Eine Frauenleiche wird aus der Donau geborgen. Die Tote, Angestellte einer Regensburger Privatbank, wollte den bayerischen Behörden kurz zuvor eine brisante Datensammlung verkaufen. 1,8 Millionen Euro hatte sie für die Steuersünder-CD ausgehandelt. Außerdem sollte sie ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Ellen Lucas ist fest davon überzeugt, dass der Mord und das illegale Geschäft der Steuerfahndung in engem Zusammenhang stehen. „Mit Mördern macht man keine Geschäfte“, giftet sie den ehrgeizigen Steuerfahnder Merdinger an. Der grantelt zurück: „Es geht um mehr als Mord, es geht um Steuergerechtigkeit“ – und erwirkt, dass man den Hauptverdächtigen auf freien Fuß setzt, um den Daten-Deal doch noch erfolgreich abzuwickeln. Lucas ist fassungslos auch über die Haltung ihres Vorgesetzten. Aber ist jener zynische Geldjongleur Christian Wittbach überhaupt der Mörder oder hat sich die engagierte Kommissarin mal wieder verrannt?
„Ich glaube nicht an den Typus Dagobert Duck, der mit Dollarzeichen in den Augen den ganzen Tag in Geld baden möchte. Hinter den gierigen Bankern stecken Menschen, die auch nur Angst haben, ihren Job zu verlieren. Das ist ein sehr aktuelles Phänomen.“ (Regisseur Ralf Huettner)
Der in „Gierig“ erzählte Fall ist fiktiv – allerdings lieferte die Realität im 15. ZDF-Einsatz von „Kommissarin Lucas“ einen aktuellen, authentischen Aufhänger. „Die Geschichte hat uns die Möglichkeit gegeben, einen ganzen Handlungsstrang lang bei den möglichen Tätern zu bleiben, ohne den Zuschauer wissen oder ahnen zu lassen, ob sie es tatsächlich waren“, betont Regisseur Ralf Huettner. Das ist dramaturgisch überzeugend gelöst. Der Film bleibt durchgängig spannend – auch weil sich zwischen den handlungsführenden Charakteren grundsätzliche ideologische Gegensätze auftun und die Autoren und der Regisseur diese Diskrepanzen nicht zu Grundsatzdebatten aufbauschen. Diese Diskrepanzen bestimmen vor allem den zwischenmenschlichen Umgangston. Ellen Lucas gibt mal wieder die Unerbittliche – und das bringt sie physisch zum Ausdruck. Ruppig bis zur Unhöflichkeit ermittelt sie in den ersten Filmminuten, der Disput mit dem von Herbert Knaup gewohnt überzeugend verkörperten Steuerfahnder wird situativ und sinnlich, aber letztlich nicht dramaturgisch hochgejazzt. Der von Devid Striesow gespielte Banker ohne Gewissen gerät mehr und mehr in den Fokus – und mit ihm seine schön leidende Frau und ein Unternehmer, dem die Steuersünder-CD noch mehr als den Behören wert ist.
Striesow trifft die psychologischen Zwischentöne seines schwierigen Charakters, macht aus dem potenziellen Ekel einen Menschen, den der „Hunger“ treibt, dessen Verhalten vom schnöden Mammon infiziert wurde, dem die Emotionen und der Wunsch, geliebt zu werden, allerdings hinter seinem Pokerface nicht verloren gegangen sind. Und auch Kriener gibt kein Abziehbild der „schwierigen Frau“. Sie gibt ihre Lucas nicht als eine, die unbedingt eine Eins in Sachen Haltungsnote haben will. Die Autoren machen Lucas nicht – anders als oft beim „Tatort“ – zum Sprachrohr und Agenten des Themas. Die Regensburger Kommissarin ist authentisch. Ihr Ton macht die Musik. Apropos Ton: die drei, vier komischen Einlagen mit Engelke, Kriener & Prückner werden kontrapunktisch gesetzt. So verwässern sie nicht das Drama und verharmlosen nicht die Gier, die sich als Leitmotiv durch diesen gelungenen Krimi zieht. Diese Gier! Dass neben Striesow auch noch Jeanette Hain diesen Film von Grimme-Preisträger Huettner veredelt, ist eine hübsche Fußnote: denn beide spielten in Dieter Wedels „Gier“!