Friedlich liegt sie da, diese westdeutsche Kleinstadt, irgendwo in einem Mittelgebirge am Fluss, wo das Fachwerk grüßt und sich die Menschen morgens freundlich zuwinken. Das Straßenbild ist fast so verdächtig schön bunt wie in Lumberton, jenem Städtchen aus David Lynchs „Blue Velvet“. Auch dass die hiesige Schule Kafka-Gymnasium heißt, lässt anderes erahnen als einen Komödien-Schwank nach altdeutscher Tradition. Und so röchelt sich denn auch bald der großkotzige Schwimmstar der Schule aus dem Leben. Vergiftet mit einem Liebesknochen. Unter den Teppichen der Kleinstädter hat sich so manches angesammelt. Der Turnlehrer ist ein brutaler Schläger, der Deutschlehrer ein verkannter Schizo. Girlies foltern, eine Frau schaut zu, wie ihr Mann ertrinkt, Jugendliche steinigen ihren Lehrer. Aggressionen wuchern in den Eingeweiden. „Es tut gut so eine kleine Abreaktion“, doziert der Kunstlehrer.
Eine nicht immer fröhliche Groteske haben sich da Thomas Wendrich und Andreas Kleinert ausgedacht. Über den Sozialkörper dringen sie ein in die kranken Hirne ihrer Protagonisten. Das Szenario, das anfangs schräg und sympathisch unkonventionell wirkt, entpuppt sich mehr und mehr als ein einziger zwischenmenschlicher Alptraum, als ein Irrgarten der Ängste. Hier ist alles möglich, erschreckende Parallelwelten tun sich auf – Amstetten liegt in der Luft und Winnenden ist überall. Trotz solch einer pessimistischen Sicht auf die kulturelle Lage der vereinten Nation gelingt es Kleinert, dass man ästhetisch Gefallen findet an dieser deutschen Puppenstube der Grausamkeit. Denn die Bilder (herausragend: Farb- & Lichtgebung) erzählen mit. Da bewegt sich Fritzi Haberlandt vor einem Fenster von Kinoleinwandbreitformat wie in einem Musical von Jacques Demy, da machen Teenager-Badenixen auf Esther Williams, da metzeln zwei geistig verwirrte Freischwimmer in Splatterfilm-Manier ein Puppenkabinett nieder und da setzt Alice Dwyer allen blonden Giften der Filmgeschichte ein hocherotisches Denkmal. Sicher ist nicht alles gelungen in dieser kleinen Kino-Koproduktion – aber wir brauchen mehr mutig erzählende Filme wie „Freischwimmer“, der unter dem Mantel eines pechschwarzen Spiels eine Menge gesellschaftlich Relevantes beiläufig miterzählt.