Genau genommen kommt die Serie zwanzig Jahre zu spät. „Irgendwas mit Medien“: Der Trend hat sich in den Nullerjahren verflüchtigt, als die Medienbranche dem Angriff des Internets nicht viel entgegenzusetzen hatte. Trotzdem gibt es diesen diffusen Berufswunsch natürlich nach wie vor, zumal sich im Netz mittlerweile gutes Geld verdienen lässt. Aber der Medienaspekt steht ohnehin nicht im Zentrum dieser vortrefflichen Mockumentary. Die acht Folgen à jeweils circa 25 Minuten erzählen von einer Antiheldenreise: Lennart ist ein Wichtigtuer, der sich für mindestens hochbegabt hält, weshalb es aus seiner Sicht vermutlich selbstverständlich ist, dass ihn ein Filmteam durch sein erstes Semester begleitet. Der junge Mann, Einzelkind einer alleinerziehenden Mutter, sieht sich als Mittelpunkt der Welt, präsentiert stolz die Urkunden, die er im Verlauf seiner Jugend gesammelt hat, war Klassenbester in Philosophie und erlebt als selbsternannter Überflieger an der Uni prompt eine Bruchlandung: Leute wie du, macht ihm Tutor Simon sinngemäß klar, gibt es hier in rauen Mengen. Gleichermaßen witziger- wie tragischerweise kriegt Lennart jedoch überhaupt nicht mit, dass er mit seiner überheblichen Art auf keinerlei Gegenliebe stößt; „Irgendwas mit Medien“ ist auch eine achtteilige Lektion in Fremdschämen.
Foto: MDR / UFA / Sascha Hoecker
Die kreativen Köpfe hinter dieser Serie sind Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach: Sie spielen die beiden Hauptrollen, haben die Drehbücher geschrieben und Regie geführt, und sollte das Duo als Team weitermachen, werden die Preise, die sie für „Irgendwas mit Medien“ hoffentlich bekommen, garantiert nicht die letzten sein. Ihr liebevoller sanfter Spott gilt nicht nur dem braven Lennart (Muhshoff), der eigentlich ein armes Würstchen ist, weil ihm das Leben mitleidlos vor Augen führt, dass die raue Wirklichkeit nach anderen Regeln funktioniert als sein behütetes Kleinstadtdasein. Unbedingt sehenswert und ein großer Spaß für alle (ehemaligen) Studierenden ist die Serie auch als Satire auf die akademische Welt, die an der Bauhaus-Uni in Weimar vielleicht noch etwas akademischer ist als anderswo. Ein Genuss ist schon allein der von Dominique Horwitz mit großer Freude verkörperte selbstverliebte Professor Maulhardt, Dozent für Textilkunst, dessen Weltbild erschüttert wird, als Lennart in einem Anfall von Wagemut sein Meisterwerk für ein Kostümfest klaut. Perfekt getroffen ist auch der ranschmeißerische Filmprofessor (Valentin Emil Lubberger), der sich für unglaublich cool hält; sein Seminar „Ästhetik des Seins“ hat allerdings keinerlei praktischen Nutzwert.
Lennarts Gegenentwurf repräsentiert ebenfalls einen wohlbekannten Typus: Langzeitstudent Simon (Kaltenbach) nimmt stets den Weg des geringsten Widerstands. Das Tutorial zu Semesterbeginn macht er bloß wegen der Creditpoints, die es dafür gibt. Bei der Auswahl seiner Kurse zählt grundsätzlich nur ein Kriterium: Wo muss er möglichst wenig Aufwand betreiben? Dass zwischen diesen beiden grundverschiedenen jungen Männern so etwas wie eine Freundschaft entsteht, ist völlig unrealistisch, zumal schon die erste Begegnung wie in einer romantischen Komödie denkbar schlechte Voraussetzungen für gegenseitige Wertschätzung schafft; natürlich ist die Beziehung gerade deshalb wie in allen „Buddy-Movies“ ein Quell diverser Heiterkeiten. Spätestens gegen Ende, als Lennart im Rahmen eines Kreativitäts-Wettbewerbs eine krachende Niederlage erlebt und aus kindlichem Trotz seinen vielen peinlichen Momenten einen absoluten Tiefpunkt hinzufügt, wird diese Freundschaft auf eine erhebliche Probe gestellt.
Foto: MDR / UFA / Sascha Hoecker
Dass „Irgendwas mit Medien“ überaus authentisch wirkt, hat neben vielen im besten Sinn improvisiert wirkenden Szenen sowie der biografischen Vorgeschichte des Autorenduos auch mit dem Schauplatz zu tun: Muhshoff und Kaltenbach haben beide in Weimar Medienkunst studiert und durften an der Bauhaus-Uni drehen. Trotzdem liegt der eigentliche Reiz der Serie in ihrer Allgemeingültigkeit, denn jenseits seiner Arroganz ist Lennart die perfekte Identifikationsfigur: In der Unsicherheit auf dem Weg ins Leben werden sich alle wiedererkennen, die ihr Elternhaus verlassen haben und irgendwo in der Fremde mit dem wahren Leben konfrontiert werden. In die Drehbücher sind zudem alle nur denkbaren Uni-Klischees eingeflossen: die Führung durch einen unmotivierten Tutor, das Kennenlernspiel für die „Erstis“, die verpeilte Powerpointpräsentation, der Flunkyball.
Gespielt ist das alles ohnehin formidabel. Gerade Muhshoff reizt die Rolle als Hauptdarsteller einer Dokumentation bis an die Schmerzgrenze aus: Lennart achtet stets darauf, auch gut im Bild zu sein, und wirft beifallheischende Blicke Richtung Kamera, wenn er sich wieder mal für besonders clever hält; vom dümmlichen Dauergrinsen ganz zu schweigen. Kaltenbach spielt als Schluffi dagegen stark nach innen. Das wirkt zunächst wenig spektakulär, ist auf seine Weise aber nicht minder effizient. Bei der Regie haben die beiden dagegen dankenswerterweise auf die für Mockumentaries gern typischen Manierismen mit künstlichen Unschärfen oder schockartigen Zooms in die Nachaufnahme verzichtet; die Kamera (Leon Brandt) schaut einfach zu. Respekt und Anerkennung gebührt neben dem MDR auch UFA-Produzentin Helga Löbel, die als Mentorin im Förderprogramm „Formate aus Thüringen“ auf das Konzept aufmerksam wurde und das Projekt offenbar gleich ins Herz geschlossen hat.