Hetzjagd

Kein Duell Klarsfeld gegen Barbie, sondern ein Machtkampf aus der Ferne: Hanns Zischler macht das "System Barbie" transparent. Franka Potente spielt verhalten.

Foto: WDR / BR
Foto Rainer Tittelbach

Der Film erzählt von den Bemühungen von Beate und Serge Klarsfeld, den Nazi-Verbrecher Klaus Barbie seiner gerechten Strafe zuzuführen. Laurent Jaoui geht es um die Chronologie der laufenden Ereignisse. Die Klarsfelds werden weder mythologisiert noch psychologisch vertieft. Nicht nur darin erinnert „Hetzjagd“ an die Politthriller der 70er Jahre.

Sie ohrfeigte Bundeskanzler Georg Kiesinger, weil er sich erdreiste, als ehemaliges NSDAP-Mitglied politische Karriere in der Bundesrepublik zu machen. Sie plante mit ihrem Mann 1971 den in Köln unbehelligt lebenden Alt-Nazi Kurt Lischka, der für die Deportation von 76.000 Menschen aus Frankreich verantwortlich war, zu entführen und den französischen Behörden zuzuführen. Für ihren politischen Aktionismus und ihre Zivilcourage riskierte Beate Klarsfeld Haftstrafen und ein Leben am Existenzminimum. Ihr größter Coup war die Jagd nach dem „Schlächter von Lyon“, Klaus Barbie, der 1951 in Südamerika untergetaucht war und erst 1983 an Frankreich ausgeliefert wurde. Er war Hauptsturmführer und Gestapochef in Lyon, ein sadistischer Folterknecht, Massaker & Deportationen von Kindern gingen auf sein Konto.

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Beate Klarsfeld (Franka Potente) hat es sich mit ihrem Mann zur Lebensaufgabe gemacht, nach dem Verbleib von Nazikriegsverbrechern zu forschen.

Die deutsch-französische Ko-Produktion „Hetzjagd“ erzählt von den Bemühungen der Klarsfelds, jenen Klaus Barbie seiner gerechten Strafe zuzuführen. Rache wäre schneller zu haben gewesen. Killer lassen sich in Südamerika leicht anheuern. 12 Jahre waren sie dem Nazi-Verbrecher auf den Fersen. Viel Lebenszeit für die Gerechtigkeit. Für diesen Aspekt interessiert sich der Film wenig. Die Klarsfelds werden weder mythologisiert noch psychologisch vertieft. Laurent Jaoui geht es um die Chronologie der laufenden Ereignisse. Hart werden die Situationen aneinandergereiht: der Fall Lischka, die Zustände in Bolivien, die Blindheit der deutschen Justiz, die Aktionen der deutsch-französischen „Nazi-Jäger“. Es ist nicht leicht, Zugang zu finden zu diesem spröden Film, an dem sich erkennen lässt, wie sehr die Sehgewohnheiten mittlerweile die Heldendramaturgie einfordern.

Die erste halbe Stunde muss man überstehen, dann wird der kurzatmige Bericht-Stil durch einen längeren Spannungsbogen ersetzt. Beate Klarsfeld reist nach Südamerika, wird entführt, eingesperrt, ausgewiesen. Nach diesem Zwischenspiel, das einzige, bei dem Jaoui seiner Hauptdarstellerin Franka Potente ein gewisses Identifikationspotenzial zugesteht, ist es am Antagonisten dem skizzenhaft erzählten Film Leben einzuhauchen. Auch wenn es das Leben eines Massenmörders ist. Barbie wiegt sich zunehmend in Allmachtsgefühlen. Die Klarsfelds haben ihm Presse und ein Mehr an Bedeutung gegeben. In Bolivien steigt er zum Oberstleutnant der Armee auf, bildet die Polizei im Foltern aus, wenn er nicht gerade auf Familienmensch macht. Hanns Zischler spielt ihn sehr überzeugend als Mensch-Monster.

Diese Passagen, in denen der von den USA gebilligte Schulterschluss von deutschen Altnazis und Latino-Diktatoren trocken, aber dennoch nachhaltig ins Bild gerückt wird, sind die stärksten Szenen des Films. Die dokumentarische Abfolge jener Titel gebenden „Hetzjagd“ wäre denn auch etwas zu wenig gewesen für einen 110-minütigen Film. Dem Wissen um den Ausgang zum Trotz: Je näher man als Zuschauer gegen Ende dem „System Barbie“ kommt, umso spannender wird dieser Film, der in seinem rohen Look an die Politthriller der 70er Jahre erinnert. (Text-Stand: 2.9.2010)

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Fernsehfilm

Arte, BR, Canal+, WDR

Mit Franka Potente, Hanns Zischler, Yvan Attal, Jesus Rojas, Laurent Klug

Kamera: Jean-Louis Sonzogni

Szenenbild: Sebastián Serra

Schnitt: Claudine Dumoulin

Produktionsfirma: Elzévir Films

Drehbuch: Alexandra Deman, Laurent Jaoui

Regie: Laurent Jaoui

EA: 02.10.2009 21:00 Uhr | Arte

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