Wann ist ein Mann ein Mann? Wenn er etwas von Thomas, Malte und Jens hat? Also, der erste ist ein Romantiker, der in Stresssituationen kräftig hyperventiliert und sich in Phobien und Panikattacken flüchtet. Der zweite macht auf Berufsjugendlicher, er ist einer, der Spaß haben will, der immer richtig Gas gibt und sich für besonders „männlich“ hält. Und der dritte ist ein Aussitzer, ein von Ängsten Getriebener, ein Zögerer, ein Zauderer, der keinem wehtun möchte, damit sich und seinen Nächsten aber keinen Gefallen tut. Der Autor, der vom Roman träumt und Gebrauchsanweisungen schreibt, der Autohändler für Luxuskarossen, der mit Geld um sich schmeißt, obwohl der Mann mit dem Kuckuck anklopft, und der Fahrlehrer, der Paris-Dakar fahren wollte und stattdessen pickligen Teenagern das Autofahren beibringt – diese drei machen gemeinsam Urlaub in einem komfortablen Ferienhaus an einem einsamen schwedischen See. Drei Männer um die 40 – dem großen Abenteuer und dem eigenen Schweinehund auf der Spur, auf der Suche nach dem, was Männerfreundschaft heißen kann. Ein Elch kreuzt ihren Weg, Catweazle poltert vorbei und eine Frau gibt’s hier, alter Schwede, da könnte selbst Hyperventilierer Thomas zum Elch werden – wenn er könnte.
„Freilaufende Männer“ ist entstanden nach dem gleichnamigen Zeitgeist-Roman von Gernot Gricksch. Das sagt etwas über den Grundton dieses Fernsehfilms, der schon allein durch die Tatsache, dass drei Männer (und dazu unter 50) das Sagen haben, eine kleine Rarität ist. Diese WDR-Komödie versucht, den Zuschauer gleichermaßen bei seiner „Beziehungsarbeit“ und dem Unterhaltungsbedürfnis abzuholen. Im Klartext: Vor allem die weiblichen Zuschauer werden – vielleicht mit ihrem Partner – den Film nach ihren Erfahrungen mit dem „starken Geschlecht“ abklopfen. Dass es drei Männer sind – das erhöht die Möglichkeit von Anknüpfungspunkten, das ermöglicht aber auch, sich leichter zu distanzieren von dem im Film Verhandelten. „Wir erzählen etwas Reales, aber auf eine Art und Weise, die zugespitzt ist, ohne zur Karikatur zu werden“, betont Mark Waschke, der den Fahrlehrer spielt, der unentschlossen zwischen Familie und Geliebter pendelt. „Das sind bei allen Macken keine Witzfiguren, das sind verzweifelt strauchelnde Kämpfer.“ Vielleicht schauen auch welche zu.
Foto: WDR / Frank Dicks
Diese drei Männer sind Protoypen einer Generation, in der das Spielen (auch mit Geschlechterrollen) wieder erlaubt war und wo es zum guten Ton gehörte, nicht erwachsen werden zu wollen. Es sind, wie Waschke sagt, Zuspitzungen, aber in ihrem Kern enthalten sie eine tiefe Wahrheit davon, was einen Mittelschicht-Mann einer bestimmten Generation und Gehaltsklasse zum Mann macht. Vor allem Wotan Wolke Möhrings verletzter, sensibler Texter, der seinen Platz im Leben und in seinem Körper noch nicht gefunden hat, der tief in seinem Innersten ein anderer sein möchte, dieser Thomas birgt eine Ahnung davon, wie schwer es ist, „der andere Mann“ zu sein, der nicht dem Klischee des Platzhirsches entspricht. „Es geht in dem Film auch darum, wie viel ich preisgeben muss und kann, um Freund zu sein, um wahrhaftig zu sein und letztlich auch, um sich selbst zu finden“, glaubt Möhring. Frage: „Wie lange kann ich den anderen und mir selbst etwas vorspielen?“
Um ein wenig über diesen ganzen „Männerscheiß“ in sich hineinschmunzelnd zu sinnieren – dafür ist dieser bestens besetzte Film von Matthias Tiefenbacher wunderbar geeignet. Doch zu mehr reicht es nicht. Ein bisschen weniger an typisch Macker, typisch Softie, typisch Romantiker zu Beginn hätte dem Film seinen Unterhaltungsanspruch nicht genommen, die Geschichte wäre aber schneller dorthin gelangt, wo es wehtut. Auch wenn Grickschs Vorlage gute Ansätze für einen Film besitzt, hätte ein „anspruchsvoller“ gelernter Drehbuchautor dramaturgisch sicher mehr aus dem Stoff herausholen können. So hat der Film trotz einiger wunderbar leiser, doppelbödiger Szenen leider nichts von den Komödien-Highlights „Ein Schnitzel für drei“ und „Neue Vahr Süd“, dafür umso mehr von „Fasten à la Carte“. Wann ist ein Mann ein Mann? Der Erkenntniswert von „Freilaufende Männer“ ist kaum höher als der des Grönemeyer-Songs, nur der Schmunzeleffekt währt länger. (Text-Stand: 30.3.2011)