Mitunter treibt die Arbeit der ARD-Tochter Degeto schon seltsame Blüten. Immer wieder schickt sie deutsche Darsteller in die Fremde, damit sie dort einheimische Kommissare spielen. Nach den „Italienern“ Uwe Kockisch (Commissario Brunetti) und Henry Hübchen (Commissario Laurenti) übernahm 2009 Francis Fulton-Smith die Rolle des Pariser Ermittlers Maurice LaBréa, was angesichts seiner britischen Wurzeln erst recht nicht zu passen schien. Von den kriminalistischen Kaffeefahrten nach Venedig sind die Zuschauer solcher Reihen zudem gewöhnt, dass die Sehenswürdigkeiten einen erklecklichen Anteil an den Ausflügen ausmachen. Dieser Aufgabe schien sich Sigi Rothemund, der auch die Verfilmungen der Donna-Leon-Romane inszeniert, schon im flotten Vorspann entledigen zu wollen: So schnell wie im ersten Film der bereits wieder eingestellten Reihe hat man Paris noch nie gesehen.
Der Film selbst erreicht dieses Tempo allerdings wie zu erwarten in keiner Minute des Films. Statt dessen signalisiert schon der erste Auftritt von Francis Fulton-Smith, dass sich die Fans von „Familie Dr. Kleist“ nicht grämen müssen: Die gemeinsamen Szenen LaBréas mit seiner elfjährigen Tochter Jenny (Leonie Brill) gehorchen dem gewohnten ARD-Standard für Familienfernsehen. Dann aber vertreibt die Geschichte jedes Wohlgefühl, und das gleich doppelt: Der Kommissar ist von Marseille nach Paris gezogen, nachdem seine Frau erstochen worden ist. Kein Wunder, dass ihm sein erster Fall besonders nahe geht: Ein Serienkiller ermordet scheinbar wahllos Frauen aus dem Viertel an der Bastille. Sein Markenzeichen ist ein blutiger Fußabdruck an der jeweiligen Wohnungstür. Einzige Gemeinsamkeit der Opfer ist ihr Wohnort, weshalb sich LaBréas Assistentin Claudine (Chiara Schoras) auf einen riskanten Plan einlässt: Sie wird den Lockvogel spielen. Tatsächlich läuft sie dem Täter über den Weg, wird aber niedergestochen; und seine jüngste Untat hat er da schon längst verrichtet.
Foto: Degeto / Martin Menke
Die brutalen und reichlich blutigen Morde stehen in krassem Gegensatz zur immer wieder betulichen Erzählweise: Das Drehbuch (Alexandra von Grote adaptierte ihren eigenen Roman „Tod an der Bastille“) schwankt zwischen fesselnder Ermittlungsarbeit und Soap-Episoden. Salbungsvoll predigt Fulton-Smith da von „Werden und Vergehen“, wenn er mit der Tochter über den Tod ihrer Mutter spricht; auch die Gespräche mit Nachbarin Céline (Valerie Niehaus), einer praktischerweise alleinstehenden und ständig verfügbaren Künstlerin, sind typischer Degeto-Stil. All das aber ist noch gar nichts gegen Hugo, den ständig fegenden Hausmeister, den Hans Peter Korff als impertinente Nervensäge verkörpert.
Da man in Paris alle hundert Meter an historischen Gebäuden vorbeikommt, gibt es viel Augenfutter für die unvermeidlichen Zwischenschnitte. Eher ungelenk sind dafür diverse Details (wenn LaBréa vom väterlich-freundlichen Ermittlungsrichter auf seine tote Frau angesprochen wird, muss er reflexhaft seinen Ehering drehen); und wenn in einem Stadtviertel innerhalb von einer Woche drei junge Frauen ermordet worden sind, wird wohl niemand mehr nachts allein durch die Straßen laufen. Optisch ist der Film durchaus aufwändig (die Bildgestaltung besorgte Rothemunds Stammkameramann Dragan Rogulj) und das Finale packend (der Killer entführt LaBréas Tochter). Außerdem hat Fulton-Smith zwischendurch Gelegenheit anzudeuten, dass er mehr drauf hat als den braven Familienvater.