Drei Freunde auf dem Sprung von der DDR in den Westen. Einer von ihnen, der 18-jährige Frank, will eigentlich nicht. Nachdem sich das „Rübermachen“ von Thomas & Alex vor Ort zerschlagen hat, gibt es auch für ihn, den „Fluchthelfer“, kein zurück mehr. Franks Vater, ein Stasi-Major, und ein aufstrebender Hartliner sind den Jungs auf den Fersen. Nach dem Kontakt zu einem legendären Schleuser wissen sie, dass sie nur eine Chance haben: über Prag und Budapest nach Belgrad und dort in die Botschaft der BRD. Geld, falsche Papiere, Pistole, für alles ist gesorgt, sogar eine hübsche Begleiterin bekommen die drei, doch der lange Arm der Stasi reicht nicht nur bis nach Jugoslawien, er macht auch vor den Unzertrennlichen nicht Halt. „Entweder wir alle oder keiner“ – die Power-Parole des coolen Trios ist bald Makulatur.
Foto: Pro Sieben / Joseph Wolfsberg
„Go West – Freiheit um jeden Preis“ ist das, was gemeinhin als Event-Mehrteiler bezeichnet wird, doch dieser Film hat nichts gemein mit zeitgeschichtlichen Dramen wie „Wir sind ein Volk“ oder „Die Frau vom Checkpoint Charlie“. Der Film versucht gar nicht erst, ein realistisches Spektrum der DDR-Realität zu zeichnen. Nicht die Verkrustung eines Staates, nicht der ideologische Autismus wird gezeigt, im Mittelpunkt steht die Bewegung, Helden sind die, die wegwollen, die, die nicht nur reden, sondern handeln. Der Film erzählt die Geschichte einer Flucht, ist Abenteuerfilm, Road-Movie, Familien-Freundschafts-Drama und Action-Film zugleich – alles wohldosiert und amerikanisch perfekt zu einem Unterhaltungsfilm verschmolzen, dessen 180 Minuten so gut wie keine dramaturgischen Hänger kennen.
Foto: Pro Sieben / Joseph Wolfsberg
Schon der Einstieg ist ein Versprechen: die Handlung nimmt schnell Fahrt auf, die drei Helden werden fix charakterisiert und sie müssen vom Zuschauer geradewegs adoptiert werden, obwohl sie sich keineswegs anbiedern. Da ist der sanfte Schöne (engelsgleich: Sergej Moya), der motzige Wilde (nicht zu laut: Franz Dinda), der unbedarfte Naivling (nuancenreich: Frederick Lau). Die Freundschaft der drei ist das Herzstück des Films. Die Flucht ist die Bewährungsprobe für diese Freundschaft, sie kennzeichnet den steinigen Weg des Erwachsenwerdens. „Wir brauchen unsere Väter nicht“, heißt es im Film. Ein Trugschluss, zeigt sich wenige Minuten später. Überhaupt, die Dialoge. In kommerziellen TV-Movies verkommen sie oft zu Floskeln. Autor Matthias Pacht („Das wahre Leben“) bevorzugt ebenfalls einfache Sätze, aber sie haben Kraft und lassen Raum für nonverbale Zwischentöne. Mal schlagen sie antizipatorisch Alarm („Korbach darf die BRD auf keinen Fall erreichen“), mal bedienen sie sich eines der „großen“ Themen („Ihr wollt nur nicht erwachsen werden“), mal zeigen sie einen Hang zum Selbstreferentiellen („entweder wir alle oder keiner“).
Kinoqualität – das sind nicht nur große Bilder. Kinoqualität – das ist vor allem eine Narration, die universale Mythen streift. In diesem Sinne ist „Go West“ ganz großes Fernsehen. Das ist präzise, physisch, packend. Mit „Go West“ lässt sich nicht der Kalte Krieg der 80er Jahre verstehen, der Film ist kein Pflichtfilm für den Schulunterricht, sollte aber ein Pflichtfilm sein für alle, die intelligentes, junges, emotionales Fernsehen lieben oder machen wollen.