Inga Lindström – Auf der Suche nach dir

Laura Berlin, Vierboom, Kirsten Peters, Oliver Dieckmann. Die Regeln der Romantik

Foto: ZDF / Arvid Uhlig
Foto Tilmann P. Gangloff

Autorin Kirsten Peters hat schon bei früheren „Inga Lindström”-Episoden bewiesen, dass auch bekannte Geschichten funktionieren können, wenn sie kurzweilig erzählt und mit Hingabe gespielt sind. „Auf der Suche nach dir“ (Bavaria Fiction) ist außerdem ein weiterer Beleg für die Strategie des ZDF, jungen Schauspielern im „Herzkino“ eine Chance zu geben. Laura Berlin ist zwar schon vor zehn Jahren als „Schneewittchen“ entdeckt worden, aber noch längst keine etablierte Hauptdarstellerin. Ihr holländischer Filmpartner Moritz Vierboom ist dagegen ein völlig neues sehr interessantes Gesicht. Die Inszenierung durch den bislang vor allem als Producer tätigen Oliver Dieckmann orientiert sich an den Konventionen des Sendeplatzes; sehenswert ist die Liebesgeschichte vor allem wegen der Schauspieler. Das gilt auch für die  kleine Lisa Marie Trense; sie ist ein echtes Naturtalent und macht ihre Sache fabelhaft.

Der Titel ist ein Passepartout, schließlich sind die Heldinnen der ZDF-Sonntagsreihe „Inga Lindström“ eigentlich immer auf der Suche; genauso gut könnte der Film „Folge deinem Herzen“ oder „Nur die Liebe zählt“ heißen. Im Unterschied zu den meisten anderen Hauptfiguren hat Astrid (Laura Berlin) die Liebe ihres Lebens allerdings bereits gefunden. Die junge Köchin will gemeinsam mit ihrem Freund in bester Stockholmer Lage ein nach ihr benanntes Restaurant eröffnen, doch ausgerechnet kurz vor dem Maklertermin ist Lars wie vom Erdboden verschluckt. In seinen Unterlagen findet sie Hinweise auf einen Campingplatz auf Öland sowie einen Termin mit einem Mann namens Björn. Kurzerhand fährt sie zu der Insel und stellt zu ihrer Verblüffung fest, dass sie im Grunde gar nichts von Lars weiß. Das „Astrid“ wäre keineswegs das erste Geschäft, das er gemeinsam mit einer Frau betreibt: Auf Öland gibt es den Spielsalon „Karla“ und die Boutique „Ester“. Außerdem hat er eine Schwester, die offenbar ähnlich umtriebig ist wie er; sie hat sich vor einem Jahr aus dem Staub gemacht, weil ihr das Leben mit Mann und Tochter zu eng wurde. Der Gatte, Björn (Moritz Vierboom), ist der Termin aus Lars’ Kalender, er führt den Campingplatz, der ebenfalls Lars gehört, aber vor allem entpuppt sich er als Seelenverwandter Astrids. Um das zu erkennen, genügt in Filmen dieser Art in der Regel ein Detail; hier ist es das Salz, das beide in ihren Kaffee tun, um ihm die Bitterkeit zu nehmen. Ein weiteres beliebtes Romanzendetail kommt ebenfalls zum Einsatz: Als Astrid eilig zum Maklertermin will, wird ihr Auto von einem alten VW-Bus blockiert. Der gleichermaßen tiefenentspannte wie ungewöhnlich gut aussehende Fahrer schenkt ihr zur Entschuldigung ein Glas Honig aus eigener Herstellung. Selbstredend handelt es sich um niemand anderen als Björn; sonntags im ZDF ist die Welt immer ein Dorf.

Inga Lindström – Auf der Suche nach dirFoto: ZDF / Arvid Uhlig
Auf der Suche nach ihrem Partner Lars (Ben Bela Böhm) lernt die junge Köchin Astrid (Laura Berlin) den Campingplatzbetreiber Björn (Moritz Vierboom) und dessen kesse Tochter Tova (Lisa Marie Trense) kennen. Seine Frau Elin (Katrin Heß) hat die Familie verlassen, um sich auf einen Selbstfindungstrip zu begeben.

Die Handlung mag nach einem üblichen „Herzkino im Zweiten“ von der Stange klingen, und tatsächlich wird Kirsten Peters für dieses Drehbuch keinen Originalitätspreis bekommen; die Autorin hat aber schon mit dem „Lindström“-Film „Liebesreigen in Samlund“ (2017) bewiesen, dass auch bekannte Geschichten funktionieren können, wenn sie kurzweilig erzählt und mit Hingabe gespielt sind; „Alle lieben Elin“ (ebenfalls aus der „Lindström“-Reihe) war nicht zuletzt dank der ansteckend gut gelaunten Hauptfigur ähnlich vergnüglich. Wie wichtig die richtige Regie für ihre Drehbücher ist, haben im Guten die von Ulli Baumann inszenierten Komödien „Familie Sonntag auf Abwegen“ (ZDF 2013) und „Drunter und Brüder“ (ARD Degeto 2015) gezeigt; und im Schlechten die kürzlich ausgestrahlte NDR-Komödie „Die Freundin meiner Mutter“, an deren Drehbuch Peters ebenfalls beteiligt war.

