„Aufs Sterben warten bringt dich um“, sagt Jan am Ende. Und Nina antwortet: „Aufs Leben warten auch“. Ein großer Dialog; zu groß eigentlich für zwei Dortmunder Jugendliche um die 16. Doch es sind quasi ihre letzten Worte, und für diesen Anlass sind sie durchaus angemessen. Der freche Titel „Fickende Fische“ wird wohl verhindern, dass dieser Film je den Sendeplatz bekommt, den er verdient: Das Teenager-Drama ist unter den ohnehin eindrucksvollen diesjährigen „Debüts im Ersten“ eines der besten. Almut Getto (Buch und Regie) erzählt die Geschichte von Jan, der sich in Nina verliebt. Dabei gelingt der Regisseurin ein reizvolles Paradoxon: Sie inszeniert die Beziehung des Paares gleichzeitig leichtfüßig wie auch schwermütig. Die Beziehung ist nur selten fröhlich oder gar übermütig, stets scheint ein Schatten über ihr zu liegen. Als Jan schließlich mit der Wahrheit herausrückt, hat man es längst geahnt: Er ist HIV-positiv. Getto macht keine große Sache aus der Vorgeschichte; offenbar wurde ihm nach einem Unfall infiziertes Blut übertragen.
Auch Ninas Leben ist alles andere als unbeschwert. Während Jan in geordneten Verhältnissen lebt, ist ihre familiäre Situation ziemlich chaotisch: Ihre Mutter ist nach Kenia ausgewandert, und mit der neuen Freundin ihres Vaters, die zudem ein Baby erwartet, kommt sie überhaupt nicht klar. Trotzdem hofft sie auf eine Rückkehr ihrer Mutter, doch als sie endlich auftaucht, verkündet sie die Scheidung. Die beiden jungen Darsteller Sophie Rogall und Tino Mewes werden von Getto mit viel Gefühl und Gespür für Zwischentöne geführt. Das Drehbuch verzichtet dabei völlig auf falsche Rührseligkeit und erzählt eine ganz normale, mitunter auch verblüffend witzige Liebesgeschichte: wie Jan von Nina mit ihren Rollschuhen gleich zwei Mal über den Haufen gefahren wird, wie sie ihm hilft, die Kindheit wie eine alte Tapete abzustreifen, wie sie sich von Kopf bis Fuß blau anmalen und dann vor seiner neu gestrichenen blauen Wand fotografieren. Die Wasserfarbe blau steht in diesem Film für Freiheit: schwerelos und frei von allen Krankheiten durch die Tiefe gleiten. Immer wieder taucht Jan ab: vordergründig in der Badewanne, hintergründig in die Tiefe. Erst allein, dann mit Nina an seiner Seite: ein Bild, dessen Bedeutung sich erst durch die letzten Einstellungen erklärt. Dann sind sie endlich in Jans Paradies angekommen: „dunkel, nass und voller Fische“. Und so gibt es am Schluss doch noch so etwas wie ein Happy End. (Text-Stand: 4.11.2004)