Ein Organisationstalent dreht durch und verliebt sich in sein Gegenbild
Der allein erziehenden Jana (Inka Friedrich) wächst der Alltag über den Kopf. Zwar ist die Scheidung von ihrem Börsianer-Ex (Thomas Huber) verdaut, in ihrem Job, als Einsatzplanerin einer Fluglinie, ist sie unabkömmlich, und ihre Tochter Marie (Nadine Kösters) dürfte bald das Abi in der Tasche haben, dafür geht ihr ihr Schwiegervater und Mitbewohner Charly (Ulrich Pleitgen) dermaßen auf die Nerven: Nicht nur, dass der alte Mann mit der Rente die Revolution wiederentdeckt und sich zur Aufgabe gemacht hat, die Frankfurter Beton-Schluchten illegal zu begrünen, nein, er reißt auch seine Enkelin mit hinein in seinen Aktionismus und gefährdet damit ihre Zukunft. Als Jana die beiden zum wiederholten Male nachts auf der Polizeiwache abholen muss, zeigt sie Charly die rote Karte. Der reagiert trotzig und ersteigert ein einsam gelegenes Haus im Spessart. Jana, Tochter eines Bauingenieurs, ist erwartungsgemäß skeptisch – und beim Besichtigungstermin dabei! Der Guerilla-Gärtner ist begeistert von diesem Idyll im Grünen. Und die Alles-Checkerin ist – auch wenn sie es zu verbergen versucht – sehr angetan von diesem lässigen Umweltbiologen (Tobias Oertel), der sein bisheriges Leben aufgibt, um sich in Mauretanien dem Artenschutz zu widmen.
Sympathische Alltagsnähe ohne moralischen Erleuchtungsanspruch
Gegensätze ziehen sich an – zumindest in Beziehungskomödien klappt das mitunter. In „Immer Ärger mit Opa Charly“ funktioniert das Prinzip besonders gut, weil es nicht nur als dramaturgischer Notnagel herhalten muss. Und dass sich die Heldin, die ihre Mutterrolle zeitgemäß und nicht unrealistisch ausfüllt, sich ein bisschen was abgucken kann von der grundentspannten Haltung, die das Objekt ihres Begehrens an den Tag legt, ist offensichtlich, wird aber nie zur moralischen Erleuchtung hochgejazzt. Jene Jana ist keine jener „kranken“ Komödien-Kotzbrocken, die von Grund auf geläutert werden müssen. Das alles verleiht – auch wenn die Grundkonstellation der drei Generationen (in einer Wohnung) anfangs etwas ausgedacht wirkt – diesem Feelgoodfilm eine sympathische Alltagsnähe. Insbesondere auch die Szenen zwischen der Mutter, die es nur gut meint, und der Teenager-Tochter, die sich immer nur bevormundet fühlt, gewinnen im Laufe des Films an Tiefe. Hinzu kommt, dass sich auch das Thema „Urban Gardening“ bzw. „Guerilla Gardening“ nicht moralinsauer in den Vordergrund schiebt, sondern im launig-komödiantischen Gewand daherkommt und maßgeblich für die Zeichnung der Charaktere ein stimmiges Setting abgibt. Abgehandelt wird das ganz im Stil des ARD-Freitagabends, was vor allem auch heißt: für eine Zielpublikum zwischen 40 und 70, vieles ein bisschen arg kontrastreich, im Großen & Ganzen erwartbar.
