Helen Dorn – Adrenalin

Anna Loos, Hanno Koffler, Tristan Seith, Friedemann Fromm. „Sie sind wie Geister“

16.12.2025 10:00 ZDF-Stream Streaming-Premiere
17.01.2026 20:15 ZDF TV-Premiere
Foto: ZDF / Georges Pauly
Foto Tilmann P. Gangloff

Um den tödlichen Überfall auf einen Geldtransporter aufzuklären, mischt sich LKA-Kommissarin Helen Dorn (Anna Loos) als verdeckte Ermittlerin unter die Mitglieder einer Biker-Gang. Dank der entsprechend zelebrierten Motorrad-Stunts bietet „Adrenalin“ (ZDF / Network Movie) eine Menge Dynamik. Außerdem überrascht Friedemann Fromm (Buch und Regie) in seinem zehnten „Helen Dorn“-Film in Folge mit ungewohnter Romantik, weil es zwischen der Polizistin und dem Anführer (Hanno Koffler) der „Road Rebels“ kräftig knistert.

Manchmal genügt eine einzige Maßnahme, um einem Reihenkrimi einen unerwarteten Impuls zu verleihen: Setz’ deine Heldin auf ein Motorrad, und du hast zumindest schon mal eine Garantie für jede Menge Dynamik. Außerdem bot sich Friedemann Fromm (Buch und Regie) auf diese Weise bei seiner zehnten „Helen Dorn“-Episode in Folge die Möglichkeit, eine andere Seite der stets distanzierten LKA-Kommissarin zu zeigen. Zwei kurze Momente – ein Blick auf ein Fotoalbum, ein explosiver Erinnerungsfetzen – genügen, um eine tiefe Verletztheit anzudeuten: Dorns Bruder ist 1998 bei einem Unfall auf der Isle of Man gestorben. Die Insel in der Irischen See ist ein Biker-Mekka, seit fast 120 Jahren wird hier alljährlich die Tourist Trophy veranstaltet. Auch Marian „Mo“ Tudor träumt davon, irgendwann mal an dem legendären Rennen teilzunehmen – „wenn alle Rechnungen beglichen sind.“ Dass er sich ausgerechnet in die Polizistin verliebt, die ihn überführen will, verleiht der Geschichte eine weitere reizvolle Komponente.

Fromm startet den Film nach dem üblichen Thriller-Muster: Auf einen Prolog folgt eine Rückblende. Der Auftakt endet jedoch nicht mit dem üblichen Cliffhanger: Dorn dreht ihre Runden auf einer Rennstrecke für Motorräder und liefert sich einen Wettstreit mit einem anderen Fahrer. Tudor (Hanno Koffler) findet großen Gefallen, erst an ihrem tollkühnen Fahrstil, dann an ihr selbst. Die eigentliche Handlung beginnt anschließend drei Tage zuvor: Zwei Biker stoppen einen nächtlichen Geldtransport und sorgen mit einem cleveren Trick dafür, dass die Wachleute das Fahrzeug verlassen müssen. Einer der beiden eröffnet das Feuer und wird erschossen, ein Motorradfahrer wird schwer verletzt. Das Duo erbeutet einen Behälter mit Juwelen im Wert von 4,5 Millionen Euro.

Helen Dorn – AdrenalinFoto: ZDF / Georges Pauly
Setz’ deine Heldin auf ein Motorrad, und du hast eine Garantie für jede Menge Dynamik. Und: Helen Dorn (Anna Loos) lächelt.

Dorns Chef, Nedjo Kristic (Stipe Erceg), ist überzeugt, dass eine Gang hinter dem Überfall steckt, die seit einiger Zeit Kurierdienste für die Hamburger Unterwelt leistet, aber anschließend jedes Mal spurlos verschwindet: „Sie sind wie Geister.“ Für den Drahtzieher des Raubüberfalls hält er jedoch einen Libanesen: Ziya Matar, genannt Doc (Raymond Tarabay), ist nicht nur stiller Teilhaber der Sicherheitsfirma, zu der der Transporter gehört; der schießfreudige Wachmann stand auch auf seiner persönlichen Lohnliste. Die Ermittlungsbehörden versuchen seit Jahren vergeblich, ihn zu überführen. Kristic vermutet, dass sich Matar mit dem Erlös aus dem Diamantenraub an die Spitze des Hamburger Drogenhandels setzen will. Widerstrebend stimmt er Dorns Vorschlag zu, sich als verdeckte Ermittlerin unter Mo Tudors „Road Rebels“ zu mischen. Also entstaubt sie mit Hilfe von Vater Richard (Ernst Stötzner), der den Plan „vollkommen bescheuert“ findet, ihre schon jahrelang nicht mehr benutzte Maschine.

