„Wir sind die Jungs zum Blut wegwischen.“ Freddy und Emile sind Rettungssanitäter in Hamburg. In ihrem Job entscheiden oft Sekunden über Leben und Tod. Ein Stressjob mit vollem Körpereinsatz, der ihnen selten gedankt wird. Nun kriegen sie auch noch Probleme, weil sie mit dem lebensgefährlich verletzten Generalstaatsanwalt die schnellste Route zum Krankenhaus genommen haben. Und dann hat Freddy plötzlich einen Schließfachschlüssel in der Hand, in der eine Tasche voller Geld auf ihn wartet. Diese Geldtasche war Lockmittel für den internationalen Waffenhändler Schlesinger. Lola, sein „Mädchen“, will auspacken. Sie hat den Mord an dem Geldtaschenüberbringer, einem Polizisten, mitbekommen, und sie hatte kurz vor dem Attentat auf den Generalstaatsanwalt mit ihm eine Unterredung. Er wollte sehen, was er zeugenschutztechnisch für sie tun könne. Jetzt muss jene Lola auf sich selbst aufpassen. Die Geldtasche bringt sie mit Freddy zusammen. Vielleicht kann der Sanitäter ihr ja helfen!
„Der Tod begleitet einen die ganze Zeit. Man weiß nur nicht, wann er zuschlägt.“ Diese Erfahrung machen Personenschützer wie Rettungssanitäter im echten Leben, in einem Film von Lars Becker muss eigentlich jede Figur auf sein mögliches baldiges Ende gefasst sein. „Geisterfahrer“ kommt ohne Kommissare aus. Der Film changiert zwischen Drama und Krimi, enthält viele Thriller-Elemente und (weil der Zuschauer oft mehr weiß) reichlich Suspense. Vor Lars Becker sind alle Menschen gleich – bezogen auf die Art, wie sie ihren Alltag regeln. Auch Gangster sind nur Spießer, die bequem leben und keine Probleme haben wollen. Nur ihre Lösungsstrategien sind andere als die der moralisch integren Menschen. Alle machen ihren Job. Mal gut, mal weniger gut. Sehr oft sind sie einfach schlecht informiert. Das hat Auswirkungen auf die Dramaturgie. Immer wieder wird bereits Gesehenes verbal wiederholt. Das gehört zu Beckers Credo: das Bewusstsein der Figuren steht über allem; das Hier und Jetzt dominiert im Leben. Der Filmemacher ist kein Freund dramaturgischer Perfektion oder stylisher Montagen, er liebt die Chronologie des rauen Alltags.
Soundtrack: u.a. Booker T & MGs („Melting Pot“), Zucchero („E un peccato morir“), Gonzales („Gentle Threat“), Fairuz („Beirut hal Zarafat“), Bino („Mama Leone“), Danger Mouse & Daniele Luppi („Season’s Trees“)
Foto: ZDF / Hannes Hubach
„Ist man Gott?“, bringt es der Held, ein einfach gestrickter Sanitäter, auf den Punkt, als man ihm die Staatsanwaltschaft auf den Hals hetzt. „Ist man Gott?“, das könnte sich auch Autor-Regisseur Lars Becker fragen. Natürlich nicht. Und deshalb lässt er sie fließen, die Realität, und verzichtet auf übermäßige Ästhetisierung. Und weil er nicht Gott ist, verzichtet er auch auf Moral und diese unerträgliche Gefühlsrhetorik. Atmosphäre und Emotion vermitteln sich dennoch nicht zu knapp. Es sind die kleinen großen Momente, ein nächtlicher Pistolenkauf, eine absurde Lebensrettungssituation mit einem Kind, das an Chicken-Wings zu ersticken droht, die Kommunikation der „Kriminellen“, der konspirative Tisch, es sind die coolen Augen-Blicke, die Genre-Ikonen, der Regen, die Blondine mit dem hochgeschlagenen Kragen und den sexy-Frisuren, die einsamen Parkdecks, Fritz Karl, der aussieht wie Dirk Bogarde in „Tod in Venedig“, all diese Dinge sind es, die den Fan solcher Erzählweisen verführen und ihn sodann in den Fluss der Geschichte, die Geschichte zweier tragischer Helden, hineinziehen.
Es ist kein Zufall, dass sich Beckers Filme durch exzellente Soundtracks auszeichnen. Neben der Erotik des Details (in der Musik die Hookline) zeichnen sich gute Filme vor allem durch eines aus: guten Rhythmus. Aber auch Szenen sind bei Becker wie Songs gebaut: da ist die coole Ballade des Italo-Killers (authentisch: Michele Oliveri), der in einer eineinhalbminütigen Einstellung zu angejazzten Klängen aus einer Bar in Genua zu einem Telefon im Freien schlendert. Die Zigarette in der Hand, ein „Pronto“ auf den Lippen und eine Geste der Vergeblichkeit. Schon allein für so eine Szene muss man diesen Film lieben. Oder die drei Auftritte von Misel Maticevic: als Haudrauf, als herzensguter Freund, als cooler Kleinkrimineller – das ist großes Macho-Kino. Julia Dietze, alles andere als eine begnadete Schauspielerin, im Kosmos von Lars Becker funktioniert sie bestens: als Pop-Ikone.