Hangtime – beim Basketball ist das der entscheidende Moment. Der Spieler hängt in der Luft und die Frage ist: netzt er ein oder versagt er? „Vom Helden zur tragischen Figur“, titelt die heimische Tagespresse, als Vinz beim ersten Aufstiegsspiel in die 1. Liga Nerven zeigt. Er ist der Star von Phoenix Hagen. Mit dem Abi in der Tasche könnte er jetzt versuchen, als Profi durchzustarten. Diesen Plan jedenfalls verfolgt sein großer Bruder, Georg, der nach dem Tod der Eltern vor zehn Jahren nicht nur die Vormundschaft für Vinz übernahm, sondern auch seinen Traum von der Basketball-Karriere für die „Familie“ aufgab. Nun will er, dass Vinz das nachholt, was ihm selbst verwehrt blieb. Doch der weiß nicht, ob er das will. Am liebsten würde er für ein paar Monate in die USA gehen. Die Bewerbungsunterlagen für ein Sportstipendium sind schon abgeschickt. Aber kann er das Georg antun? Der will ihn nach Frankfurt in die 1. Liga vermitteln. Auch seine Kumpels Samuel und Ali würden ihm fehlen. Und ausgerechnet jetzt lernt er auch noch die hübsche Kathi kennen.
„Hangtime – Kein leichtes Spiel“ zeigt einen jungen Mann, der „dazwischen hängt“ und sich entscheiden muss, wohin sein Leben künftig gehen soll. Raus aus Hagen, das steht fest. Fragt sich nur, wann. Den jungen Helden drängt es weniger als den gescheiterten Bruder, der sich die letzten Jahre aufgeopfert hat. Er kann und will dieses Hochhausgetto, dieses beengte, provisorische Wohnen, die stupide Drecksarbeit in der Fabrik nicht langer ertragen. Er will, dass ihm sein kleiner Bruder jetzt etwas zurückgibt. Dass dieser vielleicht andere Bedürfnisse, andere Ambitionen haben könnte als er – auf diese Idee ist er nie gekommen. Der Film von Wolfgang Groos, eine kleine WDR-Kinokoproduktion, mischt Coming-of-age-Drama und Sportlerfilm zu einer hierzulande seltenen Genre-Mixtur. „Es geht um Freundschaft und um die Angst davor, sie zu verlieren. Es geht um Liebe und darum, wie viel Nähe man aushalten kann“, sagt Groos („Rennschwein Rudi Rüssel – die Serie“).
Mindestens so wichtig wie die Themen sind die Tonlagen und Stimmungen, die der Film anschlägt. Wirkt die Ästhetik bisweilen etwas gewollt cool mit ihren flackernden Bildeffekten, so trifft der Soundtrack sehr viel authentischer die Gefühlslage des Helden. Grandios sind die Basketball-Spielszenen inszeniert. Wann entwickelte ein deutscher Film einmal so viel Tempo, so viel Drive und emotionale Anspannung in einer Sportmatch-Szene?! Und man muss kein Basketballfan sein, um beim entscheidenden Finalspiel mitzufiebern. Das freilich spricht auch für das große Identifikationspotenzial, das „Hangtime“ dem Zuschauer anbietet. Entdeckung Max Kidd und Misel Maticevic bringen dieses Potenzial voll zum Tragen. Da stört es wenig, dass die Story vom Erwachsenwerden nicht ohne Stereotypen auskommt (die Zeichnung der Asi-Freunde, die Liebesgeschichte) und die dramaturgische Feinjustierung zwischen dem Brüder-Plot und den Nebengeschichten nicht immer stimmt. (Text-Stand: 21.5.2010)