Geht in Wiesbaden ein Serienmörder um? Jedenfalls sind zwei junge Frauen innerhalb weniger Tage auf ähnliche Weise ermordet worden – erwürgt, aufgebahrt wie ein Mahnmal, dekoriert mit Blumen. Eine dritte Frau befürchtet offenbar, das nächste Opfer zu werden. Sie fühlt sich verfolgt, verriegelt ihre Wohnung, behält aber ihre Angst für sich. Kommissarin Heller wird auf die Frau aufmerksam, weil die beiden Toten in demselben Fitnessstudio Mitglied waren, in dem sie Selbstverteidigungskurse für Frauen gibt. „Angreifen“, fordert sie, „Ihr dürft keine Opfer sein!“ Als Heller jene Hannah Lorenz offen auf ihre Situation als vermeintliches Stalking-Opfer anspricht, leugnet diese. Erst nachdem der Täter in ihrer Wohnung war, offenbart sie sich. Ein Schatten hat sich vor 12 Jahren auf ihr Leben gelegt. Damals traf sie sich mit einem sensibel wirkenden Mann, der sich alsbald als „Psycho“ entpuppte und sie fortan nicht mehr in Ruhe ließ. Sie ist davon überzeugt, dass er sie wieder aufgespürt hat und dass die Morde ihr ein Zeichen geben und ihr seine Machtposition deutlich machen sollen. Für die Kommissarin klingt das alles plausibel, allein besagter Rafael ist seit mehreren Jahren tot.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
„Der Beutegänger“, die zweite Episode aus der neuen ZDF-Samstagskrimireihe „Kommissarin Heller“, entwickelt eine klassische Thriller-Situation Marke Frau in Gefahr, eingebunden in einen typischen Ermittlerkrimi-Plot. Entsprechend wird der Täter nach dem ersten Drittel des Films offen geführt. Der Spannung tut dies keinen Abbruch, sie verlagert sich nur: von der Tätersuche zum genretypischen Bedrohungsszenario. Der Zuschauer befindet sich schneller als Heller mit dem Täter auf Augenhöhe. Drehbuchautor Mathias Klaschka und Regisseurin Christiane Balthasar verzichten auf eine klare, durchgängige Erzählhaltung, was auch die Perspektive der Kamera einschließt. Anfangs ist es die Frau, auf die sich der Blick des Zuschauers richtet: das potenzielle Opfer, das kein Opfer sein möchte, aber sich ohnmächtig fühlt gegenüber dem allmächtigen Aggressor. Später, nachdem jene Hannah Lorenz von heller aus der Schusslinie genommen wurde, gerät der Täter ins Zentrum der Handlung, bevor schließlich die Titelheldin die Regie in diesem geschlechterrollenspezifischen Machtspiel übernimmt und selbstbewusst & frech einen Rollentausch initiiert. Das, was das potenzielle Opfer ihrem Selbstverteidigungskurs einbläut – Winnie Heller setzt es im Schlussdrittel wirkungsvoll um: Sie kann so richtig lästig sein, bis dem Täter das große Kotzen kommt.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
Was den Handlungsverlauf angeht, ist diese „Kommissarin-Heller“-Episode somit durchaus „inhaltlich“ schlüssig entwickelt. Die Geschichte orientiert sich stimmig an der Psyche der weiblichen Hauptfigur. Die krasse Setzung als eigenwillige Einzelgängerin, die lieber auf Intuition setzt als auf als auf „altmodische Polizeiarbeit“, wie sie ihr bräsiger Kollege Hendrik Verhoeven bevorzugt, kehrt Lisa Wagners Spiel nie zu deutlich hervor. Die beiden Welten, hier die Frau, die so taff wirkt und im Verdrängen seelischer Probleme ein Profi ist, dort der Mann, der sich zwischen zwei Frauen verloren fühlt und sich in blinde Eifersucht flüchtet, werden weder zum Gegensatzpaar, das sich nicht riechen kann, aufgebaut, noch auf Augenzwinkern komm raus auf Harmonie gebürstet. Den Wein, mit dem Verhoeven, der Trost spenden will, nach dem Tod von Hellers Schwester vor ihrer Tür steht, den nimmt sie gern, ihren stoffeligen Kollegen will sie aber lieber nicht in der Wohnung haben. Und als dieser später fragt: „Mögen Sie keinen Chopin?“, da ist keine Antwort auch eine Antwort – der Gesichtsausdruck von Lisa Wagner sagt ohnehin alles. Eines steht fest: Mit dieser Schauspielerin ist das Potenzial dieser Figur nicht so schnell ausgereizt.
„Der Beutegänger“ beginnt mit einem Mord im Weinberg und endet nach einem kurzen, knalligen Showdown trotz des schweren Themas, ein Mensch zerstört systematisch das Leben eines anderen, leicht im Abgang. Fazit: Ein handwerklich grundsolider, ebenso straight erzählter wie harmloser Gebrauchskrimi, an dem es wenig auszusetzen gibt.