Eine weitere Maßnahme Fromms sorgt dafür, dass der Krimi jenseits der fesselnden Geschichte auch personell funktioniert: Nahezu alle Figuren sind sympathisch. Mo und sein kleiner Bruder Lucca (Doğa Gürer) sind einst eher unfreiwillig auf die schiefe Bahn geraten: Matar hat sie vor vielen Jahren von der Straße geholt und Lucca zusammengeflickt, als die beiden einen Unfall mit einem geklauten Motorrad hatten. Daher auch der Spitzname Doc: Vor der Flucht aus seiner Heimat wollte der Libanese Tierarzt werden. Raymond Tarabay verkörpert ihn charismatisch und als väterlichen Freund, doch der Schein trügt: Der Mann geht kaltblütig über Leichen, um seine Ziele zu erreichen. Aus dem gefälligen Rahmen fällt allein Luccas Freundin Sibyll, weil Paula Kober die junge Frau durchgehend mit nur einem Gesichtsausdruck (mürrischer Trotz) versieht. Dass Sibyll und Luca nach dem Raubüberfall lebend davonkommen, war nicht vorgesehen, aber das kann Mo nicht ahnen, als er sich im Auftrag Matars – „Freiheit gibt es nicht umsonst“ – auf einen letzten „Job“ einlässt.

Handwerklich bewegt sich „Adrenalin“ wie sämtliche Filme Fromms auf hohem Niveau, wobei die Motorrad-Stunts naturgemäß weidlich in Zeitlupe und das Finale gar in „Super Slow Motion“ zelebriert werden. Die Auswahl der eingespielten Songs passt perfekt, einige setzen ebenso wie die gelegentlichen Schmunzler reizvolle Kontrapunkte. Das gilt neben dem schon seit einigen Episoden verkappten kollegialen Liebespaar (Tristan Seith, Nagmeh Alaei) diesmal auch für Stipe Erceg, dem das Kunststück gelingt, Heiterkeit zu vermitteln, ohne eine Miene zu verziehen. Sehr sympathisch sind zudem kleine Ideen wie Mos akustisches Tagebuch: Der Biker verliert schleichend sein Gehör und hat ein umfangreiches Tonarchiv mit seinen gespeicherten Erinnerungen angelegt.

Helen Dorn – AdrenalinFoto: ZDF / Georges Pauly
Rosa (Laura de Boer) & Mo Tudor (Hanno Koffler) wollen sich eigentlich von den Machenschaften der Motorradbande fernhalten.

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Reihe

ZDF

Mit Anna Loos, Hanno Koffler, Tristan Seith, Stipe Erceg, Ernst Stötzner, Nagmeh Alaei, Laura de Boer, Paula Kober, Raymond Tarabay, Junis Marlon, Doğa Gürer

Kamera: Heinz Wehsling

Szenenbild: Kay Kulke

Kostüm: Monika Hinz

Schnitt: Richard Krause

Musik: Ina Meredi Arakelian

Soundtrack: Alfredo Catalani (Arie „Ebben, n’andrò lontana“ aus der Oper „La Wally“), Lenny Kravitz („Fly Away“), Tio JC („Jesus Christ“), The Blues Brothers („Sweet Home Chicago“), C+C Music Factory („Gonna Make You Sweat“), M83 („Outro“), Moby Featuring Mindy Jones („Heroes“)

Redaktion: Daniel Blum

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Bernd von Fehrn, Moritz Mihm

Drehbuch: Friedemann Fromm

Regie: Friedemann Fromm

EA: 16.12.2025 10:00 Uhr | ZDF-Stream

weitere EA: 17.01.2026 20:15 Uhr | ZDF

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