Vor drei Wochen waren es „Die Schläfer“, jetzt steht mit Ilse Hofmanns „Im Innern des Bernsteins“ ein zweites Beispiel für Vergangenheitsbewältigung à la Pro Sieben auf dem Programm. Wieder dreht sich die Geschichte um Amnesie, um eine Frau, die endlich wissen will, wer sie ist, woher sie kommt und wie sie heißt. Antje Schmidt („Zugvögel“) spielt die alptraumgeplagte Heldin, die ihre Wurzeln in der ehemaligen DDR findet und die bei der Suche nach ihrer Identität in die Fänge der russischen Plutonium-Mafia gerät.
Die Computer-Expertin Sylvia Berger alias Christine Klemenz verschlägt ihre Recherche in eigener Sache auf die Ostseeinsel Usedom. Die Behörden sind wenig kooperativ, allein ein Mitarbeiter der „Zentralen Ermittlungsstelle für Regierungs- und Vereinigungskriminalität“ (ZERV) hilft ihr weiter. Sie stößt auf das Anwesen ihrer Eltern, das heute zu einer deutsch-russischen Bernstein-Firma gehört. Ein etwas dubioses Joint-Venture. Aber noch etwas anderes bereitet der jungen Frau Kopfzerbrechen. Warum wurden alle Unterlagen über ihre Familie vom Innenministerium beschlagnahmt? Wurde sie vielleicht, die einen gescheiterten Fluchtversuch hinter sich hatte, im Kalten Krieg Opfer der deutsch-deutschen Diplomatie?!
Ines Veith schrieb sowohl den Roman als auch das Drehbuch zu diesem Pro-Sieben-Politthriller. „Im Innern des Bernsteins“ bezeichnet die Autorin als „eine fiktiv erzählte Geschichte mit starken realen Bezügen“. Vieles, was im Film behauptet wird, sei ihr im Nachhinein von der Gauck-Behörde bestätigt worden. Geheime Kernforschung habe es in der DDR gegeben. Auch der Freikauf politischer Häftlinge sei eine Praxis des Kalten Krieges gewesen. West-Spion gegen Informationen über Fluchtversuche – so zeigt es der Film.
„Solche Geschichten haben einfach mehr Dimensionen als übliche Polizei-Krimis“, betont die Autorin, die schon 1994 die Vorlage zum ambitionierten Sat-1-Zweiteiler „Ich klage an“ (Thema: Kinderraub und Zwangsadoption durch die Stasi) mit Thekla-Carola Wied lieferte. Einzelschicksale, verwoben mit Historischem, das ist das Metier von Ines Veith. Gerade hat sie das Drehbuch zu einer weiteren Haft- und Fluchtgeschichte – Titel: „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ – beendet. „Wir haben ein solch spannendes Land und machen so wenig gute Geschichten daraus!“, wundert sich die 43-jährige Mecklenburgerin.
Und noch ein Grund, sich zu wundern: drei Jahre lag der „Bernstein“-Film auf Eis. Einfach untergegangen im redaktionellen Fluktuationsstrudel? Oder für Pro Sieben zu wenig Action? „Wahrscheinlich zu brisant“, beteiligt sich eine Presse-Redakteurin an den Spekulationen. Aber auch eine ganz profane Variante ist zu hören: Der Film sei zu kurz geworden, um ihn mit ausreichend Werbeunterbrechungen bestücken zu können. (Text-Stand: 15.12.1998)