Mainhattan im romantischen Licht, sinnliches Idyll im Grünen
Einiges aber ist auch erfreulich anders in dieser Degeto-Komödie von Marcus Ulbricht („Der Geruch von Erde“) nach dem Drehbuch von Nicole Walter-Lingen, die jahrelang für die Jurgan-Degeto stand, es offenbar aber auch etwas pfiffiger kann. So variiert die Autorin beispielsweise die 1000 Mal gesehene Fahrt zum Flughafen, diese romantische Last-Minute-Rescue-Aktion par excellence, und macht sie zum retardierenden Moment. Dass die Heldin bereits unweit des Gates arbeitet, macht die Szene budgetfreundlicher, aber keinesfalls weniger emotional. Und auch das tatsächliche Happy End ist angenehm beiläufig, leicht ironisch und erwachsen („Schau’n wir mal“). Vor allem aber besticht „Immer Ärger mit Opa Charly“ durch die filmische Umsetzung. Die Locations sind nicht nur perfekt ausgewählt, sondern vor allem auch effektiv in Szene gesetzt: Das Haus am See ist ein Biotop auch fürs Auge, dazu der coole Wohnwagen, da kommt einem unweigerlich der Song von Peter Fox in den Sinn. Die Sinnlichkeit dieses Ortes wird spürbar und der sich langsam anbahnende Wertewandel der getriebenen Großstädterin verständlich. Gleiches gilt für Frankfurt: Die Main-Metropole ins romantische Licht der Nacht getaucht oder das frische Grün zwischen Beton – solche Bilder lassen die deutlichen dramaturgischen Gegensätze vergessen, und das allzu beliebte Muster, dass es für jeden Topf den passenden Deckel gibt, wird hier spontan (und durchaus passend für einen wie Opa Charly) aus der Kiste gezaubert. Im Übrigen lässt der Film lange offen, wie das Happy End konkret aussehen wird: Wer kriegt das Paradies im Grünen (Charly scheint zwischenzeitlich mit der Natur etwas zu fremdeln)? Und wer sucht alles das Weite? Die feinen Nuancen, die Details machen also mal wieder den Unterschied.
Soundtrack:
Lenny Kravitz („Fly Away“), Oasis („Roll With It“), Milky Chance („Stolen Dance“), U2 („Love Is Blindness“), Sia („Breathe Me“), Rouge Rouge („L’amour“)
Friedrich & Oertel – die Alles-Checkerin & der in sich Ruhende
Freilich sehr viel mehr als ein Detail ist die vortreffliche Besetzung des „romantischen Paars“. Beide Schauspieler bringen das Typische ihrer Charaktere wunderbar auf den Punkt, ohne dabei sonderlich zu übertreiben. Tobias Oertel erweckt die Prämisse „In der Ruhe liegt die Kraft“ zum Leben, was für die Interaktion mit seiner Herzdame vor allem heißt: Schauen und Reagieren. Inka Friedrich hat den ungleich schwereren Part: Sie muss einerseits die Handlung antreiben, was auch bedeutet, dass sie versteckt die Sympathien ihrer Figur für den attraktiven Romantiker zeigen muss, ohne ihre Strenge völlig aufzugeben, andererseits muss ihre Jana das Happy End (dramaturgisch) herauszögern, was (psychologisch) nicht immer ganz glaubwürdig wirkt. Auch wenn sich Figuren dümmer geben als der Zuschauer, kann das für Verstimmung sorgen: Dass der Mann, der sich in die Wüste absetzen will, nicht seine Beziehung, sondern den Tod seiner Frau betrauert, ist zu erahnen. Dass die Heldin prompt das Falsche annimmt, kann implizieren, dass diese Frau zwischenmenschliche Defizite besitzt (was allerdings deutlich ihrer sozialen Kompetenz als Mutter, als Schwiegertochter und als Berufstätige widersprechen würde), doch der Film nimmt diesen Fauxpas, um in dieser Szene das Emotionslevel künstlich zu steigern. Einen solchen Drehbuch-Trick hätte Inka Friedrich nicht nötig. Ihr Mienenspiel ist äußerst vielschichtig angelegt – es ist komödiantisch, verrät aber auch sehr viel über die Seelenlage, die Spannung in dieser Figur, die nur schwer die Kontrolle abgeben kann. Friedrich spielt das so, als sei ihre Jana selbst davon überrascht, dass sie „so einen“ anziehend finden kann. Darüber hinaus verunsichert die Gelassenheit ihres Gegenübers diese aktionistische „Heldin“, was sie anfangs noch hyperaktiver und hektischer reagieren lässt. Doch irgendwann macht es endgültig ‚klick’. (Text-Stand: 28.8.2016)