Hit Mom – Mörderische Weihnachten

Anneke Kim Sarnau, Krüger, Tarrach, Schönborn, Marka. Social-Killer-Comedy

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„Sie beseitigen Dreck vom Menschen, und wir beseitigen menschlichen Dreck.“ Um zwei Branchen, die offensichtlich gar nicht so weit voneinander entfernt liegen, geht es in der ARD-Komödie „Hit Mom – Mörderische Weihnachten“ (HR). Aus einer Putzfrau wird eine Auftragskillerin wider Willen. Die Morde klappen allerdings nie so wie geplant, woraus die köstliche Situationskomik des Film resultiert. Das Ganze wirkt selten klamaukig, sondern eher absurd und gelegentlich schwarzhumorig. Sarnau als verzweifelte Seiteneinsteigerin ins Killer-Business und Tarrach als fieser Invaliden-Cop, der Auftragsmorde anbietet, spielen das mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man diesen höheren Genre-Blödsinn den beiden problemlos abnehmen kann. Und etwas Social & Christmas Touch sind auch dabei.

Die Hit Mom, ein Hitman und ein geiler Hit-Fabrikant
Hanni (Anneke Kim Sarnau) ist zu gut für diese Welt. Während sie für die Familie die Brötchen verdient und dafür als Putzfrau rund um die Uhr arbeiten muss, kriegt ihr Mann zu Hause den Hintern nicht hoch – genauer gesagt: nicht weg vom PC. Alles muss sie alleine managen, seit Falk (Kai Ivo Baulitz) vor eineinhalb Jahren seine Arbeit verloren hat. Aber sie ist nun mal ein guter Mensch. Absurderweise ist sie gerade deshalb nicht ganz unschuldig am Tod einer schrecklich verwirrten alten Dame (Eva-Maria Kurz) und am Beinahe-Tod eines Auftragskillers (Vincent Krüger). Ein merkwürdiger Kommissar (Jürgen Tarrach) kommt ihr auf die Schliche. Er weiß sehr wohl, dass Hanni keine Mörderin ist; dummerweise aber benötigt dieser Mann, der sich als Kenner der Branche noch was dazu verdient, gerade einen Killer und diese Frau hat zu diesem Job offenbar großes Talent. Und so soll die brave Putzfrau einspringen für den Hitman mit der Axt, den sie gerade aus dem Verkehr gezogen hat. Hanni bleibt keine andere Wahl, denn der Darknet-erfahrene Kommissar hat sie in der Hand. Also packt sie ihren Staubwedel und bringt es abermals auf einen Toten, den dekadenten Hit-Fabrikanten Dietrichson (Wolfram Koch), und einen Halbtoten, die Frau vom sadistischen Nachbar-Ekel von Hannis Arbeitgeber-Ehepaar (Claudia Michelsen & Thorsten Merten).

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Weihnachten bedeutet für „Hit Mom“ auch ein Plus für das Ambiente und die Optik. Anneke Kim Sarnau & Thelma Buabeng

Putzen ist einfacher. Vom Wegwischen und Auslöschen
Zwei Branchen, die gar nicht so weit voneinander entfernt liegen: „Sie beseitigen Dreck vom Menschen, und wir beseitigen menschlichen Dreck“, bringt es der Bulle mit dem kriminellen zweiten Standbein lakonisch auf den Punkt. Und so wird in der ARD-Komödie „Hit Mom – Mörderische Weihnachten“ aus dem klassischen Cleaner, der Raumpflegerin, die widerspenstigen Schmutz wegscheuert, eine Frau, die böse, schlechte Menschen ausradiert, wird aus dem Hitman, dem Auftragskiller, die Hit Mom. Die Morde klappen allerdings nie so wie geplant: Bei dem Fiesling mit den goldenen Schallplatten verfängt keine der angewandten Tötungsmethoden – und so muss die situationskomische Szene ihren Höhepunkt in einer Verkettung aberwitziger Slapstickmomente finden, die das Zielobjekt endgültig zu Fall bringen. Den zweiten Mordauftrag akquiriert die Heldin sogar selbst; auch hier, bei den Nachbarn ihrer „Herrschaften“ muss sie nicht direkt eingreifen, der Kettensäge sei Dank, die Lektion erteilt sich das Ehepaar selbst. Auch wenn Leichen ihren Weg pflastern – diese Putzfrau ist Auftragskillerin wider Willen und für keine der Mordaktionen wirklich verantwortlich. Und im Gegensatz zu dem Killer, den sie Intensivstation-reif bearbeitet hat, würde sie sich nie mit dem Satz „Wenn ich Sie nicht erledige, macht’s morgen ein anderer“ moralisch herausreden. So kann diese Hanni zur Heldin in der TV-Primetime werden. Erst recht, weil sie in ihrem nächsten Auftrag dem Zielobjekt, einer vergewaltigten Assistentin, Opferschutz gewährt, während der Auftraggeber der Mord-Dienstleistung die verdiente Abreibung bekommt.

