Wie ihre Figuren liebt sie keine großen Worte. Schauspielerei ist für sie Maloche, keine Frage der Eingebung, kein schöngeistiges Abenteuer. Auch wenn es in manchen Filmen von Nina Hoss so aussieht. „Sie geht durch ihre Geschichten hindurch, als ob sie nicht dazugehört“, so Christian Petzold über die 33-jährige Schauspielerin. „Toter Mann“, „Yella“, „Wolfsburg“ hat er mit ihr gemacht. In diesen Meisterwerken ist sie unterwegs durchs Niemandsland der Provinz, irrt durch die unwirtliche Landschaft wie eine Fremde in einem fremden Land, einem fremden Körper. Eine, die die Sprache für Liebe & Gefühle verloren hat.
Diese Stimmungslagen beherrscht sie wie keine andere aus ihrer Generation. Spielen andere Charakterdarsteller von innen nach außen, so hat man bei ihr den Eindruck, als ob sie nach innen spiele, die Psychologie verschlucke und so Kommunikation vermeide. Seelenlagen gibt sie nicht kampflos preis, das Geheimnis ist ihre Festung. Auch in „Hannah“ spielt Nina Hoss eine junge Frau, die sich vergräbt, die sich eingesponnen hat in ein Netz aus Ritualen und Regeln, eine Frau, die nicht aus ihrer Haut kann. Ob bei ihren Eltern, bei denen Hannahs pubertierende Tochter lebt, bei ihrer Arbeit im Fotolabor oder bei ihrem Freund – stets wirkt sie unnahbar. Wann immer ihr jemand zu nahe kommt, blockt sie harsch ab. Schon wenn die Tochter ein Foto von ihr macht, zuckt sie zusammen und wird fuchsteufelswild.
Anders als die Tragödien Petzolds gibt der Film von Erica von Moeller nach und nach Antworten, gibt Erklärungen für das seltsame Verhalten seiner Titelfigur. Ein Unbekannter verfolgt sie, sie bekommt Briefe, in denen sie Fotos von sich findet, und es dringt sogar jemand in ihre Wohnung ein. So jedenfalls scheint es. Oder offenbaren sich hier die inneren Dämonen einer psychisch gestörten Frau? Aus einem kühl beobachtenden Psychodrama entwickelt sich ein Psychothriller, der mit ihrem Entschluss, nicht länger vor etwas wegzulaufen und endlich auch als Mutter für die Tochter da zu sein, kurzzeitig zum Road-Movie wird, bevor „Hannah“ die letzten 20 Minuten eine ganz andere Genretonlage anschlägt. Der Film, der eine kleine Kino-Auswertung hatte, psychologisiert. Man kann das dem Film ankreiden – insbesondere, weil die schlussendlichen Erklärungen für die seelische Schieflage der Heldin recht simpel gestrickt sind. Den Sehgewohnheiten im Fernsehen aber und dem Harmoniebedürfnis der Zuschauer kommt der Handlungsverlauf entgegen.
„Was der Film erzählt, ist etwas, was auch viele Zuschauer ansatzweise erfahren haben“, sagt denn auch Hoss. Hannah ist von daher weniger existenzielle Tragödie als eine psycho-dramatische Reise in eine bessere Zeit. Eine besondere Qualität des Films liegt in den Bildern. Die erste Hälfte sind die Menschen eingezwängt in Räume, die Straßen sind grau, kein Himmel ist sichtbar. Später weitet sich der Blick auf die Welt. Sogar Natur kommt ins Bild. Nina Hoss, Tochter der Schauspielerin und Theaterintendantin Heidemarie Rohweder und von Willy Hoss, eines der Gründungsväter der Grünen, betonte denn auch zum Kinostart von „Hannah“, dass sie vor allem die Arbeit mit der „fantastischen Kamerafrau“ Sophie Maintigneux gelockt habe.