Zwischen Radarkontrollen und Rammler-Exitus bewegt sich der Berufsalltag der Streifen-Polizisten Jens Jensen und Süher Özlügül. Sie ist hoch motiviert, er lässt es lieber stressfrei angehen. Ermitteln unter Freunden, das benötigt Fingerspitzengefühl. Ansonsten nicht viel los in Ostfriesland. Die Landschaft ist platt und die nahegelegene Kreisstadt heißt entsprechend: Leer. Da ist es kein Wunder, dass sich die beiden Jungpolizisten in die Sache mit der toten Elfie Berger – für ihren Chef ein klarer Fall von Selbstmord – mächtig reinhängen. Süher eher aus Karrieredenken, Jens, weil Elfie die Frau eines alten Kumpels ist. Doch was die zwei mit der reichlich übermotivierten Apothekerin Insa, Steckenpferd Forensik, da so alles ermitteln, wirft kein gutes Licht auf ihre eigene Dienststelle. Bestechlichkeit im Amt. Nebenverdienste so weit das Auge reicht. Und dann vielleicht auch noch der Kumpel ein Mörder?
Foto: ZDF / Stephanie Kulbach
„Friesland“ ist der vierte neue ZDF-Samstagskrimi. Was im Münsterland mit „Wilsberg“ und bei der Konkurrenz mit dem Thiel-Boerne-„Tatort“ bestens funktioniert, versucht das Zweite nun in Ostfriesland. Um es gleich vorwegzunehmen: Die Auftakt-Episode „Mörderische Gezeiten“ bewegt sich nicht auf dem berüchtigt niedrigen Ostfriesenwitz-Niveau. Klischees ja – aber eingesponnen in die Handlung. Ostfriesenwitze gibt es auch – aber die machen die Figuren selber, vornehmlich der Kripo-Choleriker aus Wilhelmshaven, der sich damit vorzüglich selbst charakterisiert. Die Ausgangssituation kennt man von anderen Heimat-Krimis, egal ob sie in der Eifel, in Niedersachsen, Schleswig Holstein oder Bayern spielen. Ermitteln im Mikrokosmos einer Region, ein wenig menschelnd und nah an den Charakteren – das ist eine beliebte Abwechslung zum Großstadtkrimi. Und komisch vor allem haben diese Krimis aus der Provinz zu sein. Das ZDF tut gut daran, sich nicht auf das Baukastenformat des ARD-Vorabendlabels „Heiter bis tödlich“ zu verlassen, sondern Charaktere und ein Konzept zu entwickeln, mit dem längerfristig mehr zu erzählen ist als tümelnder Regionalismus, den man notdürftig hinter Krimi-Schablonen versteckt. „Friesland“ lebt von seinen Typen, die im besten Sinne ausgedacht sind: eine Kriminalkomödie muss mindestens so weitsichtig konzipiert sein wie eine ernsthafte Krimi-Reihe, um die unterschiedlichen Tonlagen stimmig zu verbinden. Familie ist alles. Nicht nur bei den Özlügüls, sondern auch im seriellen Fernsehen. Ähnlich wie bei der Serie „Mord mit Aussicht“ wird auch hier der Krimi-Whodunit – in Anbetracht des sechsköpfigen Ensembles – zur rund-entspannten Nebensache.
Foto: ZDF / Stephanie Kulbach
„Stürmische Gezeiten“ macht Lust auf mehr. Anders als viele der (frühen) Münster-„Tatorte“ tragen die Figuren die Karikatur nicht vor sich her. Und wenn doch, dann mit Schmackes und großartigen Dialogen wie Felix Vörtlers Kommissar Dinklage. Die beiden Hauptprotagonisten leben besonders durch ihre Darsteller. Florian Lukas variiert seine Leisetreterrollen: sein Jens Jensen wirkt stets ein bisschen verunsichert und leicht gehemmt, eine Spur Loser-like, aber er kann auch anders, wenn er will. Seine Kollegin Süher spielt Sophie Dal („Der Dicke“) sympathisch und mit zunehmender emotionaler Tiefe liebenswert. Noch erkennt man ein spielerisches Ungleichgewicht zwischen den beiden – was gewiss auch an den Möglichkeiten der Rollen liegt. Lukas nimmt man auch im Rahmen eines augenzwinkernden Krimis das Zerknirschtsein, den Frust über seinen korrupten Ersatzvater und sein erschüttertes Weltbild ab. Der Schauspieler spielt die Gefühle seines Provinzpolizisten quasi in sich hinein. Dagegen wirkt Dals Süher anfangs nur wie das ausgedachte, etwas äußerlich geratene Gegenbild.
Bleiben die beiden Sidekicks: Theresa Underberg als Insa Scherzinger (nomen est omen) überzieht bewusst die Komik ins Absurd-Banale und Matthias Matschke als Joint-seliger Bestattungsunternehmer Wolfgang Habedank, ein geschäftstüchtiger Hans Dampf in allen Gassen, gibt dem Film komische Erdung. So simpel Kifferszenen auch sein mögen – man muss den richtigen Protagonisten und Schauspieler für einen solchen „Grasfresser“ erst einmal finden: der „Pastewka“-Darsteller, Neu-Kommissar in der anderen ZDF-Samstagskrimi-Reihe „Helen Dorn“, ist die ideale Besetzung. Wie gut und rasch das Identifikationsprinzip in „Friesland“ funktioniert, erkennt man an einer marginalen Situation: der nervige Bulle aus der Stadt schnüffelt in Habedanks Geschäftsräumen herum. Nebenan, wie man weiß, gedeiht die Cannabis-Plantage. Der Angstschweiß steht dem Bestatter ins Gesicht geschrieben. Und wir, die Zuschauer, zittern mit. (Text-Stand: 29.3.2014)