„Ihr habt es nicht anders verdient; Ihr habt es euch selber zuzuschreiben.“ Der 17jährige Nikolas Hrubesch ist geradezu besessen vom Thema Amoklauf. In der Vergangenheit begnügte er sich mit dem Zeichnen von Gewaltvideos und dem Dokumentieren legendärer „School Shooting“-Fälle. Doch dann hält er plötzlich eine Waffe in den Händen und nimmt eine Videobotschaft auf, die ihn zum mutmaßlichen Täter eines Amoklaufs macht… An einem Wiesbadener Gymnasium sind drei Menschen erschossen worden. „Nicht viel für einen Amoklauf“, findet Jungkommissarin Winnie Heller. Ihr Kollege Hendrik Verhoeven hat während des Einsatzes und danach andere Probleme: seine Tochter geht auf dieselbe Schule – außerdem stellt sich heraus, dass sie gemobbt wird. Mobbing dürfte auch das Motiv für die Bluttat sein. Der tatverdächtige Junge ist erst mal abgetaucht. Was die Ermittlungen erst spät ergeben: auch Nötigung und erpresste Vergewaltigung gehören zum Wiesbadener Schulalltag.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
Der dritte Fall für „Kommissarin Heller“ im ZDF. Die Titelheldin, die nach wie vor einen Sack voller psychischer Probleme durch den 90-Minüter trägt, „liest“ zwar alsbald den Tatort, aber so richtig weiß sie sich keinen Reim zu machen auf die nicht ganz Amoklauf-typische Situation und auf diese Teenager, die ihr mit Unschuldsmiene von Problemschüler Nikolas und den getöteten, unbeliebten Mitschülern berichten. Dem Zuschauer geht es bei „Querschläger“ nicht anders. Dieser allerdings bekommt mehr Informationen und somit mehr Material zum Enträtseln des Falles. Der Film von Christiane Balthasar beginnt mit der lebensbedrohlichen Situation in der Schule; die Dramatik des ohnehin packenden Szenarios sowie der Empathie-Faktor werden noch erhöht durch die Beteiligung der Verhoeven-Tochter und die Betroffenheit des Vaters. Die Bildsprache bleibt dennoch sachlich und distanziert; Kameramann Hannes Hubach und Cutter Andreas Althoff vermitteln vor allem die Panik, die in den Klassenräumen und Gängen entsteht. Der vermummte Todesschütze wird nicht als Monstrum inszeniert, und die Todesschüsse fallen in der Totalen – sie wirken gezielt und zugleich beiläufig.
Die kluge, in jeder Hinsicht maßvolle Inszenierung ist das Kernstück des Films. Die suggestive Ästhetik mit ihren optischen Verfremdungen und einem glasklaren Look passt gut zum jungen Milieu und zu der kantigen, eigenwilligen Kommissarin. Die Schule als Schauplatz, in Krimis häufig zu sehen, wird hier nicht überstrapaziert. Dafür bekommt in „Kommissarin Heller“ das Privatleben der beiden Ermittler mehr Gewicht – dieser dritte Fall gewinnt dadurch ganz besonders. So langsam erkennt man in diesen Geschichten mehr als eine bloße narrative Setzung: Winnie Heller mit dem Schmerz über den Tod ihrer Schwester, der problematischen Elternbeziehung und einem One-Night-Stand mit einem SEK-Mann bekommt Konturen und auch Verhoeven ist ein Familienvater-Kommissar, wie man ihn länger nicht gesehen hat. Und so langsam zahlt sich auch die Besetzung mit Lisa Wagner und Hans-Jochen Wagner aus. Den Fall, sprich: die Situationen und Bilder, sollte man am Ende zwar besser nicht retrospektiv auf (Psycho-)Logik hin genau sezieren und analysieren – der Film in seinem Verlauf aber bleibt ein durchweg neugierig machendes, nie langweiliges Krimi-Stück, das mit seinen Hauptfiguren und Subplots punktet. Wir sind sehr gespannt auf mehr! (Text-Stand: 27.12.2014)