Auch im zweiten Film aus der vom ZDF als „neue Heimatfarbe” angekündigten Tirol-Reihe „Hanna Hellmann” funktioniert die clevere Kombination verschiedener Genre-Zutaten vorzüglich, zumindest aus Sicht der Zielgruppe. Nur eine Woche nach Ausstrahlung von Teil eins hält sich die Fortsetzung nicht lange mit der Vorgeschichte auf: Nach einem Heiratsantrag ihres langjährigen Freunds Stefan war die Titelheldin (Diana Staehly) in die Tiroler Berge geflohen. Dank ihres offenen Wesens, einiger juristischer Grundkenntnisse sowie der Tatsache, als Zugereiste neutral zu sein, hat sie Gefallen an der Aufgabe der örtlichen Schlichterin gefunden; und mit dem schmucken Touristenführer Alessandro gab es einen weiteren Grund, Wurzeln zu schlagen. Da pünktlich zum Abspann ihr Freund auftauchte, war klar, wie das romantische Gerüst von Teil zwei aussehen würde: eine Frau zwischen zwei Männern. Dieses Erzählmuster ist zwar denkbar unoriginell, macht aber auch nur eine Hälfte der Handlung aus. Die andere erzählt eine Geschichte, die gleichfalls nicht neu ist: Es stellt sich durch Zufall raus, dass zwei circa 15 Jahre alte Mädchen bei der Geburt vertauscht worden sind. Hanna bietet den Elternpaaren an, gemeinsam mit ihnen eine Lösung zu suchen.
„Geheimnisse der Berge“ ist exakt vom gleichen Team produziert worden wie „Der Ruf der Berge“; das Drehbuch stammt erneut von Anja Weber, Regie führte Kai Meyer-Ricks, die Bildgestaltung besorgte Daniel Koppelkamm. Und doch gibt es Unterschiede: Die Landschaftsbilder scheinen diesmal quantitativ eine größere Rolle zu spielen. Zwar wurde auch im ersten Film schon jeder Szenenwechsel durch einen Schwenk übers Bergpanorama oder einen Blick ins Tal eingeleitet, aber diesmal dauern die Szenen oft nur eine Minute, sodass der Fluss der Handlung immer wieder unterbrochen wird. Mitunter wirkt die Vielzahl der Zwischenschnitte gar wie ein Spiel auf Zeit: als habe der eigentliche Spielanteil nicht ausgereicht. Freunde des Genres wird das erfahrungsgemäß nicht stören, zumal Koppelkamms Aufnahmen bei alpenaffinen Zuschauern umgehend die Reiselust wecken dürften. Überdies fällt auch auf, dass sämtliche handelnden Personen viel Muße haben, sich an der Natur zu ergötzen, obwohl sie eigentlich ihren Lebensunterhalt verdienen müssten.
Foto: ZDF / Erika Hauri
Entscheidender für die Plausibilität der Geschichte ist aber ohnehin die Einfädelung des Konflikts. Um die Dramatik auf die Spitze zu treiben, hat sich Autorin Weber eine Gerölllawine ausgedacht, die die beiden miteinander befreundeten Familien fast unter sich begräbt. Eins der Mädchen wird dabei verletzt, und bei der Gelegenheit entfährt seinem „Vater“ die Wahrheit, die er kurz zuvor zufällig entdeckt hat. Die Lawine wäre zwar streng genommen nicht nötig, aber auf diese Weise entsteht natürlich eine emotionale Ausnahmesituation. Während die beiden Mütter (Rebecca Rudolph, Barbara Sotelsek) gewillt sind, sich einvernehmlich zu einigen, entpuppen sich die Väter (Tim Bergmann, Jan Henrik Stahlberg) bis hin zur handfesten Prügelei als unversöhnlich. Der von Bergmann verkörperte Vater ist als Figur zwar überzeichnet, aber ansonsten wird der Konflikt sehr glaubwürdig beschrieben.
Angenehm differenziert ist auch der Entwurf von Hannas Ex-Freund. Dass eine Frau in der Ferne ein neues Glück findet und sich dann zwischen alter und neuer Liebe entscheiden muss, ist ein beliebtes Handlungsmuster; der Ex ist dabei in der Regel auch durch die Besetzung von vornherein als Antagonist gebrandmarkt. Das ist diesmal erfreulicherweise anders. Roman Knižka, der in Filmen dieser Art oft genug sowohl den Schurken als auch den Charmeur verkörpert hat, darf seinen ganzen Charme spielen lassen: Stefan ist geistreich, witzig, hilfsbereit und wäre sogar bereit, für Hanna nach Tirol zu ziehen. Man ahnt zwar dennoch, dass Hannas Herz für den Naturburschen Alessandro (Tobias Licht) schlägt, aber die Qual ihrer Wahl ist sehr nachvollziehbar. Für die anderen zwischenmenschlichen Ereignisse findet das Drehbuch fast schon komplexe Hintergründe; die Gerölllawine zum Beispiel wird von einer hübschen Studentin ausgelöst, die sich wiederum als frühere Freundin von Hannas Kellner (Manuel Cortez) entpuppt, was dem Film einen für dieses Genre eher ungewöhnlichen, aber konsequent keusch gefilmten erotischen Moment beschert. Auch die Titelheldin wird beim Nacktbad im Bergsee züchtig von einem Felsen verdeckt. Sex im Heimatdrama: So weit wollte das ZDF mit der „neuen Farbe“ dann wohl doch nicht gehen. Ähnlich konventionell ist die immerhin stimmige Mischung aus Filmmusik, Kuschelrock und Schmusepop ausgefallen, die dem Film eine angenehme Wohlfühlatmosphäre verleihen soll.