Eine Frau stirbt bei der Geburt. Kein Arzt ist zur Stelle, nur eine Hebamme kann das ihr Bestmögliche tun. Und sie entscheidet mutig. Sie macht einen Kaiserschnitt, um so wenigstens das Kind zu retten. “Gefährliche Gefühle” erzählt von einer Frau, die nicht zögert, sondern zupackt und etwas wagt, die dafür aber keine Anerkennung, sondern Vorwürfe erntet. Man unterstellt der Hebamme niedere Beweggründe, weil sie eine Liebesaffäre mit dem Mann hatte, deren Frau ihr unter den Händen wegstarb.
Eigentlich ist Andrea eine sehr starke Frau. Sie hat viele Jahre in Afrika als Hebamme gearbeitet. Da lernt man zu handeln. Doch die Kriminalisierung durch Dorf und Behörden erschüttert ihr Selbstvertrauen. Weil sie am Tag nach jener schicksalhaften Nacht keine Aussage macht, findet sie sich Tage später in Untersuchungshaft wieder. Die Anklage lautet “fahrlässige Tötung“. Die Mutter der Toten plädiert sogar auf Vorsatz. Von allen, selbst ihrem einstigen Geliebten, fühlt sich die Hebamme verlassen. Und sie grübelt über ihr Verhalten nach. “Warum hab’ ich die Wiederbelebung abgebrochen?”, fragt sie sich. „Vielleicht habe ich sie ja doch sterben lassen wollen – unbewusst.”
Was ziemlich ausgedacht klingt, packt einen im Film vom ersten Augenblick an. “Gefährliche Gefühle” ist ein modernes Melodram um Liebe, Schuld, Verantwortung und die Unmöglichkeit einer 100% richtigen Wahl. Es zeigt, wie unversöhnlich eine Dorfgemeinschaft sein kann und wie sich Schmerz in Rachegelüsten ersticken lässt. Doch anders als in den Klassikern des Genres lässt hier Martin Enlen (“Andrea und Marie“), der sich als “Frauen-Regisseur” einen Namen gemacht hat, weder den Sound pompös anschwellen, noch belastet er die Bilder mit der Schwere des Schicksals. Die liegt auf den Gesichtern der Schauspieler.
Harald Krassnitzer spielt das schlechte Gewissen so wie im richtigen Leben. Monica Bleibtreu imponiert als rachdurstiger Hausdrachen. Und Jasmin Schwiers überzeugt als Tochter, die in ihrer Ohnmacht nach Sündenböcken sucht. Dreh- und Angelpunkt im Film aber ist Katharina Böhm – eine Schauspielerin, die lange unterschätzt wurde, weil sie in ihrer Rollenauswahl oft kein glückliches Händchen bewies. Nach “Nachtschicht”, “Der Freund von früher” und jetzt diesem klugen Melodram ist 2003 offenbar ihr Jahr! (Text-Stand: 10.11.2003)
Foto: ZDF