdeutlichen im Zusammenspiel mit Geisterbahngelächter Löhns’ Verwirrtheit, zumal das Personal seiner Erinnerungen ständig wechselt. Außerdem erfreut der Film mehrfach durch ungewöhnliche Perspektiven: Als sich Fitz auf ein Scharmützel mit vermeintlichen Rechtsterroristen einlässt, scheint die Kamera wie ein Kobold auf seinem Rücken zu hocken. Das Ensemble ist ohnehin durchweg sehenswert. Maximilian Brückner schreit zwar viel und lacht laut, und dass der Zwist zwischen den Brüdern mehrfach in Handgreiflichkeiten ausartet, wirkt etwas übertrieben, doch die Idee, den jüngeren der beiden Löhns-Söhne mit dem Klaußner-Sohn Johannes zu besetzen, verleiht den Familienszenen einen zusätzlichen Reiz. Burghart Klaußner wiederum gelingt das Kunststück, dem Oberhaupt, das seine Kinder mit Hilfe der verstorbenen Mutter ständig zu Höchstleistungen angetrieben hat, dennoch eine gewisses Mitgefühl zu sichern. Seelisch verletzt sind sie alle, aber der Alte ist die tragischste Figur der Geschichte.

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Reihe

ZDF

Mit Ulrike Kriener, Burghart Klaußner, Maximilian Brückner, Sebastian Schwarz, Claudia Kottal, Johannes Klaußner, Amelie Kiefer, Heinz-Josef Braun, Gilbert von Sohlern, Felix Everding

Kamera: Birgit Bebe Dierken

Szenenbild: Gabi Pohl

Kostüm: Eva Kantor

Schnitt: Andschana Eschenbach, Benjamin Kaubisch

Musik: Michael Klaukien

Redaktion: Solveig Cornelisen

Produktionsfirma: Olga Film

Produktion: Ulli Weber

Drehbuch: Christoph Busche

Regie: Uwe Janson

Quote: 5,59 Mio. Zuschauer (22,4% MA)

EA: 23.04.2022 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 30.04.2022 20:15 Uhr | ZDF

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