„… teilt fiese Hiebe gegen eine mörderische Arbeits- und (Männer-)Welt aus. Als ‚Tatwaffe‘ dient ein Humor, der teilweise keine Gefangenen macht. Nicht immer gelingt die Balance zwischen Gag und Grauen. Trotzdem: Böses mit Herz zum Fest – schöne Bescherung.“ (TV-Spielfilm)

Regisseur Sebastian Marka, geb. 1978, machte sich in den letzten Jahren als Mann für außergewöhnliche „Tatorte“ einen Namen. Er inszenierte „Das Haus am Ende der Straße“ (HR) mit Król & Rohde, „Hinter dem Spiegel“ (HR) mit Koch & Broich, „Die Wahrheit“ (BR) mit Nemec & Wachtveitl, „Es lebe der Tod“ (HR) mit Tukur & Harzer sowie „Der scheidende Schupo“ (MDR) mit Tschirner & Ulmen

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Nur ein toter Nachbar ist ein guter Nachbar. Für den Hessischen Rundfunk übernimmt Claudia Michelsen gern mal richtig schön schräge Rollen, wie auch im Tukur-„Tatort – Das Dorf“.

Wieder ein Volltreffer: Anneke Kim Sarnau & Jürgen Tarrach
Anneke Kim Sarnau ist sicherlich nicht die geborene Komödienschauspielerin, aber spätestens seit „Dr. Psycho – Die Bösen, die Bullen, meine Frau und ich“ (2007) und „Ein Mann, ein Fjord“ (2009) weiß man, dass sie’s auch komisch kann. In der köstlichen Kerkeling-Verfilmung war Jürgen Tarrach ihr Partner. Diese Kombination erweist sich nun auch in „Hit Mom“ als Volltreffer. Die verzweifelte Seiteneinsteigerin ins Killer-Business und der Invaliden-Cop, der sich was für die Rente beiseite schafft, beide spielen das mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man selbst als ein auf Glaubwürdigkeit geeichter Fernsehzuschauer diesen höheren Genre-Blödsinn den beiden problemlos abnehmen kann. Außerdem ist diese Hanni geradezu eine Frau zum Knuffeln, entsprechend mit einem für Komödien hohem Identifikationspotenzial. Hinzu kommt Sarnau als populäres ARD-Sonntagskrimi-Gesicht, eine Vollblutschauspielerin, die auch in Krimi und Drama mimisch wie gestisch auf Bewegung setzt. Für eine physische Komödie ist sie eine gute Wahl; große Augen machen oder die Gesichtszüge aktivieren gehört ohnehin zum Sarnauschen Mienenspiel. Tarrachs Bösewicht dagegen kämpft sich durch den Film, atmet schwer und läuft schlecht (ein Mal hängt seine Beinprothese an der Wand seines Büros). In zwei amüsanten Kleinrollen sind noch Claudia Michelsen und Wolfram Koch zu sehen. Er ist der Dekadenzling, sie eine nervlich angegriffene Frau Professor, die seit 10 Jahren einen Roman schreiben will („mein Kopf, mein Kopf“). Beide haben sichtlich Spaß an dieser verdrehten filmischen Sottise.

Absurd situationskomisch & gelegentlich etwas schwarzhumorig
„Hit Mom – Mörderische Weihnachten“ spielt mit Genre-Elementen und manch einer wird den Film hochgradig albern finden. Seine Referenzspuren führen allerdings nicht in Richtung deutscher Klamauk (was man von anderen deutschen Hitman-Komödien wie „Die Einsamkeit des Killers vor dem Schuss“ oder „Mord ist mein Geschäft, Liebling“ nicht sagen kann) und auch nur ein Stück weit nach Hollywood. Das Ganze ist weniger Blake-Edwards-like überdreht, auch nicht so hysterisch wie John Waters’ „Serial Mom“, sondern eher absurd situationskomisch, weitgehend ernsthaft & cool gespielt (trotz Sarnaus Grimassen), gelegentlich auch etwas schwarzhumorig: „Wenn Sie mit Ihren guten Eigenschaften nicht weiterkommen, probieren Sie es doch einfach mal mit Ihren schlechten.“ Zu diesem finalen Rat in Richtung Zuschauer passt, dass die Moral – so weit sie für die Dramaturgie und das Mitgefühl mit der Heldin wichtig ist – zwar ins Spiel kommt, aber sich nicht vordrängt. Auch die Art, wie Weihnachten eingesetzt wird, unterstützt vor allem die Wirkung der Geschichte, will dem Zuschauer aber nichts von Gefühlen erzählen. Der Glamour des weihnachtlich geschmückten Kaufhauses korrespondiert mit den eingestreuten amerikanischen Christmas-Songs; außerdem ist dieser Glanz das Gegenbild zu der Misere, in der sich die Hauptfigur befindet. Und dann ätzt der Kaufhaus-„Sklaventreiber“ auch noch mit dem Satz: „Dieses Jahr gibt’s leider kein Weihnachtsgeld – da könnt Ihr euch beim Mindestlohn bedanken.“

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Die Axt in der Hand erspart die Pumpgun. Der Auftragskiller (Vincent Krüger) kehrt zurück. Er ist jung, er braucht das Geld und hat die Haare schön.

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Mit Anneke Kim Sarnau, Vincent Krüger, Jürgen Tarrach, Kai Ivo Baulitz, Claudia Michelsen, Thorsten Merten, Anton Petzold, Wolfram Koch, Marie-Lou Sellem, Sascha Nathan, Eva-Maria Kurz, Thelma Buabeng, Sarah Sandeh, Mai Duong Kieu

Kamera: Willy Dettmeyer

Szenenbild: Birgit Kniep-Gentis

Schnitt: Stefan Blau

Musik: Thomas Mehlhorn, Eckart Gado

Redaktion: Jörg Himstedt

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Clemens Schönborn

Regie: Sebastian Marka

Quote: 4,18 Mio. Zuschauer (13,4% MA)

EA: 13.12.2017 20:15 Uhr | ARD

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