Das Fest in der „Familienhölle“ seiner Ex-Frau konnte Gunnar Barbarotti gerade noch abwenden. Um die Horrorfamilie des Ex-Paukers Hermansson kommt der italo-schwedische Inspektor nicht herum. Nach einer Geburtstagsfeier werden zwei Angehörige vermisst: Walter, das schwarze Schaf der Familie, der durch seinen Fernsehauftritt in einem Dschungelcamp als „Wichs-Walter“ traurige Berühmtheit erlangte, und sein Neffe, das genaue Gegenteil, ein junger Mann Marke Musterknabe, einer, der von allen geliebt wird. Die Spuren sind rar, die Ermittlungen ziehen sich hin. Nach einigen Monaten gibt es einen Zufallsfund: Walters Leiche, fein säuberlich zerlegt und verpackt in einer Tiefkühltruhe.
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Nach den Van-Veeteren-Krimis hat der Schwede Hakan Nesser einen neuen Ermittler kreiert. Einen einfachen Kleinstadt-Inspektor, einen Schweden mit italienischen Wurzeln, er ist geschieden und allein erziehender Vater einer 18-jährigen Tochter. Gunnar Barbarotti ist kein Analytiker, er ist ein Handwerker der Verbrechensaufklärung – fleißig, gewissenhaft, hartnäckig. Selbst in eine einfache Befragung begibt er sich mit einem Diktiergerät. Seine Herkunft zeigt sich in seinem Lebensstil: Barbarotti ist kein schwermütiger Ermittler des Nordens, er weiß auch die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Der erste Barbarotti-Roman „Mensch ohne Hund“ liefert eine klare Charakterisierung der Hauptfigur, bietet mehr als eine routinierte Krimi-Story, besitzt Atmosphäre und einen Schuss Ironie. „Barbarotti überzeugt als sympathischer Typ, der seine sensiblen Seiten weder durch seine lässige Sprache noch durch seinen leicht verschrobenen Humor verbergen kann“, so ein Kritiker.
Da ist es keine Überraschung, dass sich die ARD rasch um die Rechte bemüht hat, um jenen Inspektor Barbarotti als nordischen Bruder von Commissario Brunetti in den TV-Einschaltquotenkampf zu schicken, nachdem Henry Hübchens Commissario Laurenti zu Recht keinen Erfolg verbuchen konnte. „Mensch ohne Hund“ besticht durch eine eigene Note. Land und Landschaft geben den Rhythmus vor. Ermittler und Regie haben alle Zeit der Welt. So ergeben sich intensive Szenen, die im Detail psychologisch dicht und ästhetisch abwechslungsreich aufgelöst werden und so vergessen lassen, dass hier mal wieder deutsche Schauspieler auf Hermansson, Limborg oder Eriksson machen müssen. Vor allem Vadim Glowna als verknöcherter Patriarch, Marie-Anne Fliegel als dessen verunsicherte Ehefrau und Judith Engel als grabeskalte Ärztin liefern eine beeindruckende Performance, was aber nie die Gesamttonlage sprengt. Der eigenwillige, fast ein wenig schrullige Kommissar mit seinen Zwiegesprächen mit Gott ist angenehm offen für die verschiedensten Zwischentöne: Sylvester Groth spielt ihn mit der Lust eines Vollblutschauspielers. Das macht Laune, auch wenn die Krimihandlung zwischenzeitlich mal etwas durchhängt. Von allen ARD-Auslandsermittlern und Degeto-Kommissaren besitzt dieser unkonventionelle Barbarotti das größte Potenzial.