Regisseur von „Auf der Suche nach dir“ ist Oliver Dieckmann, der jahrelang als Producer für die Bavaria tätig war. Seine erste Regiearbeit war vor zehn Jahren die traurig-schöne Großstadtballade „Pizza und Marmelade“ (BR 2009); es folgten unter anderem das gute ARD-Weihnachtsmärchen „Dornröschen“ (2009) sowie der heiter-turbulente Kinofilm „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ (2011). Mit seinem „Herzkino“-Debüt ordnet sich Dieckmann allerdings konsequent den Regularien des Sendeplatzes unter, inklusive der Versatzstücke vom fetten Sonnenuntergang bis zu den akustischen Emotions-Triggern (Andy Groll): Kaum ist Astrid auf dem Campingplatz eingetroffen, wird die Musik romantisch, noch bevor Björn auftaucht. Richtig gut ist dagegen die Arbeit mit den Schauspielern. Laura Berlin zeigt erneut, warum ihre Etablierung als Hauptdarstellerin in Kino- und Fernsehfilmen längst überfällig ist. Ihre TV-Karriere hat vor zehn Jahren mit der Titelrolle des ARD-Märchens „Schneewittchen“ begonnen. Markante Akzente hat sie auch als Nebendarstellerin in der „Edelstein“-Trilogie gesetzt. Zu ihren besten Rollen gehören ihr Einsatz im dritten „Kroatien-Krimi“ („Mord auf Vis“) und in der schrägen ZDFneo-Serie „Blaumacher“. Ähnlich interessant ist Moritz Vierboom. Der Holländer ist zwar keine völlige Neuentdeckung im deutschen Fernsehen, hat bislang aber nur in wenigen kleineren Rollen mitgewirkt und ist nicht nur wegen seiner maskulinen Attraktivität eine treffliche Ergänzung für Berlin.

Inga Lindström – Auf der Suche nach dirFoto: ZDF / Arvid Uhlig
Früher war’s die Briefmarkensammlung, heute ist es der Bienenstock. Obwohl beide vergeben sind: Kann denn Liebe Sünde sein? Moritz Vierboom & Laura Berlin

Soundtrack: The Staple Singers („I’ll Take You there“), Sophie B. Hawkins („As I Lay Me Down”), Sara Bareilles & Ingrid Michaelson („Winter Song”), Maria Mena („All This Time”)

Heimlicher Star des Films ist die kleine Lisa Marie Trense als Björns zehnjährige Tochter Tuva. Das Mädchen ist offenkundig ein Naturtalent, hat keinerlei Probleme mit seinen für ein Kind durchaus anspruchsvollen Dialogen und eine fröhliche Ausstrahlung, die nie aufgesetzt wirkt. Die Szenen mit Astrid und Björn sind äußerst gelungen und vermitteln echte Nähe. Die erwachsenen Nebenrollen stammen dagegen aus der Komödienkiste: Uwe Rohde und Anja Karmanski spielen das Dauercamper-Pärchen Ole und Gitte, das nicht recht zueinanderfinden will, obwohl es füreinander geschaffen ist. Running-Gag im Wortsinn sind Oles vergebliche Versuche, Gittes Hund zu erwischen; der Vierbeiner klaut ihm regelmäßig seine Flipflops. Das ist leidlich amüsant, zumal sich die Delikte als Teil eines romantischen Komplotts entpuppen, aber letztlich sind die Hippie-Frau und der Aussteiger genauso oberflächliche Figuren wie Astrids Eltern, wobei vor allem die Mutter dem aus vielen ARD-Freitagsfilmen und ZDF-Sonntags-filmen sattsam bekannten Klischee der vernachlässigten Gattin entspricht.

Deutlich interessanter, dramaturgisch allerdings auch ungleich wirkungs-voller eingesetzt ist das Geschwisterpaar. Ein fester Bestandteil des „Herzkinos“ im „Zweiten“ ist der Deus ex Machina, dessen Stunde immer dann schlägt, wenn sich eine liierte Frau in einen anderen verliebt: Kaum ist der erste Kuss getauscht, mischt aus heiterem Himmel auch der Verlobte, Freund oder Ex-Mann mit. Normalerweise passiert das zu Beginn des letzten Akts, der sich dann der Frage widmet, welchem der beiden Männer die Heldin ihr Herz schenkt. Aus Zuschauersicht ist das in der Regel längst klar, weil der Nebenbuhler regelmäßig deutlich unattraktiver ist. Zumindest in dieser Hinsicht weicht „Auf der Suche nach dir“ vom üblichen Schema ab, zumal die Geschwister zwar ebenfalls eher unbekannt, aber dafür recht markant besetzt sind: Lars (Ben Bela Böhm) ist exakt ab der Hälfte mit von der Partie; er hat bei einem Unfall kurzzeitig sein Gedächtnis verloren. Und weil bei „Inga Lindström“ Figuren gern aus der Versenkung auftauchen, steht plötzlich auch seine Schwester vor der Tür. Auf diese Weise bedient Peters ein weiteres beliebtes Motiv der Reihe: Elin (Katrin Heß) musste erst in der Ferne schweifen, um zu erfahren, wo sie hingehört. (Text-Stand: 1.3.2019)

 

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Reihe

ZDF

Mit Laura Berlin, Moritz Vierboom, Lisa Marie Trense, Ben Bela Böhm, Katrin Heß, Uwe Rohde, Anja Karmanski, Dominique Chiout, Thorsten Nindel, Holger Doellmann, Laura Lippmann

Kamera: Sebastian Wiegärtner

Szenenbild: Dieter Bächle

Kostüm: Tanja Wagner

Schnitt: Christian Nauheimer

Musik: Andy Groll

Redaktion: Alexander S. Tung

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Produktion: Ronald Mühlfellner

Drehbuch: Kirsten Peters

Regie: Oliver Dieckmann

Quote: 4,51 Mio. Zuschauer (12,3% MA); Wh. (2021): 3,95 Mio. (11,2% MA)

EA: 17.03.2019 20:15 Uhr | ZDF

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