Familie Bundschuh unter Verschluss

Sawatzki, Milberg, Winter, Löbau, Grossmann, Nennstiel. Wie immer, nur schlimmer

Foto: ZDF / Stefan Erhard
Foto Tilmann P. Gangloff

Die heiteren Geschichten über die ZDF-Familie Bundschuh folgen stets dem gleichen Muster: Wer solche Verwandten hat, braucht keine Feinde. Die siebte Episode ist allerdings nicht so stark auf Pointen und Krawall gebürstet wie sonst; es gibt sogar nachdenkliche Momente. Der Komödie tut das gut, zumal die Mitwirkenden nun auch andere Seiten ihrer Figuren zeigen dürfen. Die größte Überraschung ist jedoch der Handlungsauslöser. Bislang haben Fernsehfilme von ARD und ZDF die Pandemie nur in wenigen Ausnahmefällen thematisiert, aber in „Familie Bundschuh unter Verschluss“ (Ziegler Film) wird sie zum zentralen Thema: Die Sippe muss in Quarantäne. Auf diese Weise können Regisseur & Headautor Thomas Nennstiel und Koautorin Kerstin Cantz die üblichen Konflikte auf die Spitze treiben: Die Familienmitglieder sind einander auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Bis auf ganz wenige Ausnahmen haben die Filme und Serien von ARD und ZDF das Thema Corona bislang komplett ignoriert: kein Mund/Nasen-Schutz, keine Abstandsregeln, keine Impfdiskussionen; als hätte die Pandemie einen großen Bogen um die Geschichten gemacht. Aber nun sorgt ausgerechnet eine Komödie dafür, dass Covid-19 mit Macht in den Alltag einbricht. „Familie Bundschuh unter Verschluss“, die siebte Episode der heiteren Reihe, die größtenteils auf Romanvorlagen von Hauptdarstellerin Andrea Sawatzki beruht, konfrontiert die Sippe mit dem Virus: Gundulas ohnehin zu Wehleidigkeit und Hypochondrie neigender Bruder Hadi (Stephan Grossmann) hat sich infiziert, und jetzt müssen alle in Quarantäne. Auf diese Weise können Kerstin Cantz und der als „Headautor“ firmierende Regisseur Thomas Nennstiel das typische Muster der Geschichten auf die Spitze treiben.

Familie Bundschuh unter VerschlussFoto: ZDF / Stefan Erhard
Ertappt! Schnapsdrossel Susanne (Judy Winter) und ihr Freund Carlo (Rüdiger Vogler) lassen es sich in ihrem Kellerversteck bei Wein, Hasch & Tanz gut gehen.

Die Drehbücher folgen seit „Tief durchatmen, die Familie kommt“ (2015) dem immergleichen Erzählprinzip: Wer solche Verwandten hat, braucht keine Feinde. Mittlerweile leben ohnehin alle unter einem Dach; doch diesmal gibt es aufgrund der Pandemiebestimmungen kein Entkommen. Die Dialoge hätten gern noch ein bisschen bissiger und die Inszenierung ruhig etwas schmissiger sein können, aber auch so ist der Film, der diesmal laut Vorspann nur auf einer Idee Sawatzkis beruht, ein großes Vergnügen. Der bisherige Erfolg der Reihe resultiert nicht zuletzt aus dem zweiten Gebot der Fernsehunterhaltung: Setze beliebte Versatzstücke neu zusammen und ergänze sie um kleine Überraschungen (das erste Gebot lautet „Du sollst nicht langweilen“). Oder um es mit Gundula zu sagen: „alles wie immer, nur schlimmer.“

Die etablierten Figuren bleiben sich treu und erfüllen die Erwartungen, aber personelle Auffrischungen bringen Leben in die Runde: Als Ersatz für ihren Therapeuten gelten Gundulas Tagträume diesmal einem attraktiven Nachbarn (Kai Lentrodt), Sohn Matz (Levis Kachel) verliebt sich in eine neue Mitschülerin (Emilia Packard), außerdem hat sich die Familie während des ersten Lockdowns einen Vierbeiner namens Drosten (!) zugelegt. Für die meiste Unruhe sorgt allerdings die große Liebe von Gundulas Schwiegermutter. Zunächst verbirgt Susanne (Judy Winter) ihren Verehrer noch im Keller, aber das Versteckspiel fliegt alsbald auf, und natürlich muss auch Carlo (Rüdiger Vogler) nun in Quarantäne. Gundulas Gatte Gerald (Axel Milberg) begegnet dem Mann allerdings mit unverhohlener Feindseligkeit, weshalb alsbald eine unausgesprochene Frage im Raum steht: Ist der Galan mit dem Stutzerbärtchen womöglich Geralds Erzeuger?

