Ob Nel Innes den Krebs besiegt hat, ist noch nicht ganz sicher – dennoch nimmt sie in ihrem New Yorker Restaurant, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Marc führt, schon wieder viel zu viel selbst in die Hand. Dass dieser sie in den letzten Jahren mit einer Angestellten betrogen hat, dürfte für die Heilung nicht gerade förderlich sein. War es die Krankheit, die Marc in die Arme der Anderen getrieben hat, oder ist er nur wegen der Krankheit bei Nel geblieben? Der Krebs scheint bei allem im Weg zu stehen – bei der Liebe, beim Sichtrennen, bei der zweiten Chance. Auch Nels Vater hat offenbar falsche Rücksichten genommen. Jetzt droht ihr, dass sie den Ort ihrer Kindheit, das Weingut „Paradise Fields“, verliert. Sie will dieses Stück Heimat nicht aufgeben, will selbst das abgewirtschaftete Unternehmen wieder aufpäppeln. Doch sie hat einen eisernen Konkurrenten, der das Gut auf Massenweinproduktion umstellen will. Dass dieser ein hartnäckiger Geschäftsmann ist und beide sich offensichtlich anziehend finden, macht die Sache nicht leichter. Und auch Marc hofft offenbar noch auf ein Happyend.
„Geschenkte Jahre“ aus der Katie-Fforde-Reihe ist eine Selbstfindungsmär nach alter Mütter Sitte, ein Melodram, das Krankheit und das Verlorengehen von Liebe, Verrat und Neuanfang zu einer Geschichte vermengt, die irgendwo zwischen zeitgeistig aufgepepptem Rührstück und Ich-will-alles-Romanze hängenbleibt. Die Kurve zum Drama wird nicht genommen. Der Krebs bleibt melodramatische Hintergrundmusik, allein dazu da, der Handlung gelegentlich etwas mehr Dramatik zu verleihen. Dramaturgisch ist das Krebs-Motiv allerdings durchaus stimmig in die Interaktionen im Film eingepasst: Mit dem Krebs kann es kein Sterblicher aufnehmen, entsprechend eine Liebende und Geliebte auch nicht mit einer krebskranken Ehefrau. Das ändert nichts daran, dass der Tonlagen-Mix insgesamt wenig gelungen ist. Die lebensphilosophischen Erkenntnisse bewegen sich allenfalls auf Küchenpsychologie-Niveau. Bis kurz vor Tore-Schluss darf man – als unachtsamer Zuschauer – immer noch miträtseln, wer denn nun in diesem ZDF-Sonntagsmelodram die schöne, lebenskluge Frau bekommt.
Für den Ehemann spricht die Besetzung mit Harald Krassnitzer, die Einsicht des Gatten, einen großen Fehler gemacht zu haben und vielleicht die Wiederherstellung des Familien-Glücks, das aber auch im „Herzkino“ schon längst keinen Wert an sich mehr darstellt und realistischeren Liebeskonzepten gewichen ist. Gegen den Ehemann spricht sein Zögern, sein ewiges Gezaudere, seine Sorgenmiene und seine Worte („weil ich nicht mehr weiß, auf welche Art ich sie liebe“); all das wirkt wenig sexy. Für den Großkonzernbesitzer spricht dessen Selbstsicherheit, seine Kampfeslust, sein Äußeres. Mit diesem Mann dürfte mehr zu holen sein als mit dem zum Freund mutierten Ehemann. Eine hübsche Idee: die Eltern reden (in Anwesenheit ihrer Tochter) immer öfters im Chor; beide haben sich angeglichen wie ein in die Jahre gekommenes Ehepaar. Dagegen triezt sich das neue Paar in spe von der ersten Begegnung an – stets auf Augenhöhe, kraftvoll und mit freundlich parlierter Boshaftigkeit.
Die leicht ironischen bis sarkastischen Repliken zwischen den beiden Weinberg-Liebhabern sind im Übrigen – neben der guten Besetzung, die den Film letztlich aber nicht über Katie-Fforde-Durchschschnitt heben kann – das Bemerkenswerteste an „Geschenkte Zeiten“. Außerdem fällt die Geschlossenheit ins Auge; ein klassisches dramaturgisches Konzept (das Motiv der Freiheit zieht sich durch den Plot), das aber im modernen Fernsehen nur noch eine Qualität darstellt, wenn es zumindest ästhetisch reizvoll in Szene gesetzt wird. Ansonsten konnotiert man mit „Geschlossenheit“ heute „Abgeschlossenheit“ oder „Abgestandenheit“. Nur leider bricht das ZDF-Stück filmsprachlich nicht aus dem funktionalen Genre-Korsett aus. Die vorfilmische Realität, die Landschaften, New York, alles das ist reizvoller als deren Darstellung. „Geschenkte Zeiten“ plätschert dahin, ist weitgehend ohne Inspiration erzählt. Sinnbildlich dafür steht die Musik: ein billiges Easy-Listening-Gedudel. Gegen den Krebs ist schwer anzukommen, ist eine der Botschaften der Geschichte. Das gilt offensichtlich genauso für die Jahrzehnte alten (Bild-)Stereotypen des romantischen Genres. (Text-Stand: 30.9.2014)