Familie Bundschuh unter VerschlussFoto: ZDF / Stefan Erhard
Gundula (Andrea Sawatzki) macht die Quarantäne psychisch zu schaffen. Die Hausherrin hat sich in einen Streik begeben und tut so, als sei sie auf den Malediven.

Als besonders ergiebig erweist sich die Idee, Hadi in neue literarische Gefilde zu schicken. Der Ratgeberautor hat einen historischen Roman verfasst und zur öffentlichen Lesung geladen. Als er über Beschwerden klagt, wird dies je nach Wohlwollen als Lampenfieber oder Heischen um Aufmerksamkeit interpretiert. Nach dem positiven Befund muss die Lesung abgesagt werden; dank des bereits gelieferten indischen Caterings haben die Bundschuhs immerhin genug zu essen. Trotzdem ist Gundula untröstlich: In wenigen Tagen wollte sie zum ersten Mal seit 25 Jahren allein mit Gerald in den Urlaub fliegen. Nun macht sie mit Blumenkette und Cocktail das Beste draus und überlässt den Haushalt den anderen, während Hadi in der Isolation vom Stoff seines Buches übermannt wird: Das großzügige Gutshaus der Familie ist einst auf den Überresten einer mittelalterlichen Burg errichtet worden. In dem Roman geht es um einen Brudermord. In Hadis Fieberwahn geistert die unerlöste Seele des Opfers durchs Gemäuer, was Nennstiel für moderate Anleihen beim entsprechenden Genrekino nutzt. Der vermeintliche gemeuchelte Bruder ist natürlich niemand anders als Susannes Geliebter; die Szenen, in denen Carlo nachts ums Haus streift, haben Nennstiel und Kameramann Wolf Siegelmann wie eine Hommage an die Edgar-Wallace-Klassiker gestaltet.

Während die Drehbücher der früheren Filme vorwiegend auf Krawall gebürstet waren, was der Qualität nicht immer zuträglich schien, sorgt Nennstiel diesmal auch für nachdenkliche Momente. Gerade Susanne, die mit ihrer aufgesetzten Aufgekratztheit und den ständigen Sexgeschichten nicht nur die Nerven ihrer Familie strapaziert, darf dank der durch Carlo geweckten Erinnerungen an ihre Jugendjahre zur Ruhe kommen, und auch Geralds vaterlose Kindheit dient keineswegs bloß als Pointenressource. Ein anderes Potenzial lassen Cantz und Nennstiel dagegen ungenutzt: Verschwörungserzählungen bleiben komplett außen vor.

Familie Bundschuh unter VerschlussFoto: ZDF / Stefan Erhard
Manchmal muss man einen Brief verbrennen, wenn man dem Leben eine Wendung geben will. Gerald Bundschuh (Axel Milberg) hat eine wichtige Entscheidung für sich getroffen.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ZDF

Mit Andrea Sawatzki, Axel Milberg, Judy Winter, Eva Löbau, Stephan Grossmann, Levis Kachel, Rüdiger Vogler, Emilia Packard, Charlotte Thompson, Kai Lentrodt

Kamera: Wolf Siegelmann

Szenenbild: Martina Brünner

Kostüm: Corinna Baum

Schnitt: Corina Dietz-Heyne

Musik: Jacki Engelken

Soundtrack: Nazareth („Love Hurts“)

Redaktion: Anja Helmling-Grob

Produktionsfirma: Ziegler Film

Produktion: Regina Ziegler

Headautor*in: Thomas Nennstiel

Drehbuch: Thomas Nennstiel, Kerstin Cantz

Regie: Thomas Nennstiel

Quote: 4,08 Mio. Zuschauer (16,6% MA)

EA: 25.08.2023 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 01.09.